Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 27. ordentliche NEWSLETTER 2023 des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.
(Foto: Regine Blazevic)
Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Thomé Newsletter 27/2023 vom 03.09.2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:
1. Die Regelleistungen für das Jahr 2024
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Die Höhe der Regelleistungen für das Jahr 2024 sind durchgesickert, diese werden mit höchster Wahrscheinlichkeit betragen:
RB – Stufe 1 (Alleinstehende)
563 € / vorher 502 € (+ 61 €)
RB – Stufe 2 (volljährige Partner innerhalb Bedarfsgemeinschaft)
506 € / vorher 451 € (+ 55 €)
RB – Stufe 3 (Erwachsene unter 25 Jahren, die im Haushalt der Eltern)
451 € / vorher 402 € (+ 49 €)
RB – Stufe 4 (Jugendliche zwischen 14 bis 17 Jahren)
471 € / vorher 420 € (+ 51 €)
RB – Stufe 5 (Kinder zwischen 6 – 13 Jahren)
390 € / vorher 348 € (+ 42 €)
RB – Stufe 6 (Kinder von 0 bis 5 Jahren)
357 € / vorher 318 € (+ 39 €)
Eine Liste zum Download gibt es hier: https://t1p.de/04ezk
Kurzbewertung: Die Regelleistungen sind ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, sie sind aber bei weitem nicht bedarfsdeckend und ermöglichen nicht im ausreichendem Maße die sozio-kulturelle Teilhabe und ein Leben „in Würde“ der Leistung beziehenden Menschen. Regelleistungen sollen nicht nur das physische Existenzminimum sicherstellen, sondern zusätzlich auch die sozialkulturelle Teilhabe. Die Regelleistungen stellen aber nicht das physische Existenzminimum sicher, geschweige denn die sozialkulturelle Teilhabe. Spielraum für den Kauf von Bekleidung, einer Waschmaschine oder eines digitalen Gerätes gibt es mit diesen Leistungen nicht. Genau diese Spielräume müssten aber vorhanden sein, um ein „Leben das der Würde des Menschen entspricht“ so § 1 Abs. 1 SGB II sicherzustellen.
Der Paritätische kritisiert die Regelleistungen richtig als „viel zu niedrig“ und erarbeitet, dass der Regelsatz für Erwachsene mindestens 813 Euro betragen müsste, um wirksam vor Armut zu schützen. Weitere Infos des Pari: https://t1p.de/07zz3
Auf dem Weg zu einer Lösung könnten aber folgende Schritte unternommen werden:
es könnten die Energiekosten aus den Regelleistungen rausgenommen und den Unterkunftskosten zugeordnet werden
es könnte eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für Elektroweißgeräte geschaffen werden (was seit 2014 auch das BVerfG fordert)
die Weisung der BA und des BMAS zur Auslegung der unabweisbaren einmaligen Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II bzw. zu § 30 Abs. 10 SGB XII könnte dahingehend geändert werden, dass einmalige unabweisbare Bedarfe, die einen Anschaffungswert ab 250 EUR haben, auf Zuschussbasis zu gewähren sind und es ab dieser Betragshöhe nicht mehr zumutbar ist, auf ein Darlehen für vom Regelsatz umfassten Bedarf verwiesen zu werden. Hier bestehen die gesetzlichen Grundlagen, nur werden diese durch ministerielle Weisung blockiert. (Link zu den entsprechenden Weisungen: SGB II- Weisung: https://t1p.de/cvznw Randziffer 21.40 , SGB XII-Weisung: https://t1p.de/go3w8 Gliederungsnummer 3.4, S. 9 f)
An dieser Stelle könnte die Lebenssituation von vielen in verfestigter Armut lebenden Menschen sofort geändert werden. Hier müsste nur der Wille im Hause des Herrn Heil vorhanden sein.
2. Gesetzesentwurf zur Kindergrundsicherung vorgelegt
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Das Familienministerium hat nun den Gesetzesentwurf zur Kindergrundsicherung vorgelegt. In der sog. Verbändeanhörung wurde diesen eine Frist von einer Woche zur Stellungnahme zugestanden. Eine Frist von einer Woche für eine Stellungnahme zu der „wichtigsten Sozialreform dieser Legislaturperiode“ ist wahrlich nicht geeignet, die Expertise der Verbände zu erlangen. Bei dem Gesetzesvorhaben handelt es sich um eine hochkomplexe Fragestellung, wie die Kinderarmut in Deutschland bekämpft werden soll. Es werden in 11 Artikeln eine Reihe Gesetze mit nicht geringer Komplexität geändert, die selbst für Fachleute in der Kürze der Zeit kaum überschaubar sind.
