Manni Engelhardt kommentiert das LAG-Urteil (NRW) gegen die Unkündbarkeitsregelung vom 30.10.2013:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer heute noch an Unkündbarkeitsregelungen von in Deutschland bestehenden Arbeitsverhältnissen glaubt, dem muss spätestens seit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf vom 30.10.2013 mit dem Az.: 7 TaBV 56/13 klar sein, dass es diese heutzutage nicht mehr gibt. Sie ist seitens der Arbeitgeber immer wieder angezweifelt worden und die Justiz hat, wie soll es auch im sozioökonomischen kapitalistischen System anders sein,  diesem Begehren auf zweitinstanzlicher Ebene entsprochen.

Der Antragsteller in dieser arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung ist Betriebsrat einer früheren landeseigenen Bank in NRW, deren Rechtsnachfolgerin nunmehr die Arbeitgeberin ist. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit eines gesteigerten Kündigungsschutzes, der in einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1969 resultierte. In dieser Betriebsvereinbarung war geregelt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr als zwei Jahrzehnte ununterbrochen bei der Bank tätig waren, nur aus einem in ihrer Person liegenden und wichtigen Grund gekündigt werden können.

Hierbei bleibt anzumerken, dass der Manteltarifvertrag für den privaten und öffentliche Bankensektor (MTV) seit 1954 in § 19 Abs. 3 eine Vorschrift enthielt, wonach günstigere Arbeitsbedingungen, auf die ein Arbeitnehmer wohlgemerkt durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung Anspruch hat, bestehen bleiben. Im Jahre 1975 wurde in § 17 Abs. 3 MTV eine Regelung zur Unkündbarkeit aufgenommen, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, die das 55 Lebensjahr überschritten haben und mindestens fünfzehn Jahre betriebszugehörig sind. Diese können dann nur bei vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetzes  (BetrVG) gekündigt werden.

Im zweiten Unterabschnitt des BetrVG findet sich § 111 (Betriebsänderung), der wie folgt lautet:

„In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben könnte, rechtzeitig und umfassend zu informieren und die geplante Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend. Im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderung im Sinne des Satzes 1 gelten

  1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
  2. Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
  3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
  4. Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
  5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.“

Die Arbeitgeberin hatte die Betriebsvereinbarung aus 1969 zum 30. Juni 2013 gekündigt! Aus diesem Grunde und verständlicher Weise begehrte der Betriebsrat u.a. die Feststellung im Rahmen des kollektiven Arbeitsrechtes, dass der gesteigerte Kündigungsschutz aus der Betriebsvereinbarung aus 1969 wirksam bleibt und die bis zum Kündigungsdatum dieser Betriebsvereinbarung entstandenen und noch entstehenden Sonderkündigungsrechte durch diese unberührt bleiben.

Im erstinstanzlichen Rechtszug vor dem Arbeitsgericht (AG)  Düsseldorf hatte das AG mit Beschluss vom 19. April 2013 die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen (AG Düsseldorf, 1 BV 330/12, Beschluss vom 19.04.2013).

Zur Begründung führte das AG seinerzeit an, dass der in der Betriebsvereinbarung aus 1969 enthaltene gesteigerte Kündigungsschutz wegen der vorrangigen Regelung des 17 Abs. 3 MTV unwirksam gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG sei.

§ 77 BetrVG lautet im Absatz 3

„(Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.“

Eine entsprechende Öffnungsklausel, so das AG sehe der MTV diesbezüglich nicht vor. Der § 19 Abs. 3 MTV erfasse lediglich bereits im Zeitpunkt der Normsetzung die im Jahre 1954 bestehenden Ansprüche.

Das LAG Düsseldorf schloss sich dieser Rechtsauffassung mit seinem Urteil an.

Für den betroffenen Betriebsrat, der nunmehr den Betroffenen erklären muss, dass ihre sogenannte „Unkündbarkeit“ noch nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf die sie vorgeblich fixiert steht, sondern lediglich Makulatur ist, wäre sehr gut beraten, mit dieser Entscheidung vor das Bundesarbeitsgericht zu gehen. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde nämlich ausdrücklich zugelassen. Sollte der Betriebsrat dies nicht tun und lässt die Rechtsbeschwerdefrist fruchtlos verstreichen, so erhält dieses Urteil Rechtskraft und damit präjudiziellen Charakter.

Ein Aufschrei der Entrüstung über dieses LAG-Urteil müsste jetzt durch ganz Deutschland gehen. Das Urteil kann angefordert werden über http://www.lag-duesseldorf.nrw.de.

Manni Engelhardt –AK-Koordinator-

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