Lokalteil für die Stadt Aachen von Montag, 23. November 2020
Studierendenwerk streicht Weihnachtsgeld
Im Skandaljahr müssen untere Lohngruppen auf Gratifikation zum Christfest verzichten. Krach um Hausmeister Jörg
VON ROBERT ESSER
AACHEN Im Jubiläumsjahr schenkt sich das Aachener Studierendenwerk (STW) – regulärer Jahresumsatz über 25 Millionen Euro – das Weihnachtsgeld. Das hat der Aufsichtsrat der GmbH am Wochenende auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Betroffen sind 91 Mitarbeiter des Tochterunternehmens STW Aachen Service GmbH, zuständig für Reinigung und Catering. Der Unmut ist groß. Was nicht zuletzt an der noch nicht aufgearbeiteten Affäre um die fristlose Kündigung des langjährigen Geschäftsführers liegt. Von ihm fordert der Verwaltungsrat 191.000 Euro zurück, die dieser sich offenbar an Kontrollgremien vorbei selbst für zusätzliche Überstunden über Jahre hinweg ausgezahlt hat. Demnach kam der Ex-Chef des Studierendenwerks auf Jahresgehälter von knapp 170.000 Euro. Der Streit wird vor dem Landgericht verhandelt.
Und noch ein weiterer Krach beschäftigt das Studierendenwerk pünktlich zum 100. Geburtstag – das inzwischen mit über 370 Mitarbeitern über 61.000 Studierende in Aachen und Jülich betreut, vor dem Corona-Lockdown fünf Kindertagesstätten und neun Mensen betrieb sowie 24 Wohnheime mit 5119 Appartement-Plätzen zählt. Fast ein ganzes Hochhaus – der Studententurm „Walter Eilender-Haus (WEH) an der Rütscher Straße – wehrt sich gegen Personalentscheidungen des Vermieters. Hier geht es um den Job des Hausmeisters Jörg D., dessen Vertrag das STW nicht verlängern will. Seit September plakatieren Bewohner in den Fenstern des 50 Meter hohen Turms weiterhin sichtbar „#JÖRG BLEIBT“.
„#JÖRG BLEIBT“: Hunderte Bewohner eines Studententurms werfen dem Studierendenwerk den Jobverlust ihres Hausmeisters vor. FOTO HARALD KRÖMER
„Mit unserer Aktion wollen wir das Studierendenwerk darauf aufmerksam machen, dass es ein großer Fehler wäre, einen so engagierten und zuverlässigen Hausmeister zu entlassen, auch da er ein unverzichtbares Mitglied unserer Türmegemeinschaft ist“, erklärt Tim Barcikowski, Vorstand des WEH auf Anfrage. 235 der insgesamt 276 Bewohner haben nun eine entsprechende Petition unterschrieben – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Studierendenwerks. Man sei enttäuscht, dass das STW keine Rücksprache mit den Studierenden anbiete und schockiert über den Jobverlust eines alleinerziehenden Vaters von drei Kindern – mitten in der Corona-Krise. Dem Vernehmen nach hat sich Jörg D. persönlich intensiv engagiert, um desolate Zustände in dem maroden Studententurm zu beheben. Dieser steht schon seit langem auf einer Sanierungsliste. Die Rede ist da beispielsweise von der Neuanschaffung moderner Kühlschränke für die Wohnküchen und Wartungsarbeiten an veralteten elektrischen Anlagen. In einem benachbarten Studententurm, dem „Otto-Inze-Haus“, sei es bereits zu Überspannungsschäden an Elektrogeräten von Bewohnern gekommen – möglicherweise befördert durch frühere Wartungsmängel. Elektrik-Mängel, so berichten andere Mitarbeiter des STW, gebe es auch an einigen Anlagen der Mensen.
Zu der Personalangelegenheit schweigt das Studierendenwerk. Weder Verwaltungsrat noch Geschäftsführung – vorübergehend Leiter bis 1. Dezember ist Jörg J. Schmitz – wollen sich dazu öffentlich äußern. Zur Streichung der Weihnachtsgratifikation, die vor allem untere Lohngruppen schwer trifft, nimmt man indes Stellung: „Da die meisten Mensen pandemiebedingt schließen beziehungsweise auf einen Notbetrieb herunterfahren mussten, sind ein Großteil der Einsatzbereiche und damit erhebliche Erlöse in der GmbH weggefallen. Diese Entwicklung hat zu einer finanziellen Schieflage geführt“, erklärt STW-Sprecherin Ute von Drathen. Mit Hilfe des Kurzarbeitergelds für 57 der 91 Mitarbeiter sei es gelungen, die Liqidität der GmbH zu stabilisieren und keine Kündigungen aussprechen zu müssen – wobei man die Einkommen der Mitarbeiter seit April 2020 durch einen Arbeitgeberzuschuss auf 90 Prozent des Nettogehaltsbaufgestockt habe. Dennoch: „Leider waren auch Kosteneinsparungen erforderlich. Hierzu zählte die Entscheidung, die freiwillige Sonderzahlung zu Weihnachten, die in den Vorjahren aufgrund der positiven Geschäftsentwicklungbmöglich war, auszusetzen. In diesvem fehlen dafür schlichtweg die Mittel“, teilte von Drathen mit.
Etwas Hoffnung bleibt: Die GmbH hat dem Aufsichtsrat einen Antrag auf Gewährung einer Corona-Sonderzahlung vorgelegt. Dieser wurde gerade genehmigt. Details über über etwaige Auszahlungshöhen hät das STW noch unter Verschluss. Genauso wie Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag. Weder STW-Führung noch Studierende, geschweige denn Ex-Hausmeister Jörg D. dürften dazu im coronabelasteten Skandaljahr einen Anlass sehen.