Das haut dem Fass den Boden raus!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mehrfach haben wir zum Thema „Benachteiligung der Lehrerinnen und Lehrer im Lande NRW“ auf unserer Homepage als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) Stellung bezogen, wie Ihr unschwer es durch einen Klick auf den nachstehenden Link aufrufen könnt: http://ak-gewerkschafter.com/?s=lehrer !

Mit Entsetzen mussten wir heute der Aachener Zeitung folgenden Artikel entnahmen:

„Aachener Schulrat suspendiert

Ein Brief erzürnt die Bezirksregierung. Auch Leiter von Förderschulen bestraft

VON MARLON GEGO

Aachen. Der für die Förderschulen in der StädteRegion Aachen zuständige Schulrat, Schulamtsdirektor Norbert Greuel, ist von der Bezirksregierung Köln suspendiert worden, gegen ihn wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Entsprechende Informationen unserer Zeitung bestätigte gestern die Bezirksregierung, die die Oberschulaufsicht innehat. Greuel, 62, der die Untere Schulaufsicht repräsentiert und Vorgesetzter der Förderschullehrer war, ist seit den Sommerferien freigestellt. Eine offizielle Begründung gibt es nicht, die Bezirksregierung ´gibt über Personalangelegenheiten keine Auskünfte´, wie ein Sprecher gestern auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte.

Der Hintergrund der Suspendierung ist offenbar ein Brief, den die Leiter der etwa 40 Förderschulen in der Städteregion an die Bürgermeister aller zehn Städte und Gemeinden geschrieben haben. In dem Schreiben machen die Schulleiter auf einen seit Jahren bestehenden Mangel an Förderschullehrern in der Region aufmerksam und äußern sich besorgt über Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts. In der Städteregion arbeiten sieben Prozent weniger Lehrer als im Stellenplan vorgesehen. Seit dem laufenden Schuljahr müssen nun im Rahmen der Inklusion Förderschullehrer stunden- oder tageweise an weiterführende Schulen abgeordnet werden, was die Personalsituation weiter verschärft. Weil sich die Schulleiter durch das Versenden des Briefes eines Beamtenvergehens (´Flucht in die Öffentlichkeit´) schuldig gemacht haben, erhielten nach AZ-Informationen etwa ein Drittel der unterzeichnenden Schulleiter eine sogenannte Missbilligung, die nun in den jeweiligen Personalakten steht. Teile der Lehrerschaft sind bestürzt.

Warum gegen Norbert Greuel, der den Brief nicht unterzeichnet hatte, ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, weiß außerhalb von Bezirksregierung und Städteregion niemand. Nach Informationen unserer Zeitung geht die Bezirksregierung davon aus, dass Greuel der Initiator dieses Briefes gewesen sein könnte. Wie lange Greuel suspendiert bleibt oder ob er jemals wieder seinen Dienst aufnehmen darf, ist im Moment völlig offen.“

Diese Tatsache schlägt dem berühmten „Fass“ den „Boden“ raus. Folgende Stellungnahme haben wir dazu mit der Bitte um Veröffentlichung heute in Form eines Leserbriefes an die Aachener Zeitung gesandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu dem Artikel in der heutigen Ausgabe der Aachener Zeitung auf der Titelseite unter der Überschrift: „Aachener Schulrat suspendiert“ habe ich nachstehende Stellungnahme gefertigt. Höflich bitte ich diese in Form eines Leserbriefes zu veröffentlichen:

Unfassbar und unglaublich empfinde ich das Vorgehen der Bezirksregierung Köln in Bezug auf die Suspendierung des Schulrates und Schulamtsdirektor Norbert Greuel. Ungeheuerlich ist aber die Tatsache zu sehen, dass allen 40 Schulleiterinnen und Schulleitern, die die Bürgermeister in der gesamten Städteregion Aachen auf den Personal-Notstand in ihrem Wirkungsbereich aufmerksam gemacht haben, „Flucht in die Öffentlichkeit“ vorgeworfen worden ist. Alle erhielten eine schriftliche Missbilligung der Bezirksregierung Köln, die jeweils zur Personalakte genommen wurde. Dies ist mit einer Abmahnung für nichtverbeamtete Kolleginnen und Kollegen vergleichbar, die zur Fundierung einer Kündigung herangezogen werden kann.  Beamte haben in Deutschland zwar kein Streikrecht, wohl aber haben sie nach wie vor ein Demonstrationsrecht. Mit Fug und Recht haben die Betroffenen darauf hingewiesen, dass 7 Prozent der Stellen laut Stellenübersichtsplan nicht besetzt sind. Hier wird Personal auf Kosten der Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen eingespart. Da wird auf Kosten der Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer durch die Grün/Rote-Landesregierung am falschen Ende rationalisiert. Da ist es nicht mehr als richtig, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen den Aufschrei der Entrüstung in einer sachlichen und angemessenen Form nach draußen getragen haben. Diesen berechtigten Protest mit Suspendierung des Schulrates und mit schriftlichen Missbilligung ahnden zu wollen, ist grotesk und lächerlich. Da wird das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung als verbrieftes Grundrecht eines jeden Deutschen mit Füßen getreten! Hier wären nicht die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu bestrafen gewesen, sondern die Mehrheitspolitikerinnen in Landtag und Landesregierung von NRW. Diese sind es nämlich, die nicht erkennen oder erkennen wollen, dass Bildung unser Rohstoff für heute und für die Zukunft ist.

