Mustervorlage für eine Verfassungsbeschwerde gegen das aktuelle Rechtsverschärfungsgesetz ist für Euch online!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) hat uns die Hartz IV – Mustervorlage für eine Verfassungsbeschwerde gegen aktuelle Rechtsverschärfungen durch den Kollegen Fred Maintz (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=fred+maintz) erreicht.

Sehr gerne haben wir diese Mustervorlage zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme und Bedienung nachstehend auf unsere Homepage und in die Kategorien „HARTZ IV“ (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/hartz-iv/) und „SOZIALPOLITIK“ (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/sozialpolitik/) gepostet.

https://cicionline.files.wordpress.com/2008/06/hartz-iv-karikatur021.jpg?w=496&h=351

(Bild aus: http://hartzkritik.bplaced.net/Topic/2015/01/07/essen-zwielichtige-infoveranstaltung-fuer-alg-i-bezieher/)

Für den AK Manni Engelhardt –Koordinator-

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anbei eine von der sehr engagierten Mitstreiterin Susan Bonath (vielen
Dank dafür!) erarbeitete Mustervorlage für eine Verfassungsbeschwerde gegen
die neuen, ab 01.08. in Kraft tretenden Rechtsverschärfungen gegen
Hartz4-Betroffene!

Weitere Ergänzungen sind immer gerne gesehen.

Fred Maintz

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Liebe Freunde,

wer immer vom SGB II (Hartz IV) betroffen ist, kann, sobald das kürzlich
beschlossene Gesetz in Kraft tritt (1. August ist angepeilt) eine
Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Dazu muss
er nachweisen, dass er persönlich betroffen ist (ALG-II-Bescheid). Ich habe
hier eine allgemein gehaltene Fassung für eine Beschwerde aufgeschrieben,
die jeder benutzen kann.

Wichtig wäre es aber, eine kurze persönliche Erklärung über die eigene
Betroffenheit extra zu verfassen und als Anhang beizufügen. Viele werden
sagen, dies bringe ja doch nichts. Ich sehe das natürlich auch mit
gemischten Gefühlen, denn das BVerfG kann auch ablehnen. Dies hat es in der
Vergangenheit schon getan. Vielfache Begründung war: Es sei die einzige
Beschwerde gewesen und somit bestehe kein öffentliches Interesse. Darum
sollten, wenn, dann viele Betroffene Beschwerde einlegen, möglichst in den
vier Wochen nach Inkrafttreten. Enttäuscht mich nicht, Freunde, denn ich
wollte nicht umsonst daran gearbeitet haben. *:)*

Hier gehts zur PDF-Datei zum Ausdrucken:

https://disiev.files.wordpress.com/…/verfassungsbeschwerde-…
<https://disiev.files.wordpress.com/2016/07/verfassungsbeschwerde-grundlage11.pdf>

Los geht´s mit dem Text:
__________________________________________________________________

Absender, Datum

Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe

Verfassungsbeschwerde

gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB
II) – Rechtsvereinfachungen

Tag des Inkrafttretens des Gesetzes:
…………………………………….

Angezeigt im Bundesanzeiger am: ……………………………………….

Das oben genannte, am 23. Juni 2016 vom Bundestag und am 8. Juli 2016 vom
Bundesrat verabschiedete Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten
Sozialgesetzbuches (SGB II) – Rechtsvereinfachungen beeinträchtigt mich
massiv in der Ausübung folgender verfassungsmäßig verankerter Grundrechte:

1. Recht auf unantastbare Menschenwürde in Verbindung mit dem
Sozialstaatsgebot und einer daraus resultierenden unbedingten Möglichkeit
zur Sicherung der eigenen Existenz sowie der Existenz Angehöriger
(Grundgesetz, Artikel 1 in Verbindung mit Grundgesetz, Artikel 20)

2. Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit; Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit (Grundgesetz, Artikel 2)

