DIE ENTSCHEIDUNG DES VERWALTUNGSGERICHTSHOF (VGH) HESSEN MIT DEM AZ.: 22 A 959/10 PV (LEIHARBEITNEHMER/INNEN WIRD DAS WAHLRECHT ZU DEN PERSONALRATSWAHLEN EINGERÄUMT) UND IHRE AUSWIRKUNG FÜR DIE KOMMENDEN PERSONALRATSWAHLEN IN NRW

Ein Kommentar unseres AK-Koordinators Manni Engelhardt:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Januar des Jahres hatte ich mich mit einem etwas ausführlicheren Kommentar zur Entscheidung des VGH-Hessen mit dem Az.: 22 A 959/10 PV befasst, den Ihr per Klick auf den nachstehenden Link aufrufen könnt: http://ak-gewerkschafter.com/2011/01/19/der-verwaltungsgerichtshof-vgh-hessen-hat-unter-dem-az-22-a-95910-pv-den-beschluss-gefasst-leiharbeitnehmerinnen-das-wahlrecht-einzurumen-2/

Aufgrund der vielen Ansprachen, die immer wieder die Frage beinhalten, inwieweit nun diese hessische VGH-Entscheidung Auswirkungen auf die bevorstehenden Personalratswahlen in NRW hat, möchte ich auf meine nachstehenden Ausführungen verweisen:

Gemäß § 17 (Fn 76) Landespersonalvertretungsgesetz NRW (LPVG/NW) sind spätestens vor Ablauf der Amtszeit der Personalräte durch selbige wahlberechtigte Personen zu Wahlvorstände zu bestellen, wovon eine oder einer zur vorsitzenden Person zu bestellen ist (Auf weitere Ausführungen sei an dieser Stelle verzichtet, da hier auf den kompletten Gesetzestext verwiesen wird.).

Sobald dies geschehen ist, übernimmt der Wahlvorstand das komplette Prozedere für die ordnungsgemäße Durchführung der Personalratswahlen.

Nunmehr wird die Frage nach der Wählbarkeit erhoben, die in § 11 (Fn 67) LPVG/NW wie folgt geregelt ist:

(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltag seit sechs Monaten derselben Körperschaft, Anstalt oder Stiftung angehören.

(2) Nicht wählbar sind Beschäftigte, die

(a) Infolge Richterspruch die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, nicht besitzen.

(b) Zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind sowie die in § 8 Abs. 1 Satz 3 genannten sonstigen Beauftragten, sofern diese nach einer Wahl die mit der Beauftragung eingeräumten Befugnisse weiter ausüben,

(c) Am Wahltag mehr als sechs Monate unter Wegfall der Bezüge beurlaubt sind,

(d) Nach der Wahl Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten der Dienststelle wahrnehmen.

(3) Nicht wählbar sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gemeinden und der Gemeindeverbände, die dem in deren Verfassung vorgesehenen obersten Organ angehören.

Diese klar definierten Anforderungen, die im Hessischen Personalvertretungsrecht ebenfalls so zur Grundlage des passiven Wahlrechtes erklärt sind, bildeten auch dort die Grundvoraussetzung für die Kandidatur der Leiharbeiter zu den damaligen Personalratswahlen.

Aber auch die in § 10 (Fn 7) LPVG/NW festgeschriebenen Grundvoraussetzungen für die Ausübung des aktiven Wahlrechtes, die im Hessischen Personalvertretungsrecht ebenfalls gleichlautend sind, waren durch den VGH zu belichten.

Diese Grundvoraussetzungen müssen allesamt auch durch die Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen erfüllt sein, wenn sie von ihrem passiven (oder nur aktivem) Wahlrecht Gebrauch machen wollen.

An dieser Stelle sei bemerkt, dass die Entscheidung des VGH-Hessen nicht in die Dritte Instanz zum Bundesverwaltungsgericht getragen wurde, und somit diese Entscheidung rechtskräftig ist, und somit auch den sogenannten präjudiziellen Charakter für die übrigen Bundesländer hat, die ähnliche bzw. gleichgelagerte gesetzliche Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht zu den Personalratswahlen haben, wie das in Nordrhein-Westfalen nach dem LPVG/NW in der Fassung vom 05. Juli 2011 der Fall ist.

