Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachstehend, wie wir bereits als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) angekündigt hatten (http://ak-gewerkschafter.com/?s=etschenberg), die Berufungsklageschrift an LSG-NRW gegen das Sozialgerichtsurteil mit dem Az.: S 20 SO 98/13 zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme.
Für den AK Manni Engelhardt –Koordinator-
Manfred Engelhardt, Freunder Landstr. 100, 52078 Aachen
Internet: www.ak-gewerkschafter.de/ E-Mail: manni@manfredengelhardt.de
28. Oktober 2913
-Einschreiben und Rückschein-
An das Landessozialgericht von NRW
Zweigertstraße 54
45130 Essen
Berufung gegen das Sozialgerichtsurteil des Sozialgerichtes Aachen vom 01.10.2013 (zugestellt am 05.10.2013) mit dem Aktenzeichen S 20 SO 98/13
In Sachen
Yyyyyy Xxxxxx, wohnhaft……………………. Aachen
– K l ä g e r i n – & – B e r u f u n g s k l ä g e r i n –
Prozessbevollmächtigter: Manfred Engelhardt, Freunder Landstr. 100, 52078 Aachen
g e g e n
StädteRegion Aachen, vertreten durch den StädteRegionsrat – Amt A 50.2 – Rücknahmen, Widersprüche/Klagen, Zollernstraße 10, 52070 Aachen
– B e k l a g t e- & – B e r u n g s b e k l a g t e –
lege ich hiermit (Vollmacht anbei) vertreten für die Klägerin gegen das v. g. Urteil des Sozialgerichtes Aachen (Az.: S 20 SO 98/13) form- und fristgerecht Berufung ein.
B e g r ü n d u n g : 1.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes Aachen wird die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid sehr wohl beschwert. Inwieweit die Beklagte nach eigenem Ermessen gemäß § 54 Abs. 2 SGG hier gehandelt
hat, bzw. handeln konnte, ist aus diesseitiger Sicht nicht hinreichend belichtet worden. Objektiv steht fest, dass der Klägerin lediglich ein Vermögensschonbetrag von 2.600, — Euro verbleiben, womit eine menschenwürdige Bestattung nicht durchzuführen ist. Das Sozialgericht hat hier ganz lapidar auf den § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 der Durchführungsverordnung verwiesen, ohne sich tiefergehend mit der Frage einer vorliegenden Ausnahme gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII auseinanderzusetzen. Diesbezüglich hätte die Rechtsprechung herangezogen werden müssen, die hierzu bereits ergangen ist und somit präjudiziellen Charakter hat, wie z. B. BayObLGZ 1995, 307/310; BayObLG BtPrax 1998, 31/32 und OLG Oldenburg FamRZ 1996, 953/955.
2.
Die Festschreibung des Betrages von 2.600, — Euro als sogenanntes Schonvermögen ist ein politisches Resultat und hat seit 1. Januar 2005 Bestand. Seit 9 Jahren ist hier ungeachtet der Entwicklung des Preisindexes eine Stagnation festzustellen, die die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht als situiert bezeichnet werden können und zu denen die hochdemente und höchst pflegebedürftige Klägerin zählt, diskriminiert.
Für die Klägerin ist mit einem Vermögensschonbetrag in Höhe von 2.600, — Euro keine menschenwürdige Bestattung möglich. Gemäß Artikel 1 GG hat die Klägerin aber einen Anspruch auf eine menschenwürdige Bestattung, die heutzutage unbestrittener Maßen zwischen 4.000, — Euro und 6.000, — Euro kostet.
Das diesbezüglich substantiierte Vorbringen der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren hat das Sozialgericht in Aachen mit zwei Sätzen auf der letzten Seite seiner Urteilsbegründung wie folgt vom Tisch gewischt:
„Für die Bestattungsvorsorge kann darüberhinausgehend Schonvermögen gebildet werden, soweit dessen Zweckbestimmung eindeutig ist. Die hierzu von der Rechtsprechung vorgestellten Grundsätze hält die Kammer für sachdienlich und zweckmäßig und keinesfalls verfassungswidrig.“
Auf das diesseitige Vorbringen, dass hier offensichtlich eine sozialpolitische Schieflage besteht, weil nur diejenigen, die im Vollbesitze ihrer geistigen Kräfte und mit dem notwendigen Kapital versehen sind, Bestattungsvorsorgeverträge abschließen können und andere, z. B. Menschen die sozialhilfebedürftig sind, wie es bei der Klägerin der Fall ist, bei objektiver Betrachtung dies nicht können, ist das Sozialgericht in keiner Weise eingegangen.
