Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 19. ordentliche NEWSLETTER 2023 des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.
(Foto: Regine Blazevic)
Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Thomé Newsletter 19/2023 vom 11.06.2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:
1. Amadeu Antonio Stiftung zur Zustimmung der Bundesregierung zu der GEAS Reform / Menschenrechte verschwinden und die Bundesregierung feiert dies als »historischen Erfolg«
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Die Bundesregierung hat im Europarat der GEAS-Reform zugestimmt, es wäre die schärfste Asylrechtsreform seit Jahrzehnten. Das Asylrecht wird faktisch abgeschafft; die Festungeuropa und das Leid an den Außengrenzen zementiert und legalisiert.
Flüchtende aus vermeintlich „sicheren“ Herkunftsländern sollen in haftähnlichen Lagern interniert und gegebenenfalls zurückgeschickt werden. Das gilt auch für Familien mit Kindern. Die Anzahl der sicheren Herkunftsländer soll ebenfalls steigen.
Die EU verhöhnt die Unantastbarkeit des Asylrechts und die Bundesregierung macht mit. Auch wenn im Koalitionsvertrag steht, „wir wollen das Leid an den Außengrenzen beenden“, wird jetzt die Internierung von Asylsuchenden ausgeweitet & auch Fluchtwege werden noch unsicherer.
Selbst die rote Linie der Bundesregierung, bezüglich der Behandlung von Familien, fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Zynisch und verheerend, dass dieser Kompromiss nun auch noch als „historischer Erfolg“ gefeiert wird.
Auf dem gesamten Kontinent triumphieren rechte Parteien und sehen sich gestärkt. Die Stimmung in vielen Ländern Europas kippt schon lange nach rechts. Wie gefährlich das sein kann, zeigte schon die deutsche Asylreform Anfang der 1990er.
Vor 30 Jahren wurde das deutsche Asylrecht schon einmal fundamental verschärft, nur drei Tage später verbrannten in Solingen fünf Menschen in ihrem Zuhause.
Der Bundespräsident sagte erst vor zwei Wochen in seiner Rede zu 30 Jahre Solingen, dass er „nicht dazu schweigen kann, in welchem Klima diese Anschläge gediehen sind.“
Rechtsextremismus gedeiht, wenn Hass auf Flüchtende salonfähig wird, wenn Abschottung salonfähig wird. Die EU-Asylrechtsreform legitimiert die unbegründete Angst vieler Menschen vor Geflüchteten. Das Signal, das von der skandalösen Reform ausgeht, ist brandgefährlich.
Auch heute, 30 Jahre nach Solingen, müssen sich die politisch Verantwortlichen im Klaren sein: Solche Entscheidungen stärken Rassismus und rechte Gewalt.
Wo Abschottung und Abwehr zum politischen Programm werden, fühlen sich Rassist*innen zur Selbstjustiz ermächtigt. Sie fühlen das Recht auf ihrer Seite. Hat Deutschland nichts aus dieser Geschichte gelernt?
Quelle: https://t1p.de/9ipyz
Dazu eine hervorragende rechtliche Einordnung der EU-Asylreform von Maximilian Pichl in Verfassungsblog: „Europas Werk und Deutschlands Beitrag – Wie der EU-Asylkompromiss das Recht auf Asyl aushöhlen könnte“ ist hier zu lesen: https://t1p.de/v49bq
Sowie eine klare Stellungnahme von PROASYL: Ausverkauf der Menschenrechte: Deutschland stimmt für Aushebelung des Flüchtlingsschutzes: https://t1p.de/u7oe4
Kommentar: Diese Entscheidung ist für Deutschland, Europa und die Demokratie ein dunkler Tag. Grundrechte sind und haben unteilbar zu sein. Mit der Entscheidung der Bundesregierung wurden sie teilbar gemacht. Das Asylrecht muss verteidigt werden! Ein klares NEIN zur faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl in der EU!
Die europäische Asylpolitik muss neu ausgerichtet werden. Menschenrechte der Schutzsuchenden müssen dabei im Mittelpunkt stehen & nicht rechte Träume von einer totalen Abschottung der Festung Europa. Um es mal mit ein paar Worten zu sagen.
Auf die Straße!
2. SG Karlsruhe: Meldet verfassungsrechtliche Bedenkung bei Versagungs- bzw. Entziehungsbescheiden von mehr als 30 % des Regelatzes an
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Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 09.05.2023 – S 12 AS 2046/22 entschieden, dass bei einer Versagungs- bzw. Entziehungsentscheidung von mehr als 30 % des maßgeblichen Regelbedarfs die Behörde in ihren Ermessenserwägungen erkennen lassen muss, anlässlich welcher atypischen Fallgestaltung sowie zwecks welcher außerordentlicher Ziele eine so weitreichende Unterdeckung des Existenzminimums im konkreten Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen sein soll, um die bislang unterbliebene Mitwirkung zu veranlassen und wesentlich zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalt beizutragen.
Ansonsten hält das Gericht mit Verweis auf das Urteil des BVerfG zu den Sanktionen komplette Versagungs- und Entziehungsbescheide nach § 66 SGB I für rechtswidrig.
Download: https://t1p.de/o91ic
Kommentar: Dieses Urteil ist von erheblicher Bedeutung für die Beratungspraxis, da bundesweit die Jobcenter sehr gerne 100 %- ige Versagungs- bzw. Entziehungsbescheide nach § 66 SGB I erlassen, wenn Leistungsberechtigte nicht mitwirken oder ihnen die Nichtmitwirkung vorgeworfen wird. Diese 100 % – igen Versagungs- bzw. Entziehungsbescheide sind das neue Sanktionsrecht und hier hat endlich das erste Sozialgericht deutlich gemacht, dass das so nicht laufen darf. Damit ist endlich die Debatte über die Zulässigkeit von 100 % – Leistungsentziehungen eröffnet.
BVerfG, Urteil vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16) für die verfassungskonforme Ermessensbetätigung bei grundsicherungsrechtlichen Entziehungen und Versagungen
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3. Leitfaden Kundenreaktionsmanagement der BA
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Dann möchte ich auf den aktuellen, aus dem Jahr 2023 stammenden Leitfaden Kundenreaktionsmanagement der BA hinweisen, Der ist leider nicht vollständig, stellt aber in den wichtigsten Teilen die Arbeitsweise des Kundenreaktionsmanagement da.
Diesen gibt es hier zum Download: https://t1p.de/tomgx
4. Keine Gebühren für Krankmeldungen bei Arbeitsamt und Jobcentern
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Auf eine Schriftliche Frage zu Kosten von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Papierfassung fürs SGB II und SGB III hat sich die Bundesregierung geäußert: AUBs müssen kostenlos für SGB II/SGB III – Leistungsbeziehende ausgestellt werden.
Die Antwort auf die Schriftliche Frage findet sich hier: BT-Drucksache 20/7090, Frage 86, S. 61f, Download: https://dserver.bundestag.de/btd/20/070/2007090.pdf
Auswertung der Anfrage von Jessica Tatti/DIE LINKE zu AUB und Jobcentern und Arbeitsagenturen: https://t1p.de/2svkh
5. „Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten“ / Recht für alle!? – RAV Kongress 16. & 17. Juni 2023 in Leipzig ————————————————————–
Ob Du für eine Nichtregierungsorganisation arbeitest, Rechtsanwält*in oder Aktivist*in bist oder noch in der juristischen Ausbildung steckst – wir laden alle interessierten Personen herzlich ein, mit uns gemeinsam zwei Tage lang zu diskutieren, sich fortzubilden, zu vernetzen und auch zu feiern.
Beginnen wollen wir am Freitagabend mit einer Auftaktveranstaltung, auf der wir uns – auch anhand der Geschichte des RAV – mit der (Fort)Entwicklung emanzipatorischer Rechtskämpfe beschäftigen.
Ende der 70er Jahre, als der RAV gegründet wurde, ging es in erster Linie um juristische Abwehrkämpfe gegen staatliche Zumutungen und Sanktionen, um den Kampf für eine freie Advokatur und gegen die Einschränkung individueller Freiheitsrechte.
Der Kongress „Recht für alle!?“ findet am 16. & 17. Juni 2023 in Leipzig statt. Alle weiteren Infos hier: https://t1p.de/wrbpr
6. PM des Bündnisses Sozialticket NRW zum Sozialticket in NRW: NRW: Für Herbst geplantes „Sozialticket“ 14 % teurer als Jobtickets
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Das Bündnis Sozialticket NRW kritisiert, dass die NRW Landesregierung das „Sozialticket“ für SozialleistungsbezieherInnen in NRW zu einem teureren Preis als das Jobticket anbieten will. Das „Sozialticket“ soll 39 € kosten, das „Jobticket“ 34,30 €. Aus der PM:
Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis, und der Zugang zu bezahlbarer Mobilität verbessert die Lebenssituation und soziale Teilhabe armer Menschen in erheblichem Maße. Das ist allgemein anerkannt. Besuch von Stadtteiltreffs, ehrenamtliche Betätigung, Treffen mit FreundInnen und Verwandten, Besuch von Naherholungsgebieten, Termine bei Behörden und Gesundheitseinrichtungen, Zuverdienst und Arbeitsaufnahme, Nutzung von Bildungsangeboten, Betreuung von Pflegebedürftigen – das alles setzt Mobilität voraus.
Dafür muss auch der Preis stimmen. Denn Reichweite ist nicht alles. Für Menschen mit wenig Geld darf das Monatsticket u.E. nicht mehr als 29 Euro kosten. Besser noch weniger.“
weitere Details hier: https://t1p.de/afhqk
7. Menschenrechtsinstitut sieht Voraussetzungen für AfD-Verbot erfüllt
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Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) sieht die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD als erfüllt an. In einer aktuellen Analyse des Instituts heißt es, die Partei gehe „zur Durchsetzung ihrer rassistischen und rechtsextremen Ziele“ aktiv und planvoll vor. Insgesamt bemühe sich die Partei darum, die in Art. 1 GG verankerten Garantien zu beseitigen. Die AfD habe »Rassistische und rechtsextreme Ziele« und die anderen Parteien sollen sich von ihr abgrenzen.
Aus der Analyse: die Partei gehe »zur Durchsetzung ihrer rassistischen und rechtsextremen Ziele« aktiv und planvoll vor. Beispielsweise arbeite die AfD daran, »die Grenzen des Sagbaren und damit den Diskurs so zu verschieben, dass eine Gewöhnung an ihre rassistischen national-völkischen Positionen – auch im öffentlichen und politischen Raum – erfolgt«. Damit seien die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt.
Die Analyse des DIMR zum Download: https://t1p.de/914xv