3. Recht auf Gleichstellung – Diskriminierungsverbot (Grundgesetz, Artikel
3)

4. Recht auf Schutz der Familie durch die Gemeinschaft (Grundgesetz,
Artikel 6)

5. Recht auf Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet (Grundgesetz, Artikel
11)

6. Recht auf freie Wahl des Berufes, Arbeits- und Ausbildungsplatzes –
Verbot der Zwangsarbeit (Grundgesetz, Artikel 12)

7. Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Grundgesetz, Artikel 13)

8. Verbot der entschädigungslosen Enteignung (Grundgesetz, Artikel 14)

9. Verbot der Antastens eines Grundrechts in seinem Wesensgehalt; offener
Rechtsweg für jedermann (Grundgesetz, Artikel 19)

Aus diesem Grunde lege ich fristgemäß Verfassungsbeschwerde beim
Bundesverfassungsgericht ein.

Begründung

1. Das beanstandete Gesetz basiert auf Regelsätzen, die auf veralteter
Bemessungsgrundlage beruhen. Das widerspricht den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09;
Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12) und sichert nicht meine
physische und soziokulturelle Existenz. Das verstößt insbesondere gegen GG
Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20. Damit ist das Gesetz nach meiner
Ansicht verfassungswidrig.

Erläuterung:

Seit mindestens September 2015 liegt der Bundesregierung die aktuellste
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes
von 2013 vor. Die Regelsätze wurden jedoch bisher nicht nach dieser
berechnet. Im beanstandeten Gesetz wurde ebenso keine Neuberechnung der
Regelsätze nach dieser EVS vorgenommen. Das Gesetz beinhaltet somit
veraltete Regelsätze, denen keine aktuelle Bemessungsgrundlage der
existenzsichernden Bedarfe zu Grunde liegt.

Der Gesetzgeber weist daher nicht nach, dass mein physischer und
soziokultureller Existenzbedarf noch gesichert ist.

Indem der Gesetzgeber die Regelsätze nicht zeitnah anhand der EVS von 2013
neu berechnet hat, widerspricht er den Vorgaben des BVerfG.

Vergleiche Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09)

RZ 27: „Die Höhe der Regelleistung wird außerdem überprüft und
weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe vorliegen (§ 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II i. V. m. § 28
Abs. 3 Satz 5 SGB XII).“

RZ 28: Das SGB II stelle klar, dass „die Leistungen nach §§ 20 ff SGB II
„den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen“ decken und „eine davon
abweichende Festlegung der Bedarfe“ und „weitergehende Leistungen
ausgeschlossen“ sind“. (…) „Damit gibt es im Sozialgesetzbuch zweites
Buch keine dem § 28 Absatz 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Regelung mehr,
wie sie schon im Sozialhilfegesetz bestand (…).“ (Vergleiche auch RZ 59.)

Vergleiche Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12)

RZ 143: „Der Gesetzgeber hat jedoch, soweit erhebliche Zweifel an der
tatsächlichen Deckung existentieller Bedarfe bestehen, bei der
Neuermittlung der Regelbedarfe auf der Grundlage der EVS 2013, die noch
nicht abschließend ausgewertet ist, sicherzustellen, dass die Höhe des
Pauschalbetrags für den Regelbedarf tragfähig bemessen wird. Es liegt in
seinem Gestaltungsspielraum, erforderlichenfalls geeignete Nacherhebungen
vorzunehmen, Leistungen auf der Grundlage eines eigenen Indexes zu erhöhen
oder Unterdeckungen in sonstiger Weise aufzufangen.“

RZ 144: „Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz
zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung
der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für
regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren.
So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden
(…). Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt
auftretende extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der
Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der
Regelbedarfsstufen warten.“

Preise für Haushaltsstrom maßgeblich unterdeckt:

Dass der Regelsatz nicht meine notwendigen Kosten für
Energie/Haushaltsstrom deckt, geht alleine aus der gravierenden Diskrepanz
zwischen der Entwicklung der Stromkosten und der Entwicklung des im
Regelsatz für „Energie/Wohnungsinstandhaltung“ enthaltenden Betrages hervor.

