Heute veröffentlichen wir den 29. ordentlichen NEWSLETTER 2022 des Kollegen Harald Thomé auf unserer Homepage für Euch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 29. ordentliche NEWSLETTER  des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.

  (Foto: Regine Blazevic)     

Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.

Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-

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Thomé Newsletter 29/2022 vom 31.07.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen: 

1. Das nächste Schuljahr steht vor der Tür, die Schulbuchkosten auch – Hinweise für die Praxis
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Das nächste Schuljahr steht vor der Tür, die Schulbuchkosten auch. Ab 1/2021 besteht im SGB II und im SGB XII ein Anspruch auf Übernahme der Schulbuchkosten in tatsächlicher Höhe, wenn diese aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben angeschafft werden müssen (so § 21 Abs. 6a SGB II und § 30 Abs 9 SGB XII). Für Geflüchtete in den Grundleistungen besteht dieser Anspruch normativ erst einmal nicht, aber er wird sich aus Gründen der Gleichbehandlung aus den „sonstigen Leistungen“ nach § 6 Abs. 1 AsylbLG ableiten lassen.

Was heißt das für die Praxis? Schulbuchkosten können beim Jobcenter/Sozialamt beantragt werden, dafür wird der „Elternbrief“ und Nachweis über den Kauf oder die Zahlung erforderlich sein. Im SGB XII können die Beträge ohne Probleme auch nachträglich geltend gemacht werden, im SGB XII, zumindest im 3. Kap. des SGB XII (Sozialhilfe) und in den „Analogleistungen“ des AsylbLG sind diese vorher zu beantragen oder zumindest die Behörde in Kenntnis zu setzen (§ 18 Abs. 1 SGB XII) und in den AsylbLG Grundleistungen ist eine vorherige Beantragung ebenfalls sinnvoll.
Der ganze formale, die Ansprüche einschränkte Aufwand, weil es der Gesetzgeber versäumt hat die Schulbuchkosten ins Bildungs- und Teilhabepaket aufzunehmen. Hier ist Information durch die Leistungsträger (§ 13, 14 SGB I) und durch die Sozial- und Wohlfahrtsverbände gefragt.

2. Zum Thema Heizkosten- und Betriebskostenjahresabrechnungen für Leistungsbeziehende und nicht Leistungsbeziehende / Aufklärung und Handeln erforderlich 
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Dann möchte ich auch auf das Thema zu erwartende horrende Heizkosten- und Betriebskostenjahresabrechnungen für Leistungsbeziehende und nicht Leistungsbeziehende hinweisen.
Grundsätzlich besteht für Leistungsbeziehende nach dem SGB II und SGB XII ein Übernahmeanspruch der Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe (so § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm § 67 Abs. 3 SGB II/§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII iVm § 141 Abs. 3 S. 1 SGB XII). Dieser Übernahmeanspruch ist aber bereits eingeschränkt, wenn die Leistungsbeziehenden zuvor wirksam zur Kostensenkung aufgefordert wurden (§ 67 Abs. 3 S. 3 SGB II/§ 141 Abs. 3 S. 3 SGB XII). In dem Fall einer horrenden Abrechnung wird gewiss ein Übernahmeanspruch im Rahmen der Wohnraumsicherung nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II/bzw. § 36 Abs. 1 S. 21 SGB XII) bestehen. Im SGB XII kann der Übernahmeanspruch auch noch wegen restriktivster Anwendung der Begrenzung wegen fehlender Umzugserfordernis nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehen. (Hier wäre aber eine Übernahme im Rahmen der Wohnraumsicherung gerechtfertigt).

Um diesen Anspruch realisieren zu können, müssen SGB XII – Beziehende und Analogleistungsbeziehende Geflüchtete im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB XII im Monat der Fälligkeit beim Sozialamt einen Antrag stellen. Wird dieser Antrag nicht rechtzeitig gestellt, entfällt der Anspruch auf Übernahme auf Zuschussbasis. Darüber müssen die Menschen dringend aufgeklärt werden!
Der Übernahmeanspruch besteht auch für nichtleistungsbeziehende Menschen, wenn sie im Monat der Fälligkeit der Nachzahlung einen SGB II/SGB XII – Antrag stellen. Das BSG sagt dazu, dass  Nachzahlungen aus Neben- und Heizkostenabrechnungen immer Bedarf im Monat der Fälligkeit (BSG 22.3.2010 – B 4 AS 62/09 R) sind und es dabei unerheblich ist, ob die Nachforderung in Zeiten des Nichtleistungsbezuges entstanden ist (BSG 24.11.2011 – B 14 AS 121/10 R).

In dem Fall wäre der „normale sozialrechtliche Bedarf“ (Regelleistungen, Mehrbedarfe, Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe) zu berücksichtigen und dann der jeweilige fällige Nachzahlungsbetrag in tatsächlicher Höhe. Ist dieser Bedarf nicht durch eigenes Einkommen gedeckt, besteht hier für einen Monat ein SGB II/SGB XII – Leistungsanspruch in Höhe des ungedeckten Bedarfes. Das ist vielen Verdienenden nicht bekannt und muss dringend bekannt gemacht werden. Hier sind Medien, Leistungsträger, Sozialberatungsstellen gefragt. Auch könnte und sollte eine solche Information durch Flugblätter in entsprechenden Vierteln bekannt gemacht werden

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3. Zum Thema Kinderhelderhöhung für einkommensschwache Familien
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Bundesfamilienministerin Paus fordert angesichts der steigenden Strom- und Heizkosten weitere Entlastungen für einkommensschwache Familien durch eine Kindergelderhöhung. Siehe: https://t1p.de/v5dcl
Eine sinnvolle und richtige Initiative. Aber auch eine Initiative die an der Realität der Leistungsbeziehenden vorbei geht, denn das Kindergeld wird im SGB II/SGB XII in kompletter Höhe angerechnet. Eine solche Initiative macht nur Sinn, wenn eine Kindergelderhöhung in den Grundsicherungssystemen anrechnungsfrei gestellt wird. Denn sonst werden damit nur die zu erbringenden Kosten der Leistungsträger um die Kindergelderhöhung gemindert.
Also Frau Paus: Entlastung geht anders, hier müssen die Folgewirkungen beachtet und mind. diese angedachte Erhöhung anrechnungsfrei gestellt werden.

4. SOZIALRECHT-JUSTAMENT Juli 2022
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Der Kollege Bernd Eckardt hat einen kleinen sozialrechtlichen Wegweiser durch den »Dschungel im Internet«zum  SGB II und angrenzende Rechtsgebiete in seinem aktuellen SJ gemacht. Dieses gibt es hier zum Download: https://t1p.de/q8rvf

5. LSG Berlin-Brandenburg: Mehrbedarf für Bekleidung und Schuhe in Übergröße löst einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II aus
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Endlich wurde das Thema mal justiziabel gemacht und ein LSG hat dies positiv entschieden und sich gegen die eindeutig rechtwidrige Weisung der BA zu § 21 Abs. 6 SGB II positioniert.

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss v. 07.04.2022 – L 9 AS 400/19 entschieden, dass laufende Kosten für Bekleidung, Wäsche und Schuhe in Übergröße in Höhe von monatlich 28,36 Euro für einen Hilfeempfänger nach dem SGB II mit einer Körpergröße von 2,07 m und Schuhgröße 52 einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II auslösen.

Für SGB II-Leistungsbezieher, die Übergrößen benötigen, ist grundsätzlich ein Mehrbedarf zu berücksichtigen, denn es ist davon auszugehen, dass die auf der EVS beruhende Zusammensetzung des Regelbedarfs für Bekleidung (32,85 Euro im Regelbedarf 2014) statistisch vor allem auf der Erhebung von Einkommensbeziehern beruht, die keine Übergrößen bei Schuhen und Bekleidung benötigten. Der Mehrbedarf weicht im Vergleich zu dem im Regelsatz berücksichtigten Bedarf nach oben erheblich ab (knapp 7%) und ist (aufgrund seiner Höhe) unabweisbar, weil er nicht dauerhaft aus Einsparungen an anderer Stelle des Regelbedarfs ausgeglichen werden kann.

Hier geht es zu der Entscheidung: https://t1p.de/elvzo

Diese Entscheidung wird auch im SGB XII Anwendung finden. Hier ist ein Übergrößenbedarf aber nicht als Mehrbedarf, sondern als abweichende Regelleistungserhöhung nach § 27a Abs. 4 SGB XII zu berücksichtigen.

6. Grundzüge des „Bürgergeldes“ vorgestellt
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Arbeitsminister Heil die ersten Grundzüge der Änderungen beim Bürgergeld vorgestellt. Den Gesetzesentwurf allerdings noch nicht.
Die Stichworte, aus denen durchaus einiges herauszulesen ist, habe ich für die Tachelesseite zusammengefasst, diese können hier nachgelesen werden: https://t1p.de/hgctm Zudem gibt es ein internes BMAS Papier, aus dem die Eckpunkte herausgearbeitet sind, das gibt es hier: https://t1p.de/07akd

Kein großer Wurf, aber, laut Diakonie und Pari, die richtige Richtung: https://t1p.de/cytiu und Pari: https://t1p.de/9vq30

7. Ein paar Anmerkungen zu den Bürgergeldreformen an Politik und Betroffene
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Ich kann und möchte mir ein paar Anmerkungen zur Bürgergeldreform nicht verkneifen. Natürlich sind viele Regelungen in die richtige Richtung gehend. Tatsächlich befindet sich das Arbeitslosensicherungssystem mit der Abschaffung des Vermittlungsvorranges zur Förderung der Aus- und Weiterbildung im Umbruch, vom Überfordern zum Fördern. Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2019 waren noch 100 % Sanktionen bis zur absoluten Existenzvernichtung möglich. Derzeit haben wir das Sanktionsmoratorium, später dann Sanktionen, die, im Verhältnis zu vorher, moderater sind.
Aber es soll noch Sanktionen geben und die Regelleistungen absolut unzureichend bleiben. Millionen von Menschen, wie die Hartz IV-Beziehenden, die Altersrentner*innen und die Geflüchteten können ihre Existenz durch Inflation und Preissteigerungen nicht mehr sicherstellen. Wir haben eine Situation, die offen verfassungswidrig ist, ich verweise wieder einmal auf das BVerfG selbst:

„Der Gesetzgeber hat … Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht“ (BVerfG 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 ua, Rn. 140) und „ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten“ (BVerfG 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 ua, Rn. 144).

Diese Situation ist nicht ausreichend mit der Einmalzahlung abgedeckt, hier muss jetzt deutlich mehr passieren. Politik und Verwaltung wissen, dass die Musterverfahren vom VDK und SOVD zum BVerfG Jahre dauern bis sie zur Entscheidung gebracht werden. Es nützt jetzt und in den nächsten Monaten den Menschen nichts, wenn das BVerfG in im besten Fall zwei Jahren feststellt, dass die Hilfepakete zu gering und verfassungswidrig waren.
Sollte die FDP weiter blocken, könnten trotzdem jetzt sofort verschiedene Punkte getan werden. Diese voran stellen möchte ich aber die konkrete Forderung um Anhebung der Regelleistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens um 200 EUR monatlich!

Wenn ich bei den Worten des Kanzlers bleibe „Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine“ ist jetzt dringender Handlungsbedarf, denn es werden Millionen Menschen in der schlimmsten Krise in der Nachkriegszeit weitgehend alleine gelassen.

Hier ist jetzt und heute ganz viel zu tun. Ideen liegen auf dem Tisch.

Und an diejenigen die es betrifft: damit was getan wird muss Druck gemacht werden. Auf der Straße, vor Parteibüros und vor Energieversorgern, nur dann bewegt sich etwas. UND diesen Druck zu machen, kann und darf nicht zusammen mit Rassist*innen, Reichsbürger*innen, Nazis und Antisemit*innen gemeinsam geschehen. Diese sehnen grade einen „heißen Herbst“ herbei. Hier muss die Parole sein, auf keinen Fall gemeinsam mit diesen auf die Straße zu gehen!

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Weitere aktuelle Informationen aus diesem NEWSLETTER inklusive Impressum könnt Ihr durch den Klick auf den nachstehenden Link bei

aufrufen.

> https://www.tacheles-sozialhilfe.de/newsticker/thome-newsletter-29-2022-vom-31-07-2022.html !

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