Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unseren Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) hat soeben ein hochinteressantes Info des Kollegen olfgang Erbe (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=wolfgang+erbe) erreicht.
Darin sind Themen zu Religionen und Kommunismus sowie aktuelle Iran-Informationen enthalten.
Wir haben das komplette Info nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Wolfgang Erbe informiert:
Islam und der Zusammenbruch des Zarenreichs
Muslime hatten unter dem russischen Imperialismus schwer gelitten. Die Wut darüber kam nach der Einführung der Wehrpflicht in Mittelasien im Ersten Weltkrieg an die Oberfläche, als im Sommer 1916 bei einem Massenaufstand 2.500 russische Kolonialisten ihr Leben verloren. Dem Aufstand folgte die blutige Unterdrückung: Die Russen metzelten rund 83.000 Menschen nieder. Die Krise des Zarismus radikalisierte deshalb im Jahr 1917 Millionen Muslime, die Religionsfreiheit und Nationalrechte einforderten. Am 1. Mai 1917 fand der Erste Gesamtrussische Kongress der Muslime in Moskau statt. Unter den 1.000 Delegierten befanden sich 200 Frauen. Nach hitzigen Diskussionen stimmte der Kongress für den Achtstundentag, die Abschaffung privaten Grundbesitzes, die Einziehung großer Anwesen ohne Entschädigung, gleiche politische Rechte für Frauen und das Ende von Polygamie und Purdah (das Verbergen von Frauen vor der Öffentlichkeit hinter einem Schleier oder Vorhang). Mit diesem Kongress waren die russischen Muslime weltweit die Ersten, die Frauen von den herkömmlichen Beschränkungen in islamischen Gesellschaften jener Zeit befreiten. [18]
Der Islam war unter dem Zarenreich keineswegs ein monolithischer Glaube. Die Tartaren und Kirgisen zum Beispiel kannten die Tradition der Verschleierung von Frauen nicht. In Mittelasien, wo es den Schleier und die Abschottung von Frauen gab, stammten diese Praktiken häufig aus der Zeit nach der russischen Kolonisierung und waren vor allem unter städtischen Frauen in eher wohlhabenden Familien üblich. [19] Eine intellektuelle Strömung innerhalb des Islams in Mittelasien, die Dschadiden oder „Erneuerer“, sollten für die Revolution von großer Bedeutung werden. Sie versuchten ihr muslimisches Erbe im Licht der russischen Eroberung neu zu interpretieren.
Die Dschadiden formulierten eine harsche Kritik an der mittelasiatischen Gesellschaft der Jahrhundertwende und machten sie verantwortlich für den „Verfall“ und die „Entartung“ ihrer Gemeinde, da sie vom „reinen“ Islam abgewichen sei. Allerdings bedeutete der „reine“ Islam für die Dschadiden eine rationalistische Interpretation der religiösen Schriften, was modernes Wissen, das die Nationen mächtig und reich machte, voraussetzte. Ihre Vordenker waren gleichzeitig fasziniert vom Fortschritt und der Technologie, und sie waren bemüht, ihre Gesellschaft auf den Pfad des Islams zu führen. Diese antifeudalen Mittelschichtintellektuellen wollten Religion aus dem Unterricht entfernen und Frauen eine viel aktivere Rolle in der Gesellschaft zuweisen. [20]
Die Dschadiden orientierten sich deshalb am „fortschrittlichen“ und modernen Westen und lehnten sich gegen die islamische Geistlichkeit auf, die ihrer Auffassung nach die muslimische Gesellschaft zurückhielt. Sie identifizierten sich mit dem russischen Liberalismus und begrüßten folglich 1914 den Krieg gegen den Zarismus. Als jedoch die Leichenberge anwuchsen, wandten sich die Dschadiden von ihrem früheren Ideal ab. Ein weiterer Schlag kam 1918, als Trotzki die Geheimabkommen zu den Plänen des westlichen Imperialismus veröffentlichte, das Osmanische Reich unter sich aufzuteilen.
Inzwischen nannten sich die Dschadiden „Jungbucharier“, in Anlehnung an die Jungtürken, die die türkische Revolution von 1908 angeführt hatten (Buchara war ein Religions- und Kulturzentrum in Mittelasien). Abdurauf Fitrat, der einflussreichste Dschadid jener Zeit, schrieb im Jahr 1919, die Pflicht zur Vertreibung der Engländer aus Indien sei „ebenso groß, wie die Seiten des Korans vor dem Zertrampeln durch ein Tier zu bewahren … eine Aufgabe so groß wie die Vertreibung eines Schweins aus einer Moschee“. Der Bolschewismus wurde zu einer anziehenden Alternative für viele Dschadiden, die „in die vom Sowjetregime aufgebauten neuen Organe der Regierung strömten“. [21] Das Muslimische Kommissariat in Moskau hatte die Oberaufsicht über Russlands Politik gegenüber dem Islam; kaum als Kommunisten beleumundete Muslime erhielten führende Positionen in der Organisation. [22]
Die Dschadiden waren nicht die einzigen Muslime des einstigen Zarenreiches, die sich vom Bolschewismus angezogen fühlten. Es gab breite Diskussionen unter Muslimen über die Ähnlichkeit islamischer Werte mit sozialistischen Prinzipien. Anhänger des „islamischen Sozialismus“ appellierten an Muslime, Sowjets zu bilden. Volkstümliche Parolen lauteten: „Religion, Freiheit und nationale Unabhängigkeit!“ und „Lang lebe die Sowjetmacht, lang lebe die Scharia!“ [23]
Einen Einblick in die Einstellungen jener Zeit gibt Mohammed Barkatullah, zunächst Professor in Japan, dann ab 1919 Berater der afghanischen Monarchie, die sich für den Krieg gegen die Briten rüstete. Barkatullah bereiste weite Teile Mittelasiens (damals als Turkestan bezeichnet) und verbreitete seine Schrift „Bolschewismus und die islamische politische Welt“. Ein Exemplar fiel dem britischen Geheimdienst in Indien in die Hände, der es aus dem Persischen übersetzte. Es lohnt sich, etwas ausführlicher daraus zu zitieren:
Nach der langen dunklen Nacht der zaristischen Selbstherrschaft geht die Morgendämmerung der menschlichen Freiheit am russischen Horizont auf, und Lenin ist die Sonne, die diesen glücklichen Menschheitstagen Licht und Glanz spendet … Die Verwaltung der ausgedehnten Gebiete Russlands und Turkestans ist in die Hände der Arbeiter, Bauern und Soldaten gelegt worden. Unterscheidungen nach Rasse, Religion und Klasse sind aufgehoben … Aber der Feind dieser reinen, einzigartigen Republik ist der britische Imperialismus, der darauf hofft, die asiatischen Nationen im Zustand ewiger Knechtschaft zu halten. Er hat Truppen nach Turkestan verlegt, um den jungen Baum vollkommener menschlicher Freiheit zu fällen, in dem Moment, da er Wurzeln schlägt und kräftig wird. Die Zeit ist für die Mohammedaner der Welt und die asiatischen Nationen gekommen, die hochherzigen Prinzipien des russischen Sozialismus zu verstehen und sie ernsthaft und mit Begeisterung anzunehmen. Es ist ihre Aufgabe, die Kardinaltugenden, wie sie von diesem neuen System gelehrt werden, zu ergründen und zu erfassen, und zur Verteidigung der wahren Freiheit sollten sie sich den bolschewistischen Truppen anschließen, um die Angriffe der Usurpatoren und Despoten, der Briten, zurückzuschlagen. Sie sollten unverzüglich ihre Kinder in russische Schulen schicken, damit sie die modernen Wissenschaften, die edlen Künste, angewandte Physik, Chemie, Mechanik und so weiter erlernen. Oh Muslime! Hört auf diese heilige Verkündung! Antwortet dem Ruf der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, den der Bruder Lenin und die Sowjetregierung an euch richten!“ [24]