Im Regelsatz sind 8,36 Prozent als Betrag für Haushaltsenergie UND
Wohnungsinstandhaltung vorgesehen. Das sind aktuell für einen
Alleinstehenden 33,77 Euro. Wie viel von diesem Betrag für Haushaltsstrom
und wie viel für Wohninstandhaltung veranschlagt ist, lässt der Gesetzgeber
offen. Zumindest besagt diese Zusammenfassung, dass nicht die gesamten
33,77 Euro für Haushaltsstrom verbraucht werden dürfen, um notwendige
Wohnungsreparaturen überhaupt ausführen zu können. Der Gesetzgeber lässt
das offen und lässt eine ordnungsgemäße Berechnung des tatsächlichen
Bedarfs für Energie weg. Alleine deshalb ist die Berechnung der
Regelbedarfe verfassungswidrig.

Von 2005 bis 2015 stiegen die einem Alleinstehenden vom Gesetzgeber
gewährten Kosten für Haushaltsstrom/Wohnungsinstandhaltung von 28,84 (8,36
Prozent von 345 Euro) auf 33,36 Euro (8,36 Prozent von 399 Euro). Das ist
ein Anstieg um 15,6 Prozent.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vom 4.12.2015 (DRS 18/6936 – Stromkosten einkommensarmer Haushalte) gibt
die Bundesregierung Zahlen zur Entwicklung der durchschnittlichen
Strompreise in der BRD bekannt. Danach stiegen die Kosten von
durchschnittlich 18,93 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2006 auf 29,11 Cent
pro Kilowattstunde im Jahr 2015. Damit sind die Kosten für Haushaltsstrom
durchschnittlich um 53,78 Prozent gestiegen. Im Vergleich zur Anhebung der
im Regelsatz enthaltenden Beträge für Haushaltsenergie/
Wohnungsinstandhaltung ergibt sich eine Differenz von 38,18 Prozent.

Da die tatsächlich gewährten Stromkosten erstens nicht genau beziffert sind
und zweitens von 2005 bis 2015 um nur 15,6 Prozent stiegen, während die
tatsächlichen Stromkosten um 53,78 Prozent angehoben wurden, decken die im
Regelsatz enthaltenden Stromkosten keinesfalls meine tatsächlichen
Ausgaben. Damit bin ich betroffenen von einer wachsenden Energiearmut. Um
die Stromkosten zu bezahlen und so eine Stromsperre abzuwenden, bin ich
zunehmend gezwungen, andere Positionen im Regelsatz für den Haushaltsstrom
aufzuwenden. Das führt zu einer Unterdeckung dieser Bedarfe. Damit bin ich
in meiner Existenz bedroht. Dies widerspricht der Menschenwürde in
Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot.

Da das beanstandete Gesetz nicht diese Bedarfsunterdeckung aufhebt, ja,
nicht einmal genaue Berechnungen zum Strombedarf zu Grunde legt, ist es
verfassungswidrig. Es verstößt gegen die mir verfassungsmäßig zugestandene
Menschenwürde (Art. 1) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot (Art. 20).

2. Mit dem beanstandeten Gesetz hat der Gesetzgeber die umfassenden
Sanktionsmöglichkeiten im SGB II nicht aufgehoben. Der SGB-II-Regelsatz ist
jedoch eine Grundsicherung, mit welcher der Gesetzgeber das physische und
soziokulturelle Existenzminimum bedarfsorientiert festgelegt hat. Dieses zu
kürzen bewirkt, dass Grundbedarfe nicht gedeckt werden können. Als
Betroffener bin ich stets von Sanktionen bedroht. Sachbearbeiter meines
Jobcenters können mich damit unter Androhung der Existenzvernichtung etwa
dazu zwingen, Arbeit anzunehmen, der ich mich physisch oder psychisch nicht
gewachsen fühle oder die ich aus moralischen Gründen ablehne, wenn sie
diese vorgebrachten Gründe aufgrund ihrer persönlichen Ansichten nicht
akzeptieren. Damit werden mir die Grundrechte auf Menschenwürde (Art. 1) in
Verb. mit dem Sozialstaatsgebot (Art. 20), auf freie
Persönlichkeitsentfaltung, Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2),
auf Gleichstellung (Art. 3), auf Schutz der Familie (Art. 6) und auf freie
Berufswahl (Art. 12) mindestens teilweise verwehrt. Das Verbot der
Zwangsarbeit (Art. 12) wird durch Androhung eines existenziellen Übels
unterlaufen. Damit können jederzeit meine Grundrechte in ihrem Wesensgehalt
(nach Art. 19 verboten) angetastet werden.

Erläuterung:

Sanktionen sind im beanstandeten Gesetz wie in der Vorgängerversion als
„Rechtsfolgen“ ausgewiesen. Danach hat sich ein Mensch aufgrund dessen,
dass er erwerbslos ist oder seinen Lebensunterhalt nicht allein durch
Erwerbsarbeit decken kann, Obliegenheitspflichten zu fügen. Erhalten ich
und andere Betroffene vom Jobcenter Vorladungen bzw. vom Amt ausgewählte
Stellenangebote zugesandt, wird in Rechtsfolgenbelehrungen bereits auf
Sanktionen hingewiesen. Versäume ich einen Termin, kann das Jobcenter zehn
Prozent meiner existenzsichernden Leistung streichen. Schreibe ich eine
Bewerbung zu wenig oder lehne ich ein Stellenangebot ab, droht mir eine
30prozentige Kürzung, beim zweiten „Vergehen“ dieser Art im darauffolgenden
Jahr bereits eine 60prozentige und beim dritten Mal eine 100prozentige
Kürzung. Unter 25jährigen SGB-II-Berechtigten droht danach bereits bei der
ersten „Pflichtverletzung“ eine 100-Prozent-Sanktion.

Unterschreiten des Existenzminimums, keine Bedarfsermittlung für geminderte
Bezüge.

Schon Sanktionen wegen eines versäumten Termins halte ich für
verfassungswidrig. Denn erstens wird durch diese das mit dem
SGB-II-Regelsatz festgelegte Existenzminimum für in der Regel drei Monate
unterschritten. Mit den Regelsätzen vom Gesetzgeber errechnete Bedarfe
können so nicht mehr vollständig gedeckt werden. Der Gesetzgeber hat nicht
berechnet, wie die Bedarfe mit 90 Prozent der Regelleistung gedeckt werden
können. Vielmehr – und das bestätigt das BVerfG in den oben genannten
Urteilen mehrfach – handelt es sich beim vollständigen SGB-II-Satz um das
physische und soziokulturelle Existenzminimum, also ein Minimum, um die
menschenwürdige Existenz zu sichern. Bereits ein Abzug von zehn Prozent
(derzeit 40,40 Euro bei Alleinstehenden) gewährleistet nicht mehr das
menschenwürdige Minimum. Jede Sanktion hindert mich somit an der Ausübung
meines Grundrecht auf Menschenwürde i. V. m. d. Sozialstaatsgebot. Zweitens
kann ein versäumter Termin immer auf einem menschlichen Irrtum beruhen.
Eine „Pflichtverletzung“ setzt aber schon ob des Wortinhaltes her Vorsatz
beim Versäumen des Termins voraus. Einen Vorsatz mag ein Sachbearbeiter
vermuten, ihn nachzuweisen, dürfte in den wenigsten Fällen möglich sein.

Eine Sanktion von 30 Prozent unterschreitet mein Existenzminimum noch
evidenter. Für den Fall einer solch drastischen Unterdeckung hat der
Gesetzgeber ebenfalls nicht berechnet, wie ich meine Grundbedarfe vom
verbleibenden Rest decken könnte. Ebenso wenig hat er Berechnungen
vorgelegt, welche erläutern, wie genau ich meinen Bedarf mit einer 60- bzw.
100prozentigen Sanktion decken könnte. Dass bei einer Sanktion von mehr als
30 Prozent Sachleistungen gewährt werden können, heißt nicht, dass sie
gewährt werden müssen. Unter Sachleistungen fallen zudem nicht die Kosten
für Strom, Unterkunft und Mobilität. So könnte ich ggf. selbst einen Termin
beim Jobcenter nicht mehr wahrnehmen, wenn ich die Fahrkosten nicht
bezahlen könnte. Denn diese können immer erst nachträglich beantragt,
müssen also vom Betroffenen vorgeschossen werden. Darüber hinaus können
Sachleistungen auch bei einer 100-Prozent-Sanktion nur bis maximal zur
Hälfte des mit den SGB-II-Sätzen errechneten Existenzminimums gewährt
werden.

