Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unser Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis- (AK-) Mitglied Wolfgang Erbe (http://ak-gewerkschafter.com/?s=wolfgang+erbe) hat uns ein hochinteressantes Info-Potpourri zum Gedenken an die Reichsprogromnacht, die die NAZIS am 09. November 1938 veranstalteten, (http://ak-gewerkschafter.com/?s=reichsprogromnacht) zukommen lassen.
Dieses haben wir nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Kollege Wolfgang Erbe informiert:
Seit 1964 erinnern die Menschen in Gelsenkirchen und die Völker der Welt jedes Jahr am 9. November an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit auch in diesem Jahr + EUROPA menschenverachtend auch während der Progromnacht 2021 – ANTIFASCHISMUS JETZT !
POLNISCHE FRAUEN DEMONSTRIEREN
Flüchtlinge dramatisch von Paramilitärs eingekesselt
Die Situation von Tausenden Flüchtlingen, vor allem aus Afghanistan, Syrien und dem Irak, an der polnisch / belarussischen Grenze wird von Tag zu Tag dramatischer: Eingekesselt von Paramilitärs im Niemandsland zwischen beiden Ländern leiden sie unter Hunger, sind ohne ärztliche Versorgung schutzlos der Kälte im Freien ausgesetzt.
https://www.rf-news.de/2021/kw45/heuchelei-der-eu-und-bundesregierung
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Ähnlich wie die Lage dieser Flüchtlinge an der griechisch-nordmazedonischen Grenze 2015 stellt sich auch die Lage der Flüchtlinge im polnisch-belarussischen Grenzgebiet dar – nur in wesentlich größerem Umfang (foto: Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres – Arbeitsbesuch Mazedonien (CC-BY 2.0))
Warschawjanka Варшавянка
Seit 1964 erinnern die Menschen in Gelsenkirchen jedes Jahr am 9. November an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit auch in diesem Jahr
Auf Schalke TV: S04 lädt ein zur Teilnahme am Schweigemarsch
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Johann Esser
Dichter des Moorsoldatenliedes (1896 – 1971)
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Johann Esser und Elfriede Trinczek heirateten 1942. Foto: NS-Dokumentationsstelle Foto: NS-Dokumentationsstelle der Stadt Moers
Als „Schutzhäftling“ im Emsland-Konzentrationslager Börgermoor dichtete der kommunistische Bergmann Johann Esser aus Rheinhausen (heute Stadt Duisburg) im August 1933 die sechs Strophen des Moorsoldatenliedes, die sein Haftkollege Rudolf („Rudi“) Goguel (1908-1976) aus Düsseldorf vertonte.
Die Moorsoldaten
Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor!
Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten…
Morgens ziehen die Kolonnen in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten…
Heimwärts, heimwärts jeder sehnet
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten…
Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten…
Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann’s nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.
Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!
Quelle: Bruno Bachler, VVN Duisburg.
Bereits während der NS-Zeit wurden die „Moorsoldaten“ auch in anderen Konzentrationslagern als Lied des Widerstands gegen die NS-Diktatur gesungen, bekannt gemacht auch im Ausland durch das bereits 1935 in Zürich erschienene autobiographische Buch „Moorsoldaten – 13 Monate Konzentrationslager“ des damals ebenfalls aus Düsseldorf verhafteten Wolfgang Langhoff (1901-1966). Mit Ernst Busch (1900-1980) wurde das eingängige Lied zu einer Hymne der Republikaner im spanischen Bürgerkrieg, als „Chant du marais“ gelangte es in die französische Résistance. Auch in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das in zahlreiche Sprachen übersetzte Lied ein Fanal gegen Unterdrückung und wurde von vielen Künstlern interpretiert – wie Joan Baez (geboren 1941), Pete Seeger (geboren 1919) oder Hannes Wader (geboren 1942).
