Heute veröffentlichen wir den 34. ordentlichen NEWSLETTER 2022 des Kollegen Harald Thomé auf unserer Homepage für Euch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 34. ordentliche NEWSLETTER  des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.

  (Foto: Regine Blazevic)     

Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.

Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-

*****************************************************

Thomé Newsletter 34/2022 vom 05.09.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen,  sehr geehrte Damen und Herren,

mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen: 

1. Zum sog. „3. Entlastungspaket“ der Bundesregierung
—————————————————————————

Gestern hat die Bundesregierung ihr drittes von ihr genanntes „wuchtiges“ Entlastungspaket bekannt gegeben. Das Ganze wurde mit „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen“ verkauft. Mit diesem Entlastungspaket werden in erster Linie Fehler und Ungerechtigkeiten aus dem letzten Paket korrigiert, aber keine zusätzliche zielgerichteten Hilfen auf den Weg gebracht, die auch den Ärmsten in der Grundsicherung in diesem Herbst substantiell Unterstützung und Entlastung bringen würden.
Die angekündigten „zielgenauen“ Hilfen für Arme sind in dem Paket deutlich zu vermissen, das Paket ist in weiten Teilen so zu bewerten: Wer arm ist, wird und soll alleine gelassen werden.

Hier die Vereinbarung aus dem Koalitionsausschuss: https://t1p.de/pxg2u
und eine kompakte Zusammenfassung der Regelungen: https://t1p.de/bzn4r

Bewertung: Das 3. Entlastungspaket ist enttäuschend und entlastet die, die es am Nötigsten haben, nicht. So wird zum Beispiel die Kindergelderhöhung um 18 EUR bei den Sozialleistungsbeziehenden gar nicht ankommen, da Kindergeld dort voll als Einkommen angerechnet wird. Ein Ticket zum Preis von 49 – 69 EUR im Monat trifft auch in keiner Weise die Lebenssituation von einkommensschwachen Menschen. Im Regelsatz wurden lediglich 40,27 EUR für Aufwendungen im Bereich Verkehr veranschlagt. Eine Entlastung wäre es, wenn das Ticket 10 € kostet. Ein weiterer Schlag ins Gesicht ist, dass die Regelleistungen im SGB II/SGB XII auf „etwa“ 500 € angehoben werden sollen. Bei diesem Betrag handelt es sich grade mal um die Inflationsrate und somit die Umsetzung dessen, was laut Bundesverfassungsgericht zeitnah umgesetzt werden müsste:
Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren […] der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten“ (Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 – 1 BvL10/12, Rn. 144).

Diese fällige Erhöhung in Höhe der Inflation hätte schon seit langem erfolgen müssen! Es handelt sich hierbei definitiv nicht um die Überwindung von Harzt IV. Denn dass der Regelsatz schon seit Jahren nicht bedarfsdeckend war, ist allgemein bekannt. Auch der Punkt, dass die Umsatzsteuer für Bewirtungskosten in der Gastronomie wird weiterhin auf 7 % gesenkt bleibt, hat so gut wie keine positiven Auswirkungen auf Sozialleistungsbeziehende, da es sich diese sowieso nicht erlauben können, in die Kneipe zu gehen. So ließe sich jeder einzelne Punkt des Pakets bearbeiten. Alle zentralen Forderungen, wie eine sachgerechte Regelleistungserhöhung, Stromkosten aus den Regelleistungen zu nehmen, oder ein Sofortzuschlag von mindestens 100 EUR im Monat sind nicht enthalten. Das bedeutet für Betroffene die Zementierung von Armut und ein „lebenslang“ in Armut. Mit der geplanten Beibehaltung von Sanktionen wird eben Hartz IV nicht überwunden.

Das Entlastungspaket verfestigt weiter soziale Ungerechtigkeit. Es ist wuchtig im, teilweisen sinnlosen, Geldverprassen, anstatt konkret notwendige Hilfen zu leisten. Genaugenommen ist es zum Teil ganz schön erbärmlich, denn ein Rentner mit 4000 EUR Rente braucht keinen Heizkostenzuschlag.

Ich kann dazu nur sagen: es ist die Zeit auf die Straße zu gehen, ganz klar NEIN zu sagen zu der Umverteilung von unten nach oben und für Menschenrecht und -würde einzutreten. Zum Menschenrecht gehört das Recht auf soziokulturelle Teilhabe. Wenn dies die Politik nicht interessiert, müssen wir dafür sorgen, dass es das tut. Aber nicht zusammen mit Rechten, Rassist*innen oder Antisemit*innen und Putinfans. Klare Abgrenzung ist hier gefordert!

2. Konkrete Punkte, die getan werden müssten, um die Armen zu entlasten / Vorgehen gegen legale Kürzungen unter das Existenzminium
————————————————————————————————–

Politik und Verwaltung sollten hier genau aufpassen, denn das sind konkrete Vorschläge, wie außerhalb der fälligen deutlichen Erhöhungen der Regelleistungen, Sofortzuschlägen und einer Erhöhung der Zuverdienstgrenzen, die derzeit legale Kürzung unter das Existenzminium angegangen werden muss bzw. kann.

a. Moratorium zu Wohnkostenlücken

Im Jahr 2021 wurden bei knapp 400.000 Haushalten, durchschnittlich 91 Euro pro Haushalt an Wohnkosten nicht gezahlt. In Berlin betrug die durchschnittliche Nichtübernahme 144,31 EUR, in Bayern 113,10 EUR pro gekürztem Haushalt im Monat. Bundesweit betrifft das rd. 400.000 Haushalte, Zahlen zum SGB BXII gibt es gar nicht. Diese Kürzungen der Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 Abs. 1 S. 2 + 3 SGB II / § 35 Abs. 2 SGB XII müssen sofort zumindest für zwei Jahre ausgesetzt werden. Der Regelsatz ist sowieso nicht ausreichend, da darf nicht weiter gekürzt werden.

b. Aufrechnungsmoratorium
Im SGB II sollen und müssen sogar Forderungen aufgrund von gewährten Darlehen oder Erstattungs- und Ersatzansprüchen in Höhe von 10 oder 30 % des Regelsatzes aufgerechnet werden. Das bedeutet also 44,90 EUR bis 134,70 EUR (§ 42a Abs. 2 SGB II/§ 43 Abs. 2 SGB II) weniger.

Diese Kürzungen müssen in der Zeit der Krise aufgegeben werden.

c. Moratorium zur Eintreibung von Schulden
Forderungen aufgrund von Erstattungs- und Ersatzansprüchen werden teilweise an die jeweiligen Forderungseinzugsstellen weitergegeben (§ 43 Abs. 1 S. 1 SGB II). Wenn diese Beträge dann dort nicht bedient werden können, entstehen weitere Mahn- und Vollstreckungskosten. Diese Forderungsweitergabe und Forderungsgeltendmachung sollten für zwei Jahre ausgesetzt werden.

d. Herausnahme der Haushaltsenergie aus den Regelleistungen
Derzeit ist die Position Haushaltsenergie mit 36,43 EUR in der Regelbedarfsstufe 1 im Regelsatz enthalten. Die Preissteigerungen und die Energiekrise lassen die Preise für Haushaltsenergie explodieren. Lieferanten kündigen die bisherigen Verträge und die Leistungsberechtigten rutschen beim Grundversorger in teure Ersatz- bzw. Neukundentarife. In einem offenen Brief vom 16.02.2022 weist die LAG aller Jobcenter in NRW darauf hin, dass es aufgrund der enormen Preissteigerung zu einem bisher nicht gekannten Ausmaß von Energiearmut kommen wird. Da die in den Regelleistungen festgesetzten Energiepreise in keiner Weise den Preisentwicklungen der jüngsten Vergangenheit Rechnung tragen und es nicht gelingen wird, die Stromabschläge aus den Regelsätzen zu tilgen, verweisen wir auf das zweite Regelsatzurteil des BVerG vom 23.07.2014, 1 BvL10/12, unter Rn. 144, dass in einer solchen Situation kurzfristig durch den Gesetzgeber für Abhilfe zu sorgen ist.

(Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2022)

Daher ist die Haushaltsenergie aus den Regelbedarfen herauszunehmen

und den Unterkunftskosten zuzuordnen. Damit würde den Maßgaben des BVerfG hinsichtlich Haushaltsenergie Rechnung getragen, die Mehrbedarfe für Warmwasser könnten gestrichen und es würde den Leistungsbeziehenden eine kurzfristige und dringend benötigte Hilfe zuteilwerden.

ANZEIGE

Soziale Arbeit ** Verbraucherschutz ** Recht ** Ökonomie
Diese Interdisziplinarität spricht Sie an?

Dann sind Sie in der Schuldnerberatung genau richtig

Bestellen Sie die kostenlose Sonderausgabe der Fachzeitschrift BAG -SB Informationen und lernen Sie den Facettenreichtum unseres spannenden Arbeitsfelds kennen. Wir stellen zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten vor und laden Sie ein, sich im Fachverband zu engagieren. Mit Arbeitshilfen zur digitalen Beratung, Rechtsprechungsübersicht und wissenschaftlichen Fachaufsätzen.

www.bag-sb.de/sonderausgabe

Du/Sie möchtest/möchten eine Anzeige im Newsletter schalten?  Hier geht es zu den Mediadaten und Kosten

3. Stellungnahmen zum Bürgergeldgesetz auf der Webseite des BMAS veröffentlicht

——————————————————————————————–

Das BMAS hat die Stellungnahmen der Verbände im Gesetzgebungsverfahren zum Bürgergeld veröffentlicht, diese sind hier zu finden: https://t1p.de/4grm6 , dann unter Stellungnahmen
Dazu möchte ich auch noch auf die kritischen Anmerkungen von Jürgen Aust zum Gesetzentwurf „Bürgergeld“ hinweisen, diese sind lesens- und beachtenswert: https://t1p.de/8b33b

4. Papier von AufRecht bestehen zum Thema Energiekostenübernahme
————————————————————————————————-

Das bundesweite Bündnis „AufRecht bestehen“ hat eine Arbeitshilfe zu den sozialrechtlichen Möglichkeiten der Übernahme der aktuell explodierenden Energiekosten erstellt, die in der Beratung sehr nützlich sein kann. Diese Arbeitshilfe gibt es hier zum Download: https://t1p.de/5js50

5. Auch nach Weiterwanderung aus anderem EU-Staat Anspruch auf vorübergehenden Schutz (§ 24 AufenthG) in Deutschland
——————————————————————————-

In der Beratung kommt immer wieder die Frage auf, ob aus der Ukraine geflohene Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat den vorübergehenden Schutz erhalten haben, danach auch nach Deutschland umziehen und hier (auch) den vorübergehenden Schutz beanspruchen können.

Dazu hat das BMI am 8. August 2022 ein Rundschreiben veröffentlicht: https://ggua.de/fileadmin/downloads/Ukraine/BMI_Schreiben_Weiterwanderung.pdf

In diesem stellt das BMI klar:

  • Auch Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat vorübergehenden Schutz haben, haben nach einer Weiterwanderung nach Deutschland Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG , sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Fall „ist der schutzbegehrenden Person, bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG in Deutschland zu erteilen.“ Denn mit dem EU-Beschluss zum vorübergehenden Schutz solle „Personen mit vorübergehendem Schutz den flexiblen Fortzug aus einem Mitgliedsstaat in einen anderen. Die eingeräumte „Freizügigkeit“ soll u.a. dazu dienen, eine schnelle Weiterreise und Verteilung in der EU zu ermöglichen.“
  • Wenn umgekehrt Personen, die vorübergehenden Schutz in Deutschland genießen, in einem anderen Mitgliedsstaat vorübergehenden Schutz beantragen , erlischt zwar der vorübergehende Schutz selbst in Deutschland nicht automatisch, aber die Aufenthaltserlaubnis erlischt gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG sofort (und nicht erst nach sechs Monaten), da damit ein „dauerhafter Fortzugswille“ zum Ausdruck gebracht worden sei und es sich nicht nur um eine vorübergehende Ausreise handele.

Wenn eine Person, die in Deutschland vorübergehenden Schutz genießt, dauerhaft in die Ukraine zurückkehrt, droht ebenfalls das Erlöschen des Aufenthaltstitels. Bei einer von vornherein nur vorübergehend geplanten Reise in die Ukraine erlischt der Titel hingegen erst nach sechs Monaten Abwesenheit aus Deutschland (§ 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG). Man kann bei der ABH auch eine längere Frist als sechs Monate beantragen.

6. Zahlen zur kommenden Energiekatastrophe am Beispiel Wuppertal
————————————————————————————————
Eine Anfrage der Linkspartei hat es heraus gekitzelt: vom Wuppertaler Energieversorger WSW wurde von 2018 bis einschließlich 2021 bei insgesamt 26.013 (Gas) und 127.008 (Strom) zahlungssäumigen Haushalten eine Energiesperre angedroht. Von 2018 bis einschließlich 2021 bei insgesamt 2.432 (Gas) und 10.738 (Strom) zahlungssäumigen Haushalten eine Sperrung durch den Netzbetreiber WSW Netz durchgeführt. Bei 186 Haushalten erstreckte sich die Liefereinstellung über 6 Monate. Für Inkassogang, Sperrung und Wieder-Öffnung des Zählers werden derzeit insgesamt 108,70 € in Rechnung gestellt. Die Antwort der Wuppertaler Stadtverwaltung: https://t1p.de/z0y73

Mitte Februar 2022 (bereits vor dem Ukrainekrieg) gab es zu dem Thema von der LAG aller Jobcenter in NRW einen offenen Brief an Arbeitsminister Heil, in dem diese darauf hingewiesen haben, dass es aufgrund der enormen Preissteigerung zu einem bisher nicht gekannten Ausmaß von Energiearmut kommen wird, die in den Regelleistungen festgesetzten Energiepreise in keiner Weise den Preisentwicklungen der jüngsten Vergangenheit Rechnung tragen und es nicht gelingen wird, die Stromabschläge aus den Regelsätzen zu tilgen. Die wirtschaftliche Situation werde sich somit immer weiter zuspitzen und dringender Handlungsbedarf sei geboten. Der offene Brief ist hier: https://t1p.de/52b8

Die Wuppertaler Situation ist symptomatisch für die ganze Republik, vergleichbare Zahlen dürfte es in jeder Kommune/ in jedem Kreis geben.
Diese Situation wird sich drastisch verschärfen. Immer mehr Haushalten wird aufgrund der gestiegenen Preise der Strom und das Gas abgedreht werden. Die Versorgung mit Strom und Gas gehört aber zu den unabdingbaren Rechten. Hier muss gehandelt werden. Im Februar schon und heute umso mehr! Daher muss die Haushaltsenergie unverzüglich aus den Regelleistungen herausgenommen werden.

+++++++++++++++++++++++++++++++++++

Weitere Aktualitäten aus dem NEWSLETTER inklusive Impressum könnt Ihr durch den Klick auf den nachstehenden Link bei

aufrufen und nachlesen.

> https://tacheles-sozialhilfe.de/newsticker/thome-newsletter-34-2022-vom-05-09-2022.html !

+++++++++++++++++++++++++++++++++++

Share
Dieser Beitrag wurde unter Hartz IV / Bürgergeld?, Sozialpolitik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert