KEINE MITBESTIMMUNG IN PRIVATISIERTEN UNTERNEHMEN BEI VERSETZUNGEN VON BEAMTEN DURCH DIE BETRIEBSRÄTE: ENTSCHEIDUNG DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTES (BVerwG) FÜR DEN BEREICH DER POST AG VOM 25.01.2012 MIT DEM AZ.: 6 P 25/10

EIN KOMMENTAR UNSERES AK-KOORDINATORS MANNI ENGELHARDT:

Die Privatisierung hat sich sowohl für die Kunden der betroffenen, ehemaligen öffentlichen Dienste als auch für deren Beschäftigte mehr als Fluch, denn als Segen erwiesen, wie wir mehrfach schon dargelegt haben.

Ein wichtiger Aspekt, der oftmals nicht gesehen wurde oder gesehen wird, und den wir auch noch nicht belichtet haben, ist die Entscheidung der Unternehmensleitung in Bezug auf die mit übernommenen Beamten, die als sogenannte „Auslaufmodelle“ in die nunmehr sogenannten Unternehmen der freien Wirtschaft mehr schlecht als recht integriert werden mussten, da dies in den entsprechenden Übernahmeverträgen enthalten war.

Der vorliegende Fall hat sich im Bereich der Deutschen Post AG ereignet, die die Nachfolgerin der Deutschen Bundespost ist.

Die Beschäftigten der damaligen Deutschen Bundespost unterfielen im Bereich des kollektiven Arbeitsrechtes dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Seit der Übernahme der Beschäftigten bzw. der Postbeamten in die Deutsche Post AG aktivierten sich die Regelungen des Postpersonalrechtsgesetzes, dass die Wirksamkeit des Betriebsverfassungsgesetzes als kollektives Arbeitsrecht nunmehr für die Beamten vorschreibt.

Dies bedeutet, dass der Betriebsrat bei Fragen der Mitbestimmung im Bereich der Beamten, zu denen auch die Versetzung zählt, die Beteiligungsrechte nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz wahrnimmt.

Diese Tatsache für sich genommen, öffnet dann im Streitfall zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber den Weg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, was einzigartig ist; denn die Streitfälle zwischen Arbeitgebervertreter und Arbeitnehmervertreter in der freien Wirtschaft, die sich aus dem kollektiven Arbeitsrecht (Betriebsverfassungsgesetz) ergeben, werden im Normalfall vor den Arbeitsgerichten verhandelt.

Im vorliegenden Fall ging es konkret um die Schließung der Service-Niederlassung Immobilien der Deutschen Post AG. Beamte, die dort beschäftigt waren, wurden in andere Betriebsteile des Unternehmens versetzt, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, was ich nicht als Einzelfall in der heutigen Zeit bezeichnen möchte.

Die verständige Unternehmensleitung wäre gut beraten gewesen, den Betriebsrat im Vorfeld der Beabsichtigung dieser Maßnahme einzubinden, was mit Sicherheit auch die Akzeptanz der Maßnahme bei den betroffenen Beamten erhöht hätte.

So blieb dem Betriebsrat nur der Gang in das personalrechtliche Beschlussverfahren beim Verwaltungsgericht Saarlouis, was die Feststellungsklage am 22.03.2007 (Az.: 8 K 3/05.PVB) zurückwies, so dass der Betriebsrat sich an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarland im Berufungsverfahren wandte, das jedoch ebenfalls mit Beschluss vom 27.10.2010 (Az.: 4 A 146/10) den Antrag zurückwies. Im wesentlichen wurde die Zurückweisung damit begründet, dass eine Mitbestimmung bei Versetzungen im abgebenden Betrieb komme nach ihrem Sinn und Zweck im Falle einer Betriebsstilllegung nicht mehr zum Tragen.

Diese Entscheidung, die mir vollkommen unverständlich ist, weil diejenigen damit Recht bekommen, die die negativen Fakten schaffen, und sie dann als sogenannte „normative Kraft des Faktischen“ dem Betriebsrat als „Kastrations-Instrument“ servieren können. Das der betroffene Betriebsrat sich mit dieser Entscheidung an das BVerwG wandte, ist mir deshalb nur all zu verständlich. Leider bewahrheitete sich aber hier wieder der Volksmund-Spruch, „auf hoher See und bei der Justiz bist Du in Gottes Hand“; denn das BVerwG folgte der Auffassung des OVG-Saarland, und setzte nach diesseitigem Dafürhalten noch einen drauf, in dem es, wie es der Pressemitteilung zu entnehmen ist, weiter begründete:

„Die Mitbestimmung bei Versetzungen im abgebenden Betrieb dient vorrangig den Interessen der Belegschaft. Diese soll vor Arbeitsverdichtung, die mit der Versetzung verbunden sein können, und vor sachwidriger Auswahl der zu versetzenden Beschäftigten geschützt werden. Diese kollektiven Interessen entfallen bei einer Betriebsstilllegung, weil damit zugleich die Betriebsgemeinschaft ihre Existenz verliert und alle Beschäftigten versetzt werden müssen. Die Individualinteressen des von der Versetzung jeweils betroffenen Beamten, insbesondere sein Recht auf amtsangemessene Weiterbeschäftigung werden durch die Mitbestimmung beim Sozialplan wahrgenommen. Letztere fiel hier in die Zuständigkeit des im Unternehmen gebildeten Gesamtbetriebsrats, wie bereits anderweitig gerichtlich geklärt war. Dagegen würde die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates in einem etwaigen Mitbestimmungsverfahren bei Versetzung zu keinem konstruktiven Ergebnis führen, weil eine Weiterbeschäftigung im alten Betrieb wegen dessen Stilllegung ausscheidet.“

Das ist sehr starker Tobak; denn hier unterstellt das BVerwG, dass es bei einer Beteiligung des Betriebsrates mit Sicherheit zu einem ablehnenden Beschluss gekommen wäre. Diese imaginäre Projektion unterstellt, dass der Betriebsrat bei der Beteiligung nicht sowohl die Interessen des Unternehmens als auch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer gleichsam Beachtung geschenkt hätte, sondern rund weg die beabsichtigte Maßnahme abgelehnt hätte. Da hat das BVerwG unterstellt, dass der Betriebsrat keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber führen möchte. Selbst unterstellt, dies wäre der Fall gewesen, hätte der Arbeitgeber den Betriebsrat „vernünftig“ beteiligt, hätte immer noch nach § 67 Betriebsverfassungsgesetz die Einigungsstelle angerufen werden können. Die Entscheidung des BVerwG ist mir deshalb vollkommen unverständlich! Aber als Mensch der ununterbrochen in 33-jähriger ehrenamtlicher Funktion als Personalratsvorsitzender tätig war, muss ich ja auch nicht ALLES im Bereich der bundesdeutschen Rechtsprechung verstehen?

(Quelle: Pressemitteilung Nr.: 04/2012 des BVerwG vom 25.01.2012)

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