Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) der 45. ordentliche NEWSLETTER des Kollegen Harald Thomé (http://ak-gewerkschafter.com/?s=harald+thom%C3%A9) erreicht.
(Foto: Regine Blazevic)
Wir haben diesen NEWSLETTER zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung auf unsere Homepage gepostet und in den Kategorien „HARTZ IV“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/sozialpolitik/) archiviert.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Thomé Newsletter 45/2022 vom 13.11.2022
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:
1. Zum Bürgergeld und der angekündigten Blockade durch die Union
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Am 10. Nov. 2022 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürgergeld-Gesetz verabschiedet. Darin sind einige wichtige Änderungen enthalten, siehe Nr. 2 dieses Newsletters.
Am 14. Nov. 2022 wird der Bundesrat sich mit dem Bürgergeldgesetz befassen, die CSU und CDU drohen dort mit einer Blockade. Sollte das Bürgergeldgesetz durch die Union im Bundesrat blockiert werden, muss das Gesetz in den Vermittlungsausschuss. Ziel der Union ist über eine parteipolitisch motivierte Blockade im Bundesrat, das Bürgergeldgesetz im Vermittlungsausschuss zu verändern.
Mit dem Bürgergeldgesetz gekoppelt ist die Regelleistungserhöhung von 449 € auf 502 €. Wird das Bürgergeldgesetz von der Union weiter blockiert, wird es zum 1. Januar 2023 keine dergestalt höheren Regelleistungen für Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden geben. Diese Menschen werden von der CDU/CSU im Bundestag in Geiselhaft genommen. Die gezielte Unterdeckung der Existenz von Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden mitten in der größten Krise der Bundesrepublik ist dann das Ergebnis der Blockade der Union.
Dazu ist anzumerken: Kommt es Anfang Januar 2023 durch die machtpolitischen Spielchen der CDU und CSU nicht zu der anvisierten Erhöhung der Regelleistungen, sind die Regelleistungen spätestens dann offen verfassungswidrig zu niedrig.
Für diesen Fall würde Tacheles in Kooperation mit weiteren sozialpolitischen Akteur*innen eine breit angelegte juristische Kampagne zum Einklagen höherer Regelleistungen starten. Auf dem Deutschen Sozialgerichtstages im November wurde von den Sozialrichtern signalisiert, dass sie geneigt sind, im Falle einer fortgesetzten Unterdeckung durch die Regelleistungen in Zukunft Klagen auf höhere Regelleistungen stattzugeben.
Sollte eine solche Kampagne notwendig sein, ist es durchaus vorstellbar, dass dann die Gerichte angesichts der Preisentwicklung höheren Regelleistungen als 502 € für alleinstehende Menschen zustimmen.
Weiter ist anzumerken: Im geplanten Bürgergeldgesetz sind viele sinnvolle Regelungen enthalten, aber es ist immer noch Armut per Gesetz, solange die Regelleistungen nicht deutlich angehoben werden. Der Paritätische hat jetzt erarbeitet, dass zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ein Regelsatz von 725 € notwendig ist (siehe Punkt 4). Ebenso muss die Haushaltsenergie aus den Regelleistungen rausgenommen werden und alle Sanktionen sind aufzugeben. Solange diese Kernpunkte nicht erfüllt sind, bleibt das sog. „Bürgergeld“ weiterhin ein Bürgerhartzgeld.
2. Zusammenfassung der derzeitigen geplanten Änderungen im Bürgergeldgesetz
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Frank Jäger von Tacheles hat sich hingesetzt, die wesentlichen geplanten Änderungen des SGB II und SGB XII aus dem Gesetzesentwurf vom 4. Nov. gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.10.2022 zusammenzustellen und transparent zu machen. Diese interessante Stellungnahme gibt es hier: https://t1p.de/gy39b
Bemerkung dazu: Bei vielen kleineren Änderungen wird deutlich, dass z.T. jahrelanges Fordern, Skandalisieren und Nerven von Tacheles bei allen sich bietenden Gelegenheiten durchaus Gehör findet.
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3. Energiekostenkampagne: Stand und Aufforderung zum Mitmachen
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Wir haben letzte Woche die bundesweite Aufklärungs- und Unterstützungskampagne für Betroffene hoher Energiekosten gestartet. Im Zentrum der Kampagne steht die Webseite www.energie-hilfe.org , die Betroffene hoher Energiekosten umfangreich über ihre sozialrechtlichen Ansprüche informiert und Musteranträge zur Verfügung stellt.
Diese Energiekostenkampagne ist eine Mitmachkampagne.
Das meint:
- Ihr/Sie könnt und sollt bei dieser mitmachen. Das kann getan werden, indem Eure/Ihre Organisation oder Verband die Kampagne offiziell unterstützt. Die bisherigen Unterstützenden gibt es hier: https://t1p.de/49l5s Da ist noch Luft nach oben.
- dass Ihr/Sie über diese Kampagnen in Euren/Ihren Strukturen und Organisationen werben könnt. Wenn viele darüber informieren, gewinnt sie Tiefe.