Mitentscheidend für die Zulassung von Personen zu den Personalratswahlen in NRW, die als Leiharbeitnehmer zu bezeichnen sind, ist aber der Fakt, wenn man der Entscheidung des VGH-Hessen folgt, dass ihre Leihfirma („Tochterunternehmen“) unter dem Direktionsrecht der Dienststelle („Stammdienststelle“) steht, wo sie auch für diese Dienstleistungen erbringt.

Dies ist immer dann unbestritten der Fall, wenn der Dienststellenleiter (Direktor, Geschäftsführer, Vorsitzender etc. pp.) der „Stamm“-Dienststelle, in der die Leihfirma wirkt, auch in Personenidentität Geschäftsführer oder Direktor der Leihfirma (Verleiherin) ist. Da beißt auch juristisch die Maus keinen Faden mehr ab.

Ein weiteres, wichtiges Kriterium ist beachtlich, nämlich die Tatsache, dass die Leihfirma ausschließlich für die Dienststelle Leistungen erbringt, die diese Leihfirma unter dem Aspekt gegründet hat, Aufgaben auszugliedern, und sich dieser ausgegliederten Firma (Beim vorliegenden Fall in Hessen war es eine GmbH!) dann mit den ausgegliederten Leistungen bedient. Hier ist ebenfalls zu beachten, dass es auch dann ausreicht, wenn die Leihfirma für die „Stamm“-Dienststelle Aufgaben bei Dritten wahrnimmt, und Gelder aus der erbrachten Leistung an die „Stamm“-Dienststelle (legal) abführt.

Soweit wären die rechtlichen Voraussetzungen auch für den LPVG-Bereich in NRW geklärt.

Worauf es aber dann noch ankommt, ist das Standing der Wahlvorstände; denn diese haben die Pflicht zu prüfen, ob Kandidaten und / oder ihre Listen zur Personalratswahl die notwendigen Voraussetzungen erfüllen.

㤠22 Absatz 1 (Fn 83) LPVG/NW

  • Mindestens drei wahlberechtigte Beschäftigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder die
  • Dienststelle können innerhalb zwei Wochen nach dem Tage der Bekanntgabe der Wahlergebnisse
  • die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht,
  • die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei
  • denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.“

Sind jedoch alle vorgenannten Kriterien zur Voraussetzung erfüllt, ist der Wahlvorstand gemäß der Entscheidung des VGH-Hessen implizite dazu verpflichtet, das aktive bzw. das passive Wahlrecht auch der Leiharbeitnehmerinn und Leiharbeitnehmer zur Personalratswahl nach dem LPVG/NW zu attestieren.

Sofern irgendjemand versucht, Druck auf die Wahlvorstände auszuüben, um die Wahlen der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zu verhindern, was mir nicht undenkbar erscheint, sei auf § 21 (Fn 12) LPVG/NW und auf die einschlägigen Strafrechtlichen Bestimmungen zu verweisen.

Die Anfechtung der Wahlen nach ihrem Vollzug ist ein legitimes Mittel, jedoch muss sich die anfechtende Partei dabei auf tatsächliche Verstöße berufen können, da die Verwaltungsgerichte gehalten sind, gerade bei derartigen Anwürfen akribisch zu prüfen, was auch schon häufig in der Vergangenheit geschehen ist.

Abschließend sei bemerkt, dass es für verständige Dienststellenleiterinnen und Dienststellenleiter kein Problem darstellen dürfte, auch ihre Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer durch den Personalrat vertreten zu wissen. Die Integration dieser Gruppe in die Arbeitnehmervertretung der „Stamm“-Dienststelle kann nämlich mehr Sinn machen, als die Gründung eines eigenen Betriebsrates in der „Tochter-Gesellschaft“; denn dann wären im Zweifelsfalle zwei Mitarbeitervertretungen zu bedienen, die durchaus diametraler Anschauung sein können und jeweils noch einmal diametral zur Auffassung der Dienststelle stehen könnten, was sich für den/die Dienststellenleiter/Dienststellenleiterin absolut fatal auswirken kann.

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