Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
das Thema Pflege ist seit Tagen wieder groß in den Schlagzeilen. Das PRO PFLEGE – SELBSTHILFENETZWERK zeigt allerdings schon seit Monaten deutlich auf, wo der „Pflege-Haase“ im „Pflegepfeffer“ liegt. Noch am gestrigen Tage haben wir eine Pressemitteilung des SELBSTHILFENETZWERKES gepostet, die deutlich Mängel benannte (Einsatz von Pflegekräften aus dem nichteuropäischen Ausland sind keine Lösung!).
Heute nun ereilt uns die kritische Pressemitteilung vom PRO PFLEGE – SELSTHILFENETZWERK vom 26. April 2012, die wir Euch ebenfalls auf unsere Homepage in Ihrer Gänze zur Kenntnis bringen wollen. Unter dem Titel:
„PFLEGEMÄNGEL IN PFLEGEEINRICHTUNGEN ZEIGEN DRINGEND HANDLUNGSBEDARF AUF“ wird die Situation für die Pflegebedürftigen unter anderem mit einem Appell an die Politik deutlich belichtet. Als AK schließen wir uns der Auffassung des SELBSTHILFENETZWERKES vollinhaltlich an. Im Interesse der Pflegebedürftigen darf hier seitens der Politik keine Zurückhaltung geübt werden; denn die Pflegebedürftigen sollen menschenwürdig untergebracht und gepflegt werden. Selbst auf die Gefahr hin, dass mir Leute vorwerfen könnten, ich würde mich wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholen, sage ich nochmals deutlich, dass wir Alle die potenziellen Pflegefälle von Morgen sein können. Was wir also den heute für die Pflegebedürftigen erreichen, kommt uns in Zukunft selbst zu Gute.
Mit solidarischen und kollegialen Grüßen
Manni Engelhardt -AK-Koordinator-
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative
Vorstand: Werner Schell – Harffer Straße 59, 41469 Neuss
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Unterstützer von „Bündnis für GUTE PFLEGE“.
Pressemitteilung vom 26.04.2012
Pflegemängel in den Pflegeeinrichtungen zeigen dringenden Handlungsbedarf auf
Der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) hat am 24.04.2012 seinen 3. Qualitätsbericht 2012 vorgelegt – http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/Pressemitteilungen/MDS_Dritter_Pflege_Qualitaetsbericht_Endfassung.pdf – und darin u.a. herausgestellt, dass sich die Qualität der Pflege gegenüber früheren Berichten (2005 und 2007) gebessert habe, aber gleichwohl über erhebliche Pflegemängel zu informieren sei. Beklagenswerte Zustände gibt es sowohl stationär wie ambulant und betreffen zum Beispiel die Ernährung (Nahrungsaufnahme), Lagerung, Mobilisation und Freiheit (Vermeidung von Fixierungen) der pflegebedürftigen Menschen. Das Ausmaß dieser Mängel wird im Qualitätsbericht nur pauschal und mit prozentualen Angaben beschrieben, so dass die exakten Pflege- und Versorgungsdefizite nicht ganz deutlich werden. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass der MDS bemüht erscheint, in seinem Qualitätsbericht der eigenen Prüftätigkeit einen nicht unerheblichen Erfolg zuzuordnen und andererseits die Feststellungen zu einem großen Teil nur auf Dokumentationen gestützt werden (können). Es ist und bleibt ein Nachteil, wie beim vielfach kritisierten sog. Pflege-TÜV, dass das Dokumentationsgeschehen weitgehend die Basis von Beurteilungen ist und bleibt. Mittlerweile haben sich die Träger von Pflegeeinrichtungen auf den Prüfschwerpunkt „Dokumentation“ eingestellt, so dass allein aufgrund solcher Kriterien verbesserte Ergebnisse zwangsläufig sind.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist der Auffassung, dass die aufgezeigten Pflegemängel in den bundesdeutschen Pflegeeinrichtungen schnellstmöglich abgestellt gehören.
Dazu erscheint es vorrangig geboten, eine „Neuausrichtung in der Pflegeversicherung“ auf den Weg zu bringen, die in der Lage ist, die strukturellen Unzulänglichkeiten in den Gesundheits- und Pflegesystemen konsequent auflösen. Dazu liegen dem Bundesgesundheitsministerium und den Abgeordneten des Deutschen Bundestages umfangreiche Vorschläge vor, die nur umgesetzt gehören. Die von der Bundesregierung eingebrachten Vorschläge zur „Neuausrichtung in der Pflegeversicherung“ können nur als unzureichend bezeichnet werden und führen nicht aus dem „Sumpf“ der mängelbehafteten Versorgung und Pflege der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen heraus. Die diesbezüglich von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk geäußerte konstruktive Kritik ist nachlesbar unter http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=17141 und bezeichnet die vorgelegte Gesetzesinitiative als Flop (Note: sechs). Diese Einschätzung reiht sich ein in die Kritik nahezu aller kompetenter Institutionen und Einzelpersonen. Zum Teil werden die gemachten regierungsamtlichen Vorschläge sogar als Flickwerk, Etikettenschwindel etc. bezeichnet http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=17124.