Für die Veröffentlichung dieses Leserbriefes sage ich Ihnen meinen Dank im Voraus.

Manfred Engelhardt

Freunder Landstr. 100

52078 Aachen (Handy-Nummer: 017 19 16 14 93

Share
Dieser Beitrag wurde unter Aachen, Bildungspolitik, Öffentlicher Dienst veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Das haut dem Fass den Boden raus!

  1. Gottfried Klinkertz sagt:

    Die angeführten Zeilen habe ich am 22.11.2013 mit der Bitte um Veröffentlichung an die Leserbrief-Redaktion des Zeitungsverlages Aachen gesandt.

    Der Aachener Schulrat Norbert Greuel ist wegen einer angeblichen Dienstpflichtverletzung, man spricht hier von „massivem Vertrauensbruch“, vom Dienst suspendiert worden. Was muss dieser Beamte verbrochen haben, dass gegen ihn eine solch schwerwiegende, disziplinarische Maßnahme vollzogen wurde. Aus meiner Sicht, auch ohne großes Hintergrundwissen, erlaube ich mir sagen zu dürfen, dass diese Maßnahme vollkommen überzogen ist und jegliches Maß an demokratischer Toleranz vermissen läßt. Da haben 22 Schulleiter per Brief an Bürgermeister und Städteregionsrat auf einen seit Jahren bekannten Lehrermangel aufmerksam gemacht. Der Schulrat soll der Initiator des Hilferufes gewesen sein. Der Lehrermangel, speziell an Förderschulen, ist seit Jahren bekannt. Offensichtlich hat sich aber auch seit Jahren in dieser Sache nichts verändert. Dies ist letztendlich ja so zu verstehen, dass alle Beschwerden und Hilferufe der Lehrerschaft ignoriert wurden, beziehungsweise folgenlos blieben. Was bitte schön sollen Schulleiter und Schulrat denn unternehmen? Man überträgt ihnen eine große Verantwortung in Bezug der Erziehung und Ausbildung unserer nachkommenden Generationen, der sie unter den gegebenen Voraussetzungen nicht nachkommen können. Ihnen wird ein Aufgabenbereich vorgegeben, der durchzuführen ist. Es wird Linientreue nach alter Art und Loyalität gegenüber dem Dienstherrn verlangt. Schön und gut, aber in der heutigen Zeit doch irgendwie überholt. Hautsächlich an der Basis werden die Probleme erkannt und weitergemeldet . Da suchen Lehrer Hilfe bei ihrem Schulleiter. Der wiederum beim Schulrat. Irgendwo findet die Hilfesuche dann ein Ende in der Hierachiekette. Da wird plötzlich geblockt. Reformen sind durchzusetzen, auf Biegen und Brechen. Die Beamten sollen gehorchen und mit voller Hingabe ihren Dienst verrichten. Ja, so hat das früher funktioniert. Offensichtlich gibt es auch heute noch genügend Einschüchterungsmöglichkeiten für kritisierende Lehrer. 16 von 22 Schulleitern haben schon ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht. Nur noch 6 Beamte hielten ihr Verhalten für gerechtfertigt. Auch hier, Strafe: förmliche Missbilligung, als Eintrag in die Personalakte. Voraussichtliche Konsequenz: Kariere ende.
    Dem öffentlichen Anschein nach, wurde hier von höchster Stelle Macht demonstriert und auch ausgeübt. Da wundert es auch nicht, wenn jetzt schon über „Maulkörbe für Lehrer“ diskutiert wird und Begriffe wie „innere Emigration“ mit in Bezug gebracht werden. Frau Schulministerin Löhrmann und ihr Ministerium zeigen hier ungenügende Führungsqualitäten. Ihr Verhalten lässt zumindest in diesem Fall weder Stil noch Niveau erkennen und trägt zudem nicht zu einer Motivation ihrer Beamten bei. Meine Hochachtung gegenüber dem Schulrat und den 6 Schulleitern.

  2. Pingback: Das haut dem Fass den Boden raus (Teil II): | Arbeitskreis Gewerkschafter/innen Aachen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert