Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 30. ordentliche NEWSLETTER 2023 des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.
(Foto: Regine Blazevic)
Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Thomé Newsletter 30/2023 vom 24.09.2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:
1. Bundessozialgericht zum Leistungsausschluss von Unionsbürger*innen:
Anspruch auf SGB II nach fünf Jahren Aufenthalt auch ohne durchgehende Wohnsitzanmeldung
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EU-Bürger*innen leben öfters in prekären Lebensverhältnissen oder sind obdachlos. Das BSG hat jetzt entschieden, dass der Anspruch auf Leistungen nach SGB II (und SGB XII) wegen eines „verfestigten Aufenthalts“ nach fünf Jahren nicht von einer durchgehenden Wohnsitzanmeldung abhängig ist. Vielmehr reicht eine erstmalige Wohnsitzanmeldung, die die Fünf-Jahres-Frist auslöst. (BSG, Urteil vom 20. September 2023, B 4 AS 8/22 R. Es gibt dazu bislang nur den Terminsbericht und noch nicht das schriftliche Urteil).
Den „Terminsbericht“ des BSG gibt es hier: https://t1p.de/rekzr
Weitere Infos auf der Seite der GGUA: https://t1p.de/o2xrw
2. Kindergrundsicherung: FDP lässt Sofortzuschlag für AsylbLG-Kinder im BKG streichen / Lindner plädiert für Abschaffung des Rechtes auf Asyl / Infos zur Kindergrundsicherung
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Laut Medienmitteilung, hat sich die Ampelkoalition auf die letzten Details im Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung geeinigt. Demnach soll der Sofortzuschlag von 20 Euro pro Kind und Monat ab 2025 für Kinder von Asylbewerbern wegfallen. „Unkluge Fehlanreize im Asylrecht wurden auf Betreiben des Bundesfinanzministeriums vermieden“, so das Finanzministerium dazu. Die FDP sieht das als Erfolg für sich.
Das geht einher mit der Forderung von Lindner „nach einer Wende in der Migrationspolitik wie den Asylkompromiss Anfang der 1990er Jahre“ (so Lindner auf am 23.9.2023 auf Twitter/X).
Mit dieser Politik bedient Lindners FDP rassistische Spaltung. Was das bedeutet, war im rassistischen Terror in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen oder Solingen zu spüren. Das war auch der Nährboden des NSU. Auch heute werden fast täglich Flüchtlingsunterkünfte angegriffen. Eine Partei, die faktisch den parlamentarischen Flügel des Rechtsterrors darstellt, wird durch solch eine Politik immer stärker.
Das ist natürlich nicht nur die Politik der FDP, aber diese versucht, jede relevante Änderung der Regierung, die nicht zugunsten der Wirtschaft und des Kapitals ist, zu blockieren.
Infos in der RP zum Kompromiss der Ampel: https://t1p.de/c5cxr
Dazu als Hintergrund:
– Paritätischer: Kindergrundsicherung: Was hilft gegen Kinderarmut?
Der Arbeitskreis Armutsforschung ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen und Praktikern, die in der Armutspolitik und -forschung tätig sind. Die vorgestellte Analyse mit den Schlussfolgerungen wird von zahlreichen ausgewiesenen Expertinnen und Experten der Armutsforschung unterstützt.
Dr. Irene Becker, eine der maßgeblichen Autorinnen des Papiers, fasst die Befunde zusammen: „Das bestehende System der finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen ist unzureichend. Weit verbreitete Kinderarmut ist das Ergebnis. Grundlegende Reformen sind daher angebracht. Die Einführung einer Kindergrundsicherung ist im Grundsatz sinnvoll. Gegen Kinderarmut hilft eine Kindergrundsicherung aber nur, wenn sie zwei Bedingungen erfüllt: die Leistungen für die Kinder in einkommensschwachen Familien müssen erhöht werden und die Leistung muss vollumfänglich bei den berechtigten Kindern und Familien ankommen.“
Weitere Infos: https://t1p.de/ljigf
– Zum Gesetz zur Einführung einer Kindergrundsicherung und zur Änderung weiterer Bestimmungen hat das Portal Sozialpolitik zum Gesetzgebungsverfahren die Quelldokumente und Hintergrundpapiere (Gesetzesentwürfe und Stellungnahmen) veröffentlicht. Diese Infos gibt es hier: https://t1p.de/nurh2
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Die Universal-Stiftung Helmut Ziegner ist seit 65 Jahren eine private, gemeinnützige Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege in Berlin. Sie bietet mit hoher Qualität soziale Dienstleistungen für benachteiligte Menschen in den Bereichen Wohnungsnotfallhilfe SGB XII und in der Jugendhilfe SGB VIII an.
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3. Pro Asyl schlägt Alarm und warnt vor Verlust von menschenrechtlichem Kompass
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Am 22.9. debattiert der Bundestag in Zeiten einer überhitzten Debatte einmal mehr über die Aufnahme von Flüchtlingen. Doch statt positiver Impulse steht ein Abschottungs- und Abschreckungskatalog der CDU/CSU-Fraktion zur Debatte. PRO ASYL fordert alle demokratischen Parteien dazu auf, sich auf Humanität und Menschenrechte zu besinnen und mit ihrem Kurs anti-demokratische und rechtspopulistische Kräfte nicht weiter zu stärken.
„Aktuell scheint es in der Debatte um die Aufnahme schutzsuchender Menschen kein Halten mehr zu geben, von der Abschaffung des Asylrechts bis zu Rufen nach der Akzeptanz von ‚brutal klingender Politik‘ ist alles dabei. Die deutsche Politik verliert aktuell ihren menschenrechtlichen Kompass“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL die aktuelle öffentliche Debatte.
Mehr in der Pressemitteilung von Pro Asyl: https://t1p.de/au0ja
4. Zum Vorlageurteil des SG – Karlsruhe an das Bundesverfassungsgericht und zum Verschwinden des Vorlageurteils bei der Sozialgerichtsbarkeit
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Das SG Karlsruhe hat, wie im letzten Newsletter berichtet, einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht gestellt. In diesem Vorlagebeschluss möchte das SG Karlsruhe prüfen lassen, ob die Coronazuwendungen der Bundesregierung an SGB II – Beziehende ausreichend waren. Nach Ansicht des SG Karlsruhe waren sie das definitiv nicht.
Neben den grundlegenden Gründen der Vorlage beschreibt das SG Karlsruhe Versuche einer systematischen Einschüchterung des Kammervorsitzenden durch Disziplinarverfahren und schlechte Beurteilung (zum Dienst als Sozialrichter „ungeeignet“). Von Zensur einer Presseerklärung (Rn 30 ff) und das Gericht rechnet ausführlich mit einer fehlorientierten Sozialgerichtsbarkeit bzw. „kollektiven Rechtsbruch vonseiten der Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg angestifteten Richterschaft“ ab und beschreibt, dass anlässlich der veränderten Lebensbedingungen unter Corona kein beherztes Eintreten für Recht und Gesetz durch die Sozialgerichtskollegen zu erwarten war (Rn 546). Alle Punkte unter Rn 30ff., 522, 524 ff).
Was hier das Gericht in seinem Urteil darstellt, ist ein Justizskandal erster Güte. Es wird deutlich, dass und wie versucht wird, einen kritischen Richter einzuschüchtern und auszuschalten oder wie „beherztes Eintreten für Recht und Gesetz“ unterbunden wird.
Ebenfalls merkwürdig ist: in meinem letzten Newsletter vom 17.09.2023 (Punkt 3) hatte ich auf die Urteile bei der Sozialgerichtsbarkeit.de verlinkt. Der hinterlegte Link (https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/174321) war richtig, führte aber kurz nach meiner Veröffentlichung, im Gegensatz zu anderen Suchergebnissen – jedenfalls derzeit – ins Leere („Auf der Website ist ein unvorhergesehener Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch mal.“). Es geschehen schon merkwürdige Dinge.
Das Urteil ist auf jeden Fall bei openjur zu finden: https://openjur.de/u/2473860.html und sicherheitshalber auch auf meiner Webseite zum Download: https://t1p.de/5nhvn
Aufruf zur Unterstützung
Ich möchte zur Unterstützung des Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe aufrufen. Hier kämpft ein Richter für Recht und Gesetz und für Grundrechte, das ist immer wieder aus den Urteilen und Beschlüssen ersichtlich. Genau dieser Richter soll eingeschüchtert, seine Positionen als „Einzelmeinungen“ abgetan werden. Ich habe es letzte Woche im Newsletter angedeutet, „das mutige Sozialgericht Karlsruhe“. Solche mutigen Menschen brauchen Unterstützung, Zuspruch und eine kritische Öffentlichkeit.
Ich möchte ein weiteres Urteil des SG Karlsruhe hervorheben. In diesem ging es um einen 100 % Versagungs- und Entziehungsbescheid nach § 66 SGB I und das Gericht hat dazu klargestellt: „Es entspricht nicht dem Zweck der Norm und ist als sachfremd anzusehen, wenn Jobcenter oder Sozialgerichte eine vollständige Entziehung oder Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB 1 im Bereich existenzsichernder Leistungen mit Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit zu begründen versuchen“ (SG Karlsruhe 09.05.2023 – S 12 AS 2046/22), hier nachzulesen: https://t1p.de/pz4sc
In dieser Entscheidung hat das SG Karlsruhe nicht nur reihenweise Ohrfeigen insbesondere an die Jobcenter verteilt, sondern auch aufgezeigt, wie rechtsstaatliches Handeln auszusehen hätten.
5. Offener Brief – Dysfunktionale Effekte der Digitalisierung der Hamburger Behörden
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Aus einem offenen Brief Hamburger Migrations- und Sozialberatungsstellen zum Thema immer weiterer Einschränkung des digitalen Zugangs:
Direkte Zugänge zu den Hamburger Behörden müssen erhalten bleiben! Migrations- und Sozialberatungsstellen kritisieren dysfunktionale Effekte der Digitalisierung
Digitale Zugänge dürfen analoge / direkte Möglichkeiten, sich an Behörden zu wenden, nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Auch die Ämter haben ihren kundennahen Beratungs- und Dienstleistungsauftrag zu erfüllen.
Die Erreichbarkeit der Behörden wird trotz zunehmender Digitalisierung insgesamt schlechter, nicht besser. Digitale Zugangserfordernisse erhöhen für viele Menschen generell die Schwellen zu Ressourcen (Leistungen, Wohnungssuche, etc.) und grenzen weniger gebildete, ältere, nicht deutschsprachige und von Armut betroffene Menschen aus.
Vor dem Hintergrund mangelnder digitaler Bildung und finanzieller Voraussetzungen verstärkt diese Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen die soziale Ungleichheit. Viele Menschen werden auf Dauer von sozialer Teilhabe abgehängt. Das darf nicht passieren.
Digitale Zugänge dürfen analoge / direkte Möglichkeiten, sich an Behörden zu wenden, nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Auch die Ämter haben ihren kundennahen Beratungs- und Dienstleistungsauftrag zu erfüllen. Die Erreichbarkeit der Behörden wird trotz zunehmender Digitalisierung insgesamt schlechter, nicht besser. Digitale Zugangserfordernisse erhöhen für viele Menschen generell die Schwellen zu Ressourcen (Leistungen, Wohnungssuche, etc.) und grenzen weniger gebildete, ältere, nicht deutschsprachige und von Armut betroffene Menschen ausVor dem Hintergrund mangelnder digitaler Bildung und finanzieller Voraussetzungen verstärkt diese Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen die soziale Ungleichheit. Viele Menschen werden auf Dauer von sozialer Teilhabe abgehängt. Das darf nicht passieren.
Zum offenen Brief: https://t1p.de/ba96h
Bemerkung: mit dem offenen Brief wird die Problematik der Digitalisierung in der Hamburger Verwaltung und ihrer dysfunktionalen Effekte thematisiert. Zum einen ersetzen digitale Zugänge zunehmend die Möglichkeiten für „Kund:innen“, sich in Präsenz oder telefonisch an die Ämter zu wenden, darunter auch die Jobcenter. Zum anderen funktionieren die Online-Services teilweise nur schlecht. Auf den Beratungsstellen lastet die Mehrarbeit, die hochschwelligen Zugänge für die Ratsuchenden herzustellen, was häufig nur mühsam oder auch gar nicht gelingt. Vielen Menschen in der Stadt wird es damit schwerer gemacht, zu ihrem Recht zu kommen. Es fehlt an digitaler Bildung, an digitalen Geräten, an finanziellen und Personalressourcen.
Was die Hamburger KollegInnen beschreiben ist nicht nur in Hamburg ein Problem, sondern auch bundesweit. Diese Abschottungsstrategie wird von der BA betrieben, auch wenn die BA das öffentlich bestreitet. Diese Abschottungsstrategie ist rechtswidrig und wenn sie nicht durch Druck gekippt wird, muss sie durch Urteile angegriffen werden. Ich möchte den HH’er KollegInnen für die Initiative danken und wünsche Erfolg!
Ich möchte darauf hinweisen das solche „zugemauerten“ Zugänge zu Behörden insbesondere in der neuen Kindergrundsicherung geplant sind, auch das hatten wir als Tacheles in unserer Stellungnahme intensiv angegriffen: https://t1p.de/a82vc
6. Bürgergeld scheint zu klappen: Fast 286.000 mehr Widersprüche gegen Bürgergeld-Bescheide
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Die Organisation hartziv.org hat in einem aktuellen Artikel die bisherige Anzahl von Widersprüchen gegenüber dem Vorjahr geprüft, diese haben sich um 7,08 % von 266.000 auf 286.000 Widersprüche erhöht. Diese Infos hier: https://t1p.de/1obat
7. Die KOS – Berlin sucht neue*r kaufmännische*r Mitarbeiter*in oder Vergleichbares
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Die Kollegen von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS) suchen für ihr Büro in Berlin, zum 1.11.2023 eine Person (m/w/d) für eine Teilzeitbeschäftigung. Gesucht wird ein*e kaufmännische*r Mitarbeiter*in oder eine Mitarbeiter*in mit vergleichbarer Qualifikation:
Vielleicht findet sich jemand.