Gefährdung der Existenz als Rechtsfolge – verfassungswidriges Menschenbild

Daraus resultiert, dass ich mich von den Sanktionsmöglichkeiten permanent
enorm in meiner physischen Existenz bedroht sowie in meinem Recht auf freie
Berufswahl exorbitant beeinträchtigt fühle. Ich erinnere daran, dass fast
jede Arbeit zumutbar ist, ungeachtet der Tatsache, ob ich mich dieser
körperlich, seelisch oder moralisch gewachsen fühle. Die jeder Vorladung
und jedem Jobangebot beiliegende Sanktionsandrohung führt bei mir zu
dauerhaftem psychischem Stress und permanenten Angstzuständen.

Der Gesetzgeber argumentiert, dass ich mich nur an Obliegenheitspflichten
halten müsse, um nicht sanktioniert zu werden. Er berücksichtigt dabei
nicht meine individuelle physische und psychische Verfassung oder meine
moralischen Werte bezüglich einer Arbeitsplatzwahl. Ebenso wenig
berücksichtigt er meine Grundrechte auf freie Persönlichkeitsentfaltung und
Berufswahl. Der Gesetzgeber gefährdet nicht nur meine Existenz, er
diskriminiert mich auch durch Androhung empfindlicher Übel, die zu Hunger,
Obdachlosigkeit, sozialer Ausgrenzung und sogar akuter Gefährdung meines
Lebens führen können, aus dem einzigen Grund, weil ich meinen
Lebensunterhalt nicht durch Erwerbsarbeit sichern kann. Damit verstößt der
Gesetzgeber meiner Ansicht nach gegen die Verfassung (siehe oben unter
Punkt 2).

Kürzungen des Existenzminimums beruhen auf dem verfassungswidrigen
Menschenbild, dass nur ein Mensch ein Anrecht auf Sicherung seiner Existenz
hat, der sich dem Arbeitsmarkt und den Anweisungen einer Behörde
vollständig unterwirft. Sanktionen gelten zwar als „Rechtsfolgen“, wirken
in der Tat aber, gemessen an meiner persönlichen und der Situation aller
Betroffenen, wie Strafen. Dabei sind die Strafen weit härter ausgelegt, als
im StGB gegen jeden Straftäter. Selbst ein inhaftierter Mörder hat im
Gefängnis ein Anrecht darauf, dass sein Grundbedürfnis nach Obdach, Nahrung
und Kleidung gedeckt wird. Eine Verweigerung dieser Grundrechte ihm
gegenüber ist strafbar. Erwerbslosigkeit ist kein Straftatbestand, ebenso
wenig wie das Ablehnen einer Arbeit, das Versäumen von Terminen oder zu
wenige Bewerbungsnachweise. Während es der Gesetzgeber verbietet, selbst
schlimmsten Verbrechern im Gefängnis Obdach und Nahrung zu entziehen, gilt
dieser Entzug bei SGB-II-Berechtigten bereits als Rechtsfolge. Menschen,
die sich also nicht rechtswidrig verhalten, sondern lediglich eine ihnen
aufgrund ihres Status behördlich auferlegte Anweisung nicht ordnungsgemäß
erfüllen, haben damit kein Anrecht auf die Befriedigung ihrer
Grundbedürfnisse.

Das widerspricht meiner Ansicht nach den Vorgaben des Grundgesetzes und des
BVerfG.