Aber nicht nur Artikel 1 Abs. 1 GG ist hier tangiert, sondern auch Artikel 3 Abs. 1 GG scheint aus diesseitiger Sicht berührt. Vor dem Gesetz sollten ja alle Menschen gleich sein. Dadurch aber, dass einige „Gleichere“ in den Genuss eines Bestattungsvorsorgevertrages kommen können und andere, nämlich die finanziell unterbemittelten Mitmenschen nicht, ist auch das Grundrecht nach Artikel 3 Abs. 1 GG verletzt.
Nach Artikel 1 Abs. 3 GG ist die zwingende Rechtsbindung für die Gesetzgebung, für die vollziehenden Gewalt und für die Rechtsprechung vorgeschrieben.
Das Sozialgericht hat sich hieran aber in keiner Weise gehalten. Obgleich der Prozessvertreter der Beklagten im Verlaufe der mündlichen Verhandlung sich mit den Ausführungen des Klägerinnenvertreters bezüglich dieses Vorhaltes in Bezug auf die 2.600, — Euro Schonvermögen einsichtig zeigte, ignorierte das Sozialgericht diesen Vorhalt.
Auch wenn hier der Gesetzgeber in erster Linie gefordert ist, die Grenze des Schonvermögensbetrages nach Oben anzuheben, um auch den Sozialhilfeempfängern die Möglichkeit einer menschenwürdigen Bestattung zu verschaffen, wäre auch das Sozialgericht verpflichtet gewesen, sich zumindest mit diesem Vorbringen zu befassen, zumal der Klägerinnenvertreter sowohl im schriftzätzlichen als auch im mündlichen Vortag bei laufender Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass er über das LSG – NRW bis zum BSG durch zu klagen gedenkt, um letztendlich eine klärende Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen zu können.
Soweit das Sozialgericht in dem berufungsbefangenen Urteil auf Seiten 5 und folgende Seiten der Urteilsbegründung ausführt,
dass die auf dem Girokontovermögen oberhalb der 2.600, — Euro bezahlten Heimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe nicht zu erstatten seien, da ein rechtlicher Anspruch fehle, verkennt es damit die Intention dieser sozialgerichtlichen Klage.
Gerade dadurch, dass die Klägerin weder finanziell noch geistig in der Lage war, rechtzeitig und umfassend einen sogenannten Bestattungsvorsorgevertrag abzuschließen oder eine sonstige verbindliche Festlegung eines höheren Schonvermögens zwecks menschenwürdiger Bestattung zu treffen, wird sie, und dies sei wiederholt vorgetragen, diskriminiert und gegenüber anderen, die dazu in der Lage waren und sind, ungleich gestellt.
Den Schonbetrag in Höhe von 2.600, — Euro muss die Klägerin nunmehr für ihre menschenwürdige Bestattung angespart halten. Dies bedeutet, dass dieser Betrag nunmehr aufgrund der eingetretenen normativen Kraft des Faktischen nicht mehr ohne Zweckbindung nach dem freien Willen der Klägerin eingesetzt bzw. verausgabt werden kann.
3.
Diesseits wird darauf hingewiesen, dass weiteres Begründungsvorbringen zu dieser Berufungsklage ausdrücklich vorbehalten bleibt und gegebenenfalls kurzfristig erfolgen wird.
Aus allen v. g. Gründen ist der Berufungsklage stattzugeben.
Für die Klägerin und Berufungsklägerin
i.A. (gez. Manfred Engelhardt)
Anlage: Vollmacht
Doppel für Beklagten bzw. Berufungsbeklagen anbei.