Die Kampagne baut darauf auf, dass Infomaterial in Beratungsstellen, Stadtteilzentren, Gewerkschaftsbüros, Jugendzentren, Kindergärten, Kneipen, Kinos, Unis, Stadtbibliotheken ausgelegt und aufgehängt werden soll. Diese Materialien versenden wir kostenfrei. - Daher liebe Leute: Material ist noch genug da, bestellt und verteilt, hier geht es direkt zur Seite mit den Materialien und zur Bestellung: https://www.energie-hilfe.org/infomaterial.html
4. Regelleistungshöhe: Paritätischer fordert armutsfesten Regelsatz von 725 Euro
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Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten „Bürgergeldes“ berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.
Das Material des Paritätischen zum armutsfesten Regelsatz von 725 € und die Expertise der Forschungsstelle gibt es hier: https://t1p.de/4s2b2
5. Flüchtlingsrat Berlin und Pro Asyl legen umfassende Analyse zum AsylbLG vor und fordern die Einbeziehung von Flüchtlingen in das Bürgergeldgesetz
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Pro Asyl legt gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Berlin anlässlich der Verabschiedung des Bürgergeldgesetzes die umfassende Analyse „Das Asylbewerberleistungsgesetz – Einschränkungen des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum für Geflüchtete. Bedarfsdeckung und Regelsätze nach Asylbewerberleistungsgesetz, Hartz IV und Bürgergeldgesetz“ vor. Darin werden im Detail Historie und Zielsetzung des Gesetzes sowie die Methodik zur Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze (künftig „Bürgergeld“ genannt) und der Leistungssätze des AsylbLG untersucht. Besonders problematisch tritt dabei das angeblich geringere Existenzminimum geflüchteter Menschen nach dem AsylbLG zutage. Bei der scheinbar objektiven empirischen „Bedarfsermittlung“ zeigen sich gravierende Mängel. Sehr viele Bedarfe von Asylsuchenden lässt der Gesetzgeber ohne nachvollziehbare Begründung einfach unter den Tisch fallen. Die Analyse gibt es hier: https://t1p.de/whtmb
Gleichzeitig wird die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld gefordert, Infos dazu: https://t1p.de/x006v
6. Bundestag stimmt für Erhöhung des Wohngeldes
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Der Bundestag hat am 10. Nov. 2022, das Wohngeld-Plus-Gesetz beschlossen. Ein dazu von den Koalitionsfraktionen eingebrachter Gesetzentwurf „zur Erhöhung des Wohngeldes“ (20/3936) wurde in einer vom Ausschuss geänderten Fassung mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ab dem 1. Januar 2023 sollen Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützt werden. Um die durch steigende Energiekosten und energieeffiziente Sanierungen entstehenden höheren Wohnkosten besser abzufedern, soll die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes drei Komponenten enthalten: erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll, zweitens die Einführung einer Klimakomponente und drittens eine Anpassung der Wohngeldformel.
Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten, bisher sind es rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 € pro Monat auf rund 370 € pro Monat erhöhen.
Mehr Infos Bundestag: https://t1p.de/6bmfn
Anmerkung zu den Änderungen im Wohngeldgesetz:
- Grundsätzlich ist diese Änderung sinnvoll. Materiell wird es bedeuten, dass eine Reihe von Aufstocker*innen aus dem SGB II/SGB XII ins Wohngeld wechseln werden.
- Es wird aber auch bedeuten, dass auf die Wohngeldbehörden Millionen von Anträgen zukommen werden. Für diese sind sie personell Null aufgestellt. Die Wohngeldämter sind sogar mit dem jetzigen Aufkommen bis zum Rande belastet. Bearbeitungszeiten von 3 – 6 Monaten sind jetzt schon keine Seltenheit. Im nächsten Jahr ist mit deutlich längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen, denn mit der Personalsituation werden nicht rd. 1,4 Mio. Neuanträge zeitnah bearbeitet werden können. Hier muss dringend die Arbeitsfähigkeit der Wohngeldämter sichergestellt werden.
- Es ist zu erwarten, dass Jobcenter/Sozialämter mit Verweis auf die Vorrangigkeit von Wohngeld laufende SGB II/SGB XII – Leistungen versagen oder überhaupt nicht gewähren. Hier wird nächstes Jahr mit Sicherheit eine größere Konfliktlinie entstehen. Sozialrechtlich ist es völlig klar: solange keine WoGG-Leistungen ausgezahlt werden, ist kein Einkommen vorhanden, welches dem SGB II/SGB XII – Leistungsanspruch entgegengestellt werden kann. Hier hat von der BA und dem BMAS durch Weisung klargestellt zu werden, dass, solange Wohngeld nicht fließt, dies dem Leistungsanspruch in der Grundsicherung nicht entgegengestellt werden darf.
- Muss durch Weisung klargestellt werden, dass trotz WoGG-Anspruch und Zahlung durch eine Betriebs- und Heizkostenforderung oder durch Bevorratungskosten von Heizmaterialien eine temporäre Hilfebedürftigkeit in den Grundsicherungssytemen entstehen kann.
7. Kindergelderhöhung auf 250 € / Anrechnungsfreiheit der Erhöhung
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Die Bundesregierung hat für die ersten drei Kinder das Kindergeld auf jeweils 250 € erhöht. Die Erhöhung soll zum 1. Januar 2023 erfolgen. Für das erste und zweite Kind bedeutet das eine Erhöhung um 31 € Euro monatlich, für das dritte Kind um 25 € monatlich. Infos dazu: https://t1p.de/qy4y7