Die Bewertung von Stimmenthaltungen nach dem LPVG/NW

Wie sind nach dem Personalvertretungsrecht des Landes NRW (LPVG/NW) bei Abstimmungen die Stimmenthaltungen zu werten?

Ein weiterer Kommentar des Manni Engelhardt -Koordinator unseres Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK)- zum LPVG/NW – hier: § 33 in der Fassung vom 05. Juli 2011

Der § 33 LPVG/NW im Wortlaut:

„(1) Die Beschlüsse des Personalrates werden mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. Stimmenthaltungen bleiben bei der Ermittlung der Mehrheit außer Betracht. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.

(2) Der Personalrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist; Stellvertretung durch Ersatzmitglieder ist zulässig.“

Der Landesgesetzgeber von Nordrhein – Westfalen hat sich hier sehr wohl explizite zu der Wertung von Stimmenthaltungen nach dem LPVG/NW ausgesprochen, nämlich mit der Passage im Absatz 1 des § 33 (Satz 2), der da lautet: „Stimmenthaltungen bleiben bei der Ermittlung der Mehrheit außer Betracht.“

Hier hat sich der Landesgesetzgeber nach meinem Dafürhalten an die Abstimmungsmodalitäten sowohl der Landesparlamente als auch des Deutschen Bundestages orientiert.

Zum Beispiel beim Verlangen einer absoluten Mehrheit zählt eine Stimmenthaltung de facto nicht als Gegenstimme zu sämtlichen Alternativen (also sowohl zur Ja- als auch zur Neinstimme)! Hier muss nämlich ein 2/3 – Anteil aller abstimmenden oder sämtlicher –also auch abwesender Gremiums-Mitglieder- für eine Alternative stimmen. Durch eine Stimmenthaltung entscheidet sich ein Gremiums-Mitglied für keine der abzustimmenden Alternativen. Dann verbleibt es jedoch beim Status Quo. Im Gegenteil, zum Beispiel bei der Wahl des Deutschen Bundestagspräsidenten, wirkt eine Stimmenthaltung wie eine Gegenstimme, da mindestens die Hälfte  a l l e r  Bundestagsabgeordneten für einen Kandidaten stimmen muss

(http://www.bundestag.de/service/glossar/A/abs_mehrheit.html) .

Für den Landesgesetzgeber von NRW waren hier nach Auffassung des Unterzeichners, die Stimmenthaltungen als alternativlos, sprich als „Neutrum“ in Bezug auf die Gesamtabstimmungsergebnisse und somit für außer Betracht zu erklären! Eine entsprechene Orientierung mag für diesen auch gewesen sein, wie sich die Modalitäten bei relativen Mehrheiten in den Landes-Parlamenten und beim Deutschen Bundestag stellen. Hier fließen Enthaltungs-Stimmen  als wählbare Alternativen meistenteils nicht in das Ergebnis ein. Es wird beim Auswerten der Stimmabgaben für die einfache Mehrheit im Deutschen Bundestag verlangt, dass es für die Entscheidung auch eine Mehrheit der Stimmen geben muss. Dabei zählen jedoch nur die JA- oder die NEIN-Stimmen.

(http://www.bundestag.de/service/glossar/E/einf_mehr.html).

Ich halte auch aus folgenden Gründen an der Auffassung fest, dass die Frage der Wertung einer Stimmenthaltung nach dem LPVG/NW weder als eine Für- oder Gegenstimme, sondern als „NEUTRUM“ zu werten ist:

  1. Dort wo Stimmenthaltungen nach dem jeweils geltenden Gesetz als demokratisch und zulässig bezeichnet werden, ist die Stimmenthaltung zwar rechtlich möglich, bedeutet jedoch, dass die Person, die vom Stimmrecht der Enthaltung Gebrauch macht, weder für noch gegen einen Antrag zu irgendeiner Maßnahme stimmen möchte.
  2. Die Person, die, die Voraussetzungen unter 1. vorfindet, und von ihrem Stimmrecht der Enthaltung Gebrauch macht, möchte ferner geradezu damit zum Ausdruck bringen, dass sie zu der beabsichtigte Maßnahme keine Meinung hat.
  3. Dies bedeutet fernerhin und vor allen Dingen in der letzten Konsequenz, dass die sich stimmenthaltende Person, die jedoch von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht hat, für diese Ablehnung der Maßnahme oder für deren Annahme, also zur Maßnahme selbst keine Verantwortung übernehmen möchte (Da die Sitzungen des Personalrates nichtöffentlich stattfinden -§ 31 Abs. 2 LPVG/NW-, bleibt diese neutrale Haltung jedoch nur im Kollektiv –Beschlussorgan- zu registrieren und darf nicht nach außen in die Betriebs- bzw. Dienststellenöffentlichkeit getragen werden!).
  4. Die Stimmenthaltung kann somit lediglich nur „Neutralität“ und „Ablehnung aller Alternativen“ ausdrücken. Ob es sich bei Stimmenthaltungen auch um „Protesthaltungen“ handeln kann, lasse ich hier einmal offen stehen; denn keine Meinung zu einem Antrag zu haben, würde zunächst die Forderung nach einer Alternative zum vorliegenden Antrag bedeuten, die, von wem auch immer, zur Diskussion gestellt werden müsste. Sofern keine Alternative zu einer beabsichtigten Maßnahme vorgeschlagen wird, vermag ich in einer Enthaltung keinen Ausdruck einer Protesthaltung erkennen.

Einige Beispiele zu Abstimmungsergebnissen an Hand eines Personalrates nach dem LPVG/NW bestehend aus 9 Mitgliedern:

a)     Die Personalratssitzung wäre hier erst dann beschlussfähig, wenn mindestens 5 von 9 Mitgliedern anwesend sind.

b)    Abstimmungsergebnisse zu Anträgen bei 5 anwesenden Personalratsmitgliedern: 2 Jastimmen, 1 Neinstimme, 2 Enthaltungen: Antrag wäre je nach Fragestellung („Pro“ oder „Contra“) angenommen.

c)     Abstimmungsergebnisse zu Anträgen bei 9 anwesenden Personalratsmitgliedern: 4 Jastimmen, 3 Neinstimmen und 2 Enthaltungen: Antrag wäre je nach Fragestellung („Pro“ oder „Contra“) angenommen.

d)    Abstimmungsergebnisse zu Anträgen bei 9 anwesenden Personalratsmitgliedern: 4 Jastimmen, 4 Neinstimmen und 1 Enthaltung: Antrag wäre je nach Fragestellung („Pro“ oder „Contra“) abgelehnt.

Bei Stimmengleichheit wäre es geradezu fatal, eine Enthaltung als Ja- oder Neinstimme zu werten; denn aus dem Vorhergesagten über die Wertung einer Enthaltung nach dem LPVG/NW heraus, würde das „Neutrum“ bzw. die „Nichtmeinung“ zu einer Meinung umgebogen.

Der Landesgesetzgeber von Nordrhein-Westfalen hast gut daran getan, sowohl de facto als auch de jure diese Klarstellung im Gesetzestext zu § 33 LPVG/NW getroffen zu haben. Da ist kein Zweifel möglich.

Gez. Manni Engelhardt -AK-Koordinator

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