Wolfgang Erbe teilt mit: „Warum scheiterten die sozialistischen Staaten und die staatskapitalistischen Parteien?“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
soeben erreicht uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) eine Mitteilung des Kollegen Wolfgang Erbe (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=wolfgang+erbe).
 
Diese trägt folgenden Titel: „Sozialwissenschaftler der DDR – Entfremdung oder Warum die sozialistischen Staaten und staatskapitalistischen Parteien gescheitert sind?“
 
Wir haben diesen hochinteressante Mitteilung als Artikel nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme in ihrer Gänze auf unsere Homepage gepostet.
 
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
 
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Wolfgang Erbe teilt mit:
 
 

Sozialwissenschaftler der DDR – Entfremdung oder Warum die sozialistischen Staaten und staatskapitalistischen Parteien gescheitert sind

 
Zur Zeit lese ich
 
Fünf Aufsätze von den DDR Sozialwissenschaftlern
  • Erich Hahn, Günter Grohmann, Kurt Krambach, Heinz Kosin, Hans-Joachim Rutsch
  • Probleme des historischen Materialismus und der marxistischen Sozialforschung.
  • Fünf Aufsätze. Dietz Verlag, Berlin 1958
 
das Werk beschäftigt sich intensiv mit marxistisch-leninistischer Erkenntnisstheorie, den Hilfsmitteln von Kritik und Selbstkritik im sozialistischen Klassenkampf und dem Wesen der Entfremdung in der Klassengesellschaft auch der sozialistischen Klassengesellschaft.
 
Eine detaillierte Analyse der Kämpfe zweier Linien, also der, in er SED sich wiederspiegelnden Klassenkämpfe der DDR aus Sicht bürgerlicher Ideologie gibt folgender Aufsatz von Günter Krause (Chefunterhändler der letzten DDR Regierung CDU Mitglied):
 
Die „Revisionismus-Debatte“ in den Wirtschaftswissenschaften der DDR
 
 
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Will man überzeugende Antworten zu den oben aufgeworfenen Fragen erhalten,
bedarf es einer ebenso kritischen wie konkreten und vorurteilsfreien Befragung
der Entwicklungsgeschichte der Wirtschaftswissenschaften in der DDR.
Dabei hat für eine historische Wissenschaftsforschung zur DDR der Gedanke
von Jürgen Kocka Gültigkeit, wonach die ausschließliche Interpretation von in
der DDR vorhandenen Phänomenen und Prozessen „als Vorgeschichte ihres
Endes nicht nur leicht zu Einseitigkeiten“ führt, sondern auch „die Gefahr mit
sich (bringt), die Frage nach den alternativen Entwicklungsmöglichkeiten
innerhalb historischer Konstellationen über Gebühr zu vernachlässigen“
(Kocka 1993: 11).
Die hier vorzustellende „Revisionismus-Debatte“ in den Wirtschaftswissenschaften
markiert gerade einen interessanten und zugleich folgenreichen Versuch,
alternative Entwicklungen in Theorie und Praxis der Planökonomie der
DDR aufzuzeigen und in Gang zu setzen. Zu den wirklich bemerkenswerten
Perioden der Genesis der DDR-Wirtschaftswissenschaften gehört der Zeitraum
von 1955-58. In dieser Zeit wurde unter den Ökonomen eine theoretische
Diskussion geführt, die angesichts der ihr von der SED verliehenen politischen
Dimension unter der Rubrik „Revisionismus-Debatte“ firmiert und die ohne
Zweifel in die Geschichte der DDR eingegangen ist.
Auf Grund der gegebenen gesellschaftlichen Umstände im allgemeinen und
der anzutreffenden Verhältnisse in vielen Wissenschaften im besonderen
fanden im übrigen zu jener Zeit Auseinandersetzungen über „Revisionismus“
auch noch in anderen Disziplinen der Gesellschafts- und Naturwissenschaften
statt. Dabei erregten die in der Philosophie, den Kunst- und Literaturwissenschaften,
in den Geschichts- und Rechtswissenschaften die nachhaltigste Aufmerksamkeit
(vgl. dazu u.a. Labedz 1962: 239ff; Jänicke 1964; Burrichter
1984; Harich 1993).
Eingeleitet wurde die Debatte von der im März 1955 am Institut für Wirtschaftswissenschaften
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
abgehaltenen Konferenz „Die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum
Sozialismus in der DDR“ (vgl. Protokoll 1955). Spezielle Anregung erfuhr sie
durch Beiträge des polnischen Ökonomen Wlodzimierz Brus auf dieser Konferenz
(vgl. ebenda: 151ff) und in der Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaft“
(1955: 510ff). Darauf aufbauend thematisierten Ökonomen wie Fritz Behrens,
Arne Benary, Gunther Kohlmey, Kurt Vieweg und Herbert Wolf in
ungewöhnlich scharfer Form erhebliche ökonomische Defizite und Blockaden
der zentralistischen Planwirtschaft in der DDR.
Gleichzeitig kritisierten sie recht harsch die eigene Zunft ob der unübersehbaren
Mängel in der wissenschaftlichen Arbeit. Behrens (1957: 105) formulierte
beispielsweise, daß zahlreiche sichtbar gewordene Funktionsprobleme
der Planökonomie „bisher von den sozialistischen Ökonomen kaum
analysiert, ja noch nicht einmal empirisch erforscht (wurden), weil sie nicht in
der Forschung und in der Entwicklung der ökonomischen Theorie, sondern in
der Propaganda bekannter Thesen ihre Hauptaufgabe sahen“. Benary (1957:
93) erklärte: „Wenn bis in unsere Zeit hinein die politische Ökonomie des
Sozialismus noch nicht das geworden ist, was sie sein muß, …, so liegt das
nicht zuletzt daran, daß wir die Methoden planmäßiger Wirtschaftsführung …
aus der kritischen Analyse gewissermaßen ausgeklammert haben, diese Prinzipien
und Methoden sozusagen a priori als richtig betrachteten und so der
Gefahr nicht entgingen, uns auf der einen Seite auf die katechisierende Be
handlung politökonomischer Lehrsätze, auf der anderen Seite auf die bloße
Interpretation der Wirtschaftspolitik der Regierung beschränkten. “
Und vor allem – diese Ökonomen plädierten für den Ersatz der administrativbürokratischen
durch eine ökonomische Wirtschaftsleitung, für eine Überwindung
der diktatorischen Omnipotenz des Staates zugunsten der Entfaltung
demokratischer Ressourcen in Wirtschaft und Gesellschaft (vgl. u.a. Kohlmey
1956a: 11; Behrens 1957: 125-126; Benary 1957: 79ff).
Obwohl keineswegs eine inhaltlich geschlossene, systematisch entwickelte
Konzeption verkörpernd, markierten die Überlegungen und Vorschläge der
genannten Wirtschaftswissenschaftler eine Zäsur für die theoretische Ökonomie
in der DDR. Erstmalig wurden aus marxistischen Denktraditionen heraus
zentrale Dogmen der herrschenden Offizialökonomie sowie die darauf basierende
Wirtschaftsführung und -politik nachhaltig problematisiert. Die bislang
durch SED und Staat monopolisierte Marxismus- und Sozialismus-Lesart sah
sich ernsthaft hinterfragt und mit konkurrierenden, auf Umbau und Reformierung
des Sozialismus orientierten wirtschaftstheoretischen Ansätzen konfrontiert.
 
Die in der DDR sehr unterschiedliche Reaktionen provozierenden Aktivitäten
jener Wirtschaftswissenschaftler fanden auch internationale Aufmerksamkeit.
 
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2. Über die Hintergründe der „Revisionismus-Debatte“
Die „Revisionismus-Debatte“ findet ihre Erklärung vor allem in drei gewichtigen,
miteinander verwobenen Problemkomplexen.
Erstens traten Mitte der fünfziger Jahre doch erhebliche ökonomische Konflikte
der Volkswirtschaft der DDR sowie der Zwang zu ihrer praktischen wie
theoretischen Verarbeitung zutage. Nachdem im Juli 1950 der III. Parteitag der
SED den ersten Fünfjahrplan (1951-55) sowie im Juli 1952 die 2. Parteikonferenz
den „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“ beschlossen hatte,
zeigten sich – ungeachtet wirtschaftshistorisch durchaus beeindruckender
Leistungen – beträchtliche Funktionsprobleme der zentralistischen Planökonomie.
Der Fünfjahrplan wurde – gemessen an den fixierten Zielen und Erwartungen
– mit höchst unbefriedigenden Ergebnissen zu Ende geführt.
Diskontinuierliche Produktion, beträchtliche strukturelle Disproportionen,
Überplanbestände an nichtrealisierbaren Gütern, Kaufkraftüberhänge bei
gleichzeitigem, chronischem Mangel an wichtigen Produkten, ungenügende
Qualität vieler Erzeugnisse, zu hohe Produktionskosten sowie zu geringes
Wachstum der Produktivität gehörten zu den typischen und häufig wiederkehrenden
Problemen jener Zeit. Die SED hatte daher – gerade auch unter dem
Eindruck des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 – auf ihrem IV. Parteitag
im April 1954 sowie auf der 21. Tagung ihres Zentralkomitees im November
gleichen Jahres „Fehler“ und „Schwierigkeiten“ in der Wirtschaft zugestanden
(vgl. Der Weg 1956: 83). Veränderungen und Korrekturen in der Wirtschaftslenkung
der DDR wurden in Theorie und Praxis zu einem relevanten Thema.
Die Ökonomen wurden mit der Forderung der SED konfrontiert, „sich mit den
brennenden Fragen der Wirtschaftspraxis noch vollständiger und eingehender
auseinanderzusetzen“ (Redaktionskollegium 1955: 290) sowie mit der Ausarbeitung
der Wissenschaft von den einzelnen Wirtschaftszweigen
(„Zweigökonomiken“) zu beginnen. Zudem erließ man Ende 1954 eine Reihe
von Gesetzen und Verordnungen, die auf eine Erweiterung der wirtschaftlichoperativen
Selbständigkeit der Betriebe und Industriezweige, eine Erhöhung
ihrer Rentabilität sowie eine Vereinfachung der Planung in den volkseigenen
Industriebetrieben zielten (vgl. u.a. Beschluß 1954).
 
 
 
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