Im Übrigen ergibt sich:
Der MDS hat in seinem Pflege-Qualitätsbericht 2012 nicht einmal problematisiert, dass es auch erhebliche Mängel in der ärztlichen Versorgung und der medikamentösen Versorgung der vor allem älteren pflegebedürftigen Menschen gibt. Zahlreiches Handeln gegenüber HeimbewohnerInnen beruht aber auf ärztliche Einschätzungen bzw. Anordnungen bzw. Verordnungen. Daraus leiten sich zwangsläufig auch Verantwortlichkeiten ab. Insoweit sieht der MDS offensichtlich keinen Prüfauftrag, weil er meint, insoweit in die Kompetenz der Ärzte, vor allem der sog. Therapiefreiheit, eingreifen zu müssen. Daher werden die Mängel in der ärztlichen Versorgung und vielfach beschriebenen bedenklichen Medikationen – zu viele und zum Teil falsche Medikamente – überhaupt nicht angesprochen. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sah sich daher veranlasst, sozusagen musterhaft im Rhein-Kreis Neuss Initiativen zu ergreifen, um verbesserte Versorgungs- und Pflegeverhältnisse zu schaffen bzw. zu gewährleisten – siehe dazu unter http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=17044.
Was die beklagten freiheitsentziehenden Maßnahmen (Fixierungen und ruhig stellende Medikamente) angeht, wären deutlichere Ausführungen des MDS hinsichtlich der Verantwortlichkeiten angezeigt gewesen. Solche Maßnahmen unterliegen den Anforderungen des § 1906 BGB: Sie bedürfen ggf. der Einwilligung der jeweiligen Vertreter (z.B. Rechtliche Betreuer) und müssen unter den gesetzlichen Voraussetzungen genehmigt werden. Es ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt akzeptabel, dass in rd. 14.000 Einzelfällen das verfassungsrechtlich vorgegebene Verfahren, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, nicht eingehalten worden ist. Folgerichtig gehören diese rechtswidrigen Zustände in jedem Einzelfall hinterfragt bzw. sofort abgestellt (auch mit Rücksicht auf § 329 StGB).
Leider wird seitens des MDS auch nicht weiter ausgeführt, dass das Pflegepersonal aufgrund unzulänglicher Stellenschlüssel die pflegerischen Verrichtungen nur unvollkommen wahrnehmen kann. Nur vage werden Zusammenhänge von personellen Zuwendungsmöglichkeiten und Pflegeergebnissen angedeutet. Die Aufgabe des MDS wird offensichtlich darin gesehen, den Personalbestand allein an den vorgegebenen Stellenplänen zu bemessen. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass die vorhandenen Personaldecken nur dazu ausreichen, etwa 70% der pflegerischen und sonstigen Verrichtungen, ausgerichtet am Sorgfaltsgebot (§§ 276, 278 BGB) und den pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen (Pflegestandards usw.), zugunsten der pflegebedürftigen Menschen wahrzunehmen.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk fordert daher seit Jahren auf der Grundlage eines noch zu schaffenden Personalbemessungssystems eine deutliche Aufstockung des Pflegepersonals. Ohne solche personellen Verbesserungen wird es bei noch so vielen Prüfungen und Qualitätsberichten keine entscheidenden Veränderungen geben.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) hat sich in einer Stellungnahme vom 25.04.2012 zum MDS-Qualitätsbericht 2012 geäußert und ebenfalls die personellen Erfordernisse für eine gute Gesundheitsversorgung herausgestellt: http://www.dbfk.de/pressemitteilungen/wPages/index.php?action=showArticle&article=MDS-Bericht-ist-nur-die-halbe-Wahrheit-.php&navid=100. Dort heißt es u.a.: „Es muss interdisziplinär und sektorenübergreifend gehandelt werden, um die adäquate gesundheitliche Versorgung der Gesellschaft zu sichern. Dafür ist die Bereitstellung adäquater personeller und sächlicher Ressourcen erforderlich. Durch mehr Personal könnten auch weit mehr Heimbewohner ohne freiheitsentziehende Maßnahmen versorgt werden.“
Im MDS-Qualitätsbericht 2012 wird nicht näher ausgeführt, dass MitarbeiterInnen von Pflegeeinrichtungen mit Hinweisen auf Verbesserungsnotwendigkeiten oder gar mit Mängelanzeigen zurückhaltend umzugehen pflegen. Dies hat seinen Grund darin, dass bei solchen Wortmeldungen – schriftlich oder mündlich – vielfach Nachteile befürchtet werden. Daher sollte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, dass Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk seit Jahren Schutzregeln für ein nachteilsfreies Beschwerdemanagement fordert, z.B. durch eine Neufassung des § 612a BGB – http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=16148. Leider wurden bislang solche Forderungen negiert.
Beachtenswert erscheinen im Zusammenhang mit der Beurteilung und der gebotenen Auflösung des Pflegenotstandes auch die Hinweise zur mangelhaften praktischen Ausbildung in der Pflege – http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=17167 – bzw. zur nicht zielführenden Kampagne zur Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem (außereuropäischen) Ausland – http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?t=17268.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sieht nach all dem dringenden Handlungsbedarf und fordert den Gesetzgeber auf, aus den getroffenen Feststellungen die notwendigen Folgerungen zu ziehen und damit zu veranlassen, dass die pflegerische und sonstige Betreuung der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen in allen Fällen gewährleistet werden kann, so, wie es u.a. der § 11 SGB XI erwarten lässt:
„Die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse. Inhalt und Organisation der Leistungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten.“
Die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ sowie die Stellungnahme des Ethikrates vom 24.04.2012 zur „Demenz und Selbstbestimmung“ sind dabei zu berücksichtigen bzw. umzusetzen.
Werner Schell – Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege –
Selbsthilfenetzwerk
Der vorstehende Pressetext wurde heute, 26.04.2012, mit folgendem Anschreiben den Abgeordneten des Deutschen Bundestages übersandt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie beginnen heute mit den Beratungen über einen Gesetzentwurf zur sog. „Neuausrichtung in der Pflegeversicherung“. Ich übersende Ihnen zur Berücksichtigung bei Ihren Erwägungen und Entscheidungen den nachfolgenden Pressetext. Es handelt sich um eine differenzierte Stellungnahme zum 3. MDS-Qualitätsbericht. Es besteht danach keine Veranlassung, irgendetwas schön zu reden. Es muss grundlegende systemische Veränderungen geben.
Ich stehe gerne für weitere Informationen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell – http://www.wernerschell.de
Das sehe ich etwas anders: Der Einsatz von Pflegekräften aus dem nichteuropäischen Ausland ist momentan die einzige Lösung, solange die hier angesprochenen Mängel nicht behoben werden, was – wenn überhaupt – in Deutschland wahrscheinlich noch Jahre dauern kann und dummerweise wird.
Kleines Beispiel für eine 24-Stunden-Rundumbetreuung eines Pflegefalls (Stufe 2 oder 3):
Eine legal arbeitende qualifizierte Pflegekraft aus Polen kostet exklusive Unterkunfts- und Verpflegungskosten momentan knapp EUR 1200 – 1500 pro Monat. Kranken- und Sozialversicherung zahlt sie als Selbständige dabei selbst an den polnischen Staat.
Eine qualifizierte Pflegekraft aus Russland kostet (ebenfalls exklusive Unterkunfts- und Verpflegungskosten) lediglich EUR 500 – 600 pro Monat. Wobei die sich dann illegal in Deutschland aufhalten und Kranken- und Sozialversicherung nicht anfallen würden.
Ich kenne eine Familie, die bereits seit über vier Jahren illegal eine junge Frau aus Russland beschäftigen, die Oma (Stufe 3) betreut. Alle Beteiligten sind hochzufrieden mit dieser Lösung.
Hallo „Sagichliebernicht“
Deinen Kommentar haben wir trotz Deiner Anonymität gepostet. Ich denke, dass man sich schon offen mit Namen und Vornamen den Besuchern unserer Homepage bekanntmachen sollte, wenn man eine sachliche Kritik richtet. In der Regel posten wir anonyme Kommentare nicht, haben jedoch hier eine Ausnahme gemacht, weil Deine Kritik sehr sachlich gehalten ist.
Trotzdem löst der Einsatz von aussereuropäischen Kräften das Problem grundsätzlich nicht. Für den oder die Einzelperson, die zu Hause gepflegt wird, mag dies ja noch angehen. Aber für die stationäre Pflege braucht es gut ausgebildetes Personal, das auch anständig bezahlt wird. Ich habe selbst eine pflegebedürftige Mutter, die in einem Pflegestift mit gutem Ruf und gut bezahltem Personal, wo auch Kräfte aus EG-Ländern tätig sind, exzellent gepflegt wird. Die Motivation des Personals hängt nicht zuletzt auch mit einer adäuquaten Entlohnung zusammen. Der Einsatz von Billigkräften aus „Dritt- oder Viertländern“ löst die Probleme hier nicht! Da stimme ich dem „PRO PLEGE – NETZWERK uneingeschränkt zu. Manni Engelhardt -AK-Koordinator-