Das Lied entstand im August 1933 bei der Vorbereitung eines Unterhaltungsnachmittags, nachdem die SS-Wachmannschaft eine Häftlings-Laienaufführung des „Zirkus Konzentrazani“ genehmigt hatte. Der Düsseldorfer Karl Schabrod (1900-1981), später Autor mehrerer Bücher über den Widerstand, und Wolfgang Langhoff, bereits damals ein bekannter Schauspieler und später Intendant des Deutschen Theaters in Ostberlin, saßen 1933 ebenfalls im KZ Börgermoor ein. Ihr Bericht unter dem Titel „Wir sind die Moorsoldaten“, der die Entstehung des Begriffs der „Moorsoldaten“ erst der Schöpfung dieses Liedes zuschreibt, ist dem Buch „Der rote Großvater erzählt“ entnommen:
„Ja, das war der Johann Esser, ein Bergmann aus Moers […] Der ‚Dichter‘ war ein ruhiger älterer Mann. Ich sagte ihm ‚Könntest du nicht mal so ein Lied dichten, das wir dann alle zusammen im Lager singen können? Verstehst du, das darf natürlich kein Lied sein, das die SS uns verbieten kann. Es müßte auf unser Lager Bezug nehmen und auf unsere Familien zu Hause. Weißt du, so ein Heimatlied, bloß nicht so kitschig […]‘. ‚Ja, so etwas kann ich schon machen‘, sagte der Kamerad bedächtig […] Der Sonntag kam. Wir probierten noch am Vormittag das neue Lied, das unser Bergarbeiter gedichtet hatte, und wozu ein kaufmännischer Angestellter die Melodie machte. Das war Rudi Goguel, auch aus unserer Baracke zehn [… ]Einer sagte: ‚Kameraden, wir singen euch jetzt das Lied vom Börgermoor, unser Lagerlied. Hört gut zu und singt dann den Refrain mit‘. Schwer und dunkel, im Marschrhythmus, begann der Chor […]“.
In der Gestapoakte von Paul Ulrich, eines weiteren Moerser Widerstandskämpfers, findet sich ein Lebenslauf des am 5.4.1896 in Wickrathhahn (heute Stadt Mönchengladbach) geborenen Johann Esser:
„Von meinem 6. bis zu meinem 14. Lebensjahre besuchte ich die kath. Volksschule in Rheydt. Einen Beruf habe ich nicht erlernt, sondern ich ging gleich nach meiner Schulentlassung zur Spinnerei und habe dort als Aufstecker gearbeitet. Im Jahre 1919 verzog ich nach Rheinhausen und habe dort bis zum Jahre 1931 auf der Zeche „Diergardt“ als Bergmann gearbeitet. Da ich mich im Jahre 1931 an dem wilden Streik beteiligt habe, wurde ich noch mit mehreren Bergarbeitern entlassen. Seit dieser Zeit bin ich erwerbslos und beziehe Erwerbslosenunterstützung.
Den Feldzug habe ich beim Pionier-Battl. 24 (Köln) mitgemacht, und zwar an der Ostfront. Im Jahre 1917 wurde ich durch ‚Dum-Dum-Geschosse‘ an beiden Unterschenkeln schwer verwundet. Von 1917 bis November 1918 habe ich im Lazarett gelegen […]. Von 1924 bis zur Machtübername war ich Mitglied der kommunistischen Partei. Außer in der Partei war ich noch Mitglied in der R.H. [Rote Hilfe], der Freischulbewegung und der Freidenkerorganisation. In der K.P.D. hatte ich die Funktion eines Agitators […] des U.B. [Unterbezirks] Duisburg. In der Schulbewegung war ich Elternbeiratsvorsitzender […] Heute bin ich Mitglied der ‚Deutschen Arbeitsfront‘ und des ‚Reichsluftschutzbundes‘. An Spenden und bei Sammlungen der Eintopfgerichte habe ich mich stets beteiligt. Wegen meiner früheren politischen Tätigkeit wurde ich am 1.3.1933 festgenommen und ein Strafverfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat gegen mich eingeleitet. Vom Oberlandesgericht in Hamm wurde ich am 28.7.1934 freigesprochen und daraufhin nach Rheinhausen entlassen.“
Mit seiner Verhaftung am 1.3.1933 gehört Johann Esser zu jenen zahlreichen Arbeiterführern, überwiegend Kommunisten, die bereits seit 1931 vierteljährlich bei der Moerser Kreispolizei aufgelistet wurden und für die mit dem Reichstagsbrand am 27./28.2.1933 die Falle dann nur noch zuschlagen musste. Mit einem Sammeltransport von 38 „Schutzhäftlingen“ aus dem Raum Moers wurde er am 1.8.1933 in das KZ Börgermoor verbracht.
Dabei war die KPD im industrialisierten südlichen Kreis Moers alles andere als minoritär: mit 5.519 Stimmen lag sie bei der letzten freien Reichstagswahl im November 1932 in Rheinhausen an zweiter Stelle hinter der NSDAP (7.276), und damit auch weit vor der SPD (2.222). In den Arbeiterbezirken lag sie überall weit vorn.
Mit der Verschleppung in Lager wie die des Emslandes sollten in den ersten Jahren der NS-Diktatur vor allem politische Kritiker ausgeschaltet werden. Neben ihrer menschlichen Erniedrigung sollten sie bei schwerer körperlicher Arbeit die dortigen Moore kultivieren. Zu den rund 4.000 Häftlingen in Börgermoor oder Esterwegen gehörten auch der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky (1889-1938) und prominente Sozialdemokraten wie Friedrich Ebert junior (1894-1979), Sohn des Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1871-1925, Reichspräsident 1919-1925) und Ernst Heilmann (1881-1940). Später wurden die insgesamt 15 Lager auch als Straf- und Kriegsgefangenenlager genutzt. Schätzungen zufolge kamen von den rund 80.000 Häftlingen und über 100.000 Kriegsgefangenen bis zu 30.000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, um.
Johann Esser, der mit seiner ersten Frau vier Kinder hatte, war nach seiner Entlassung aus den Konzentrationslagern Börgermoor und Oranienburg lange Jahre arbeitslos, was nicht nur ihm zusetzte, sondern auch die Gesundheit seiner jungen Frau ruinierte. 1942 heiratete er eine Leidensgenossin, deren erster Mann bei einer Demonstration erschossen worden war. Zuvor hatte er sich (gab es Drohungen?) ein Stück weit von den Machthabern vereinnahmen lassen, indem er 1940 auch Verse wie die folgenden verfasste (aus dem Gedicht „Wir kapitulieren nicht!“ im Heimatkalender 1941 für den Kreis Moers):
[…] In Polen trieben wir zu Paaren
der Feinde Scharen mit Elan
Der Franzmann hat gar bald erfahren,
daß man mit uns nicht spaßen kann
Was England immer plant und sinnt,
das werden wir parieren.
Ein Volk, das mit dem Führer ringt,
wird niemals kapitulieren.
Wir steh’n bereit für Deutschlands Ehre,
für Führer, Volk und Vaterland.
In Treue hält zum deutschen Heere
die Heimat fest und unverwandt […].
Das Lied der Moorsoldaten macht bis heute seinen Weg über den Erdball. Immer wieder wird es von Unterdrückten und bei Protestaktionen gesungen. Für viele steht es dafür, dass es auch ein anderes Deutschland gab. Immer wieder reizte es Künstler und Musikgruppen zur Interpretation, zuletzt die deutsche Gruppe „Die Toten Hosen“.
In Moers, wo Johann Esser von 1950 bis zu seinem Tod 1971 lebte, oder in Rheinhausen hat der Dichter des Moorsoldatenliedes bislang keinerlei öffentliche Würdigung erfahren; in Moers soll gemäß einem Ratsbeschluss von 1996 eine Straße nach ihm benannt werden.
Wolfgang Erbe