Der Verein Tacheles wird dazu, auch wenn er nicht gefragt wurde, eine umfassende Stellungnahme abgeben. Im Großen und Ganzen ist die sog. „Kindergrundsicherung“ eine Enttäuschung. Sie ist faktisch eine Verwaltungsreform für den bisherigen Kinderzuschlag. Von der Kindergrundsicherung profitieren verdienende Familien, Familien ohne eigenes Einkommen haben davon kaum Verbesserungen. Kinderarmut wird mit der Reform auf jeden Fall nicht oder nur unwesentlich verringert.
Hier geht es zum Gesetzesentwurf: https://t1p.de/huinb
Die Stellungnahme von Tacheles wird dann im Laufe der Woche auf der Tacheleswebseite veröffentlicht.
Andreas Aust von der Forschungsstelle des Paritätischen hat in einem lesenswerten Artikel die Kindergrundsicherung bewertet: Neuer Name, alte Leistungen, hier zum Nachlesen: https://t1p.de/qblpi
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Der „Klassiker der Sozialrechtsliteratur“ neu aufgelegt. Erscheint November 2023.
Erläutert für alle typischen Lebenslagen, die in der Beratungspraxis vorkommen, Betroffenen zustehende Leistungen, Zuständigkeiten und Fragen der Durchsetzung. Kommentiert die aktuellen Entwicklungen: PUEG, Grundrentengesetz, neues SGB XIV, Wohngeld-Reform, Mindestlohnerhöhungsgesetz, 27. BAFöG-Änderungsgesetz, Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz, Chancenaufenthaltsrecht, Berücksichtigung des Erziehungsaufwands im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung. |
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3. Diakonie: Gutachten zur Kindergrundsicherung: Wer bei den Kindern spart, zahlt später drauf
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Aus einer PM der Diakonie: „Die Diakonie Deutschland hat zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) eine Kurzexpertise erstellt, die das Ausmaß der Kinderarmut in Deutschland umfassend untersucht. Sie zeigt, dass die gesellschaftlichen Folgekosten von Kinderarmut vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung und sozialer Teilhabe viel stärker diskutiert werden müssen. (…) Mehr dazu: https://t1p.de/ng4xj
4. Zum geplanten Zuständigkeitswechsel der Arbeitsförderung von Menschen unter 25 Jahren von den Jobcentern auf die Agenturen für Arbeit zum 1. Januar 2025
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Die Bundesregierung will die Zuständigkeit für die „Betreuung, Beratung und Förderung“ von jungen Menschen unter 25 Jahren, die heute Leistungen nach dem SGB II beziehen, ab 2025 von den Jobcentern auf die Arbeitslosenversicherung (SGB III) übertragen. Damit sollen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung 900 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingespart werden. Diese Planung geht einher mit im Haushaltsentwurf vorgesehenen Kürzungen bei den Eingliederungstiteln und den Verwaltungskosten für die Jobcenter.
Dazu zwei wichtige Stellungnahmen vom DGB, hier zu lesen: https://t1p.de/7k543 und vom Paritätischen: https://t1p.de/6xr74
Kern: Keine Haushaltssanierung zulasten junger Menschen in der Grundsicherung!
5. Christoph Butterwegge im NDR: Besonders die Reformen der vergangenen Jahrzehnte haben dafür gesorgt, dass es vielen Familien finanziell schlechter geht
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Eine harte Bilanz von Christoph Butterwegge. Siehe https://ard.social/@NDR/110940063950467342 bzw. https://www.ndr.de/Geld-oder-Bildung-Was-hilft-gegen-Kinderarmut,audio1449006.html.
6. Inkrafttreten der Gesetzesänderung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz
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Der exakte Fahrplan der einzelnen Punkte durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind jetzt klar.
Die Änderungen zur Fachkräfteeinwanderung („Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“) sind am 16. August 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist nun klar, wann die einzelnen Teile in Kraft treten werden:
November 2023:
Artikel 1. Das sind vor allem die Änderungen bei der Blauen Karte und der Rechtsanspruch auf §18a/b (mit den sich daraus ergebenden neuen Zweckwechselmöglichkeiten z.B. aus einem Schengenvisum).
März 2024:
Der mit Abstand größte Teil der vorgesehenen Änderungen (Art.2). Dazu gehören unter anderem die Regelungen zum Spurwechsel nach zurückgenommenem Asylverfahren, zur neuen Ausbildungs-Aufenthaltserlaubnis §16g statt Ausbildungsduldung, die Erweiterung der Nebenverdienstmöglichkeiten usw.
Juni 2024:
Art.3: Die Regelungen zum Punktesystem („Chancenkarte“).
7. „Asoziale FDP“: FDP schließt weitere große Sozialreformen aus ——————————————————————
Die FDP macht nach dem Ampelstreit um die Kindergrundsicherung deutlich: »Die Kindergrundsicherung ist die letzte große sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode.«
Im Kern bedeutet dies: Es gibt nur Verachtung von Armen durch die FDP und Klassenkampf von oben.
Ich denke mit eben dieser Position sollte die FDP in Zukunft immer und überall konfrontiert werden.