Muslime und Sowjets
Religionsfreiheit war für die unterdrückten Völker der ehemaligen russischen Kolonien ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Freiheit. Das Ziel der bolschewistischen Politik bestand darin, so weit wie möglich Wiedergutmachung für die Verbrechen des Zarismus an nationalen Minderheiten und ihren Religionen zu leisten. Dabei ging es nicht nur um eine Frage einfacher Gerechtigkeit und grundlegender Demokratie, sondern auch darum, dass auf diese Weise die Klassenunterschiede unter den Muslimen in den Vordergrund rücken konnten. Nationale Autonomie und Unabhängigkeit von Russland wurden so zu einem entscheidenden Bestandteil sowjetischer Politik. In einer Erklärung der jungen Sowjetregierung „an alle werktätigen Mohammedaner Russlands und des Ostens“ vom 24. November 1917 hieß es:
Iran-Blogs
Sitzstreik beim Zuckerrohrunternehmen Haft Tapeh (in der Nähe der
iranischen Stadt Shahzand
Die Arbeiter des Zuckerrohr-Unternehmens Haft Tapeh sind seit drei Tagen in einen Sitzstreik getreten. Sie fordern ihre seit Monaten ausstehenden Löhne und verlangen, dass die Polizeikräfte vom Firmengelände verschwinden.
Es ist bereits der dritte Tag, dass sich etwa tausend Arbeiter mitsamt ihren Familien zu einem Sitzstreik vor dem Firmengelände niedergelassen haben. Es kam dabei zu einem gefährlichen Zwischenfall. Ein Polizist hat im Laufe des heutigen Tages damit begonnen, einzelne Arbeiter vor ihren Frauen und Kindern zu beleidigen. Als die Arbeiter handgreiflich wurden, rannte er zu seinem Polizeifahrzeug zurück und holte seine Waffe. Kurz darauf schoss er in die Luft. Beherzte Arbeiter nahmen ihm die Waffe ab und brachten ihn unter ihre Kontrolle, bevor Schlimmeres passieren konnte.
Die Streikenden hatten Gespräche mit Firmenvertretern, die alles mögliche versprachen. Doch die Arbeiter erklärten, dass sie so lange weiterstreiken, bis ihre Forderungen erfüllt werden.
Sitzstreik beim Zuckerrohrunternehmen Haft Tapeh (in der Nähe der iranischen Stadt Shahzand)
Die Arbeiter des Zuckerrohr-Unternehmens Haft Tapeh sind seit drei Tagen in einen Sitzstreik getreten. Sie fordern ihre seit Monaten ausstehenden Löhne und verlangen, dass die Polizeikräfte vom Firmengelände verschwinden.
Es ist bereits der dritte Tag, dass sich etwa tausend Arbeiter mitsamt ihren Familien zu einem Sitzstreik vor dem Firmengelände niedergelassen haben. Es kam dabei zu einem gefährlichen Zwischenfall. Ein Polizist hat im Laufe des heutigen Tages damit begonnen, einzelne Arbeiter vor ihren Frauen und Kindern zu beleidigen. Als die Arbeiter handgreiflich wurden, rannte er zu seinem Polizeifahrzeug zurück und holte seine Waffe. Kurz darauf schoss er in die Luft. Beherzte Arbeiter nahmen ihm die Waffe ab und brachten ihn unter ihre Kontrolle, bevor Schlimmeres passieren konnte.
Die Streikenden hatten Gespräche mit Firmenvertretern, die alles mögliche versprachen. Doch die Arbeiter erklärten, dass sie so lange weiterstreiken, bis ihre Forderungen erfüllt werden.