Vergleiche Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12

Leitsatz: „Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art.
1 Abs.1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) dürfen die Anforderungen des
Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu
tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden und muss die Höhe
existenzsichernder Leistungen insgesamt tragfähig begründbar sein. (2) Der
Gesetzgeber ist von Verfassung wegen nicht gehindert, aus der
grundsätzlich zulässigen statistischen Berechnung der Höhe
existenzsichernder Leistungen nachträglich in Orientierung am
Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der existenzsichernde
Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass
Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden
können, oder ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern.“

Vergleiche Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09

Leitsatz: Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen
diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz
und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und
politischen Leben unerlässlich sind. (2) Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs.
1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1
GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung
der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach
unverfügbar und muss eingelöst werden, (…). (3) Zur Ermittlung des
Anspruchsumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen
in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie
nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger
Berechnungsverfahren zu bemessen. (…)“

Pro Jahr verhängen Jobcenter laut Bundesagentur für Arbeit rund eine
Million Sanktionen gegen mehr als 400.000 Leistungsberechtigte (rund zehn
Prozent aller „erwerbsfähigen Hilfebedürftigen“). Pro Monat sind
durchschnittlich 7.000 Menschen vollständig sanktioniert. Das heißt, alle
diese Betroffenen erhalten trotz Bedarfs gekürzte bis keine
existenzsichernden Leistungen. Die geminderten Bezüge, die ihnen
verbleiben, unterliegen keinerlei Bedarfsberechnung durch den Gesetzgeber,
wie es das BVerfG (siehe oben) vorgeschrieben hat. Von einer solchen
Unterdeckung bin ich permanent bedroht. Das hindert mich an der Ausübung
o.g. Grundrechte.

Die weiter erlaubten sofort vollziehbaren 100-Prozent-Sanktionen gegen 15-
bis 24jährige Leistungsberechtigte verstoßen zudem gegen den
Gleichheitsgrundsatz (Art. 3). Insbesondere bei in der Regel in der Familie
lebenden Minderjährigen verstoßen sie evident gegen den besonderen Schutz
der Familie (Art. 6), darüber hinaus gegen gesetzliche Vorschriften zum
Kinder- und Jugendschutz sowie gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

3. Das beanstandete Gesetz weitet die Ersatzansprüche der Jobcenter bei
„sozialwidrigem Verhalten“ wie folgt aus: Wer seine „Hilfebedürftigkeit
aufrechterhält, erhöht oder nicht verringert“, kann bis zu vier Jahre lang
(Verjährungsfrist) mit Rückforderungen von bis zu 30 Prozent vom Regelsatz,
also des Existenzminimums, belangt werden. Der „Erstattungsbetrag“
resultiert nicht aus einem Einkommen, das den Hilfebedarf mindert oder
gemindert hat, sondern aus einem fiktiven Einkommen, das Betroffene nach
Ansicht (Ermessen) eines Sachbearbeiters hätten erzielen können. Damit wird
die verfassungsmäßige Forderung nach einer bedarfsorientierten
Grundsicherung unterlaufen. Alleine die Androhung hindert mich in der
Ausübung meiner Grundrechte auf freie Berufswahl, Persönlichkeitsentfaltung
sowie Menschenwürde, Leben und körperliche Unversehrtheit.

Erläuterung:

Durch Rückforderungen nicht verdienten Geldes wird das mit dem Regelsatz
gewährte Existenzminimum wie bei Sanktionen unterdeckt. Als
„Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten“ oder „nicht verringern“ kann der
Sachbearbeiter willkürlich fast alles auslegen.

Schickt mir das Jobcenter bspw. ein Stellenangebot für eine
Leiharbeitsfirma, und der Unternehmer lehnt es ab, mich einzustellen, weil
ihm irgendetwas an mir nicht gefällt, meldet anschließend dem Jobcenter,
ich hätte mich nicht „willig genug“ gezeigt (das passiert bei uns
regelmäßig), könnte der Sachbearbeiter dies als Hilfebedürftigkeit nicht
verringert“ auslegen. Nach nun geltendem Gesetz könnte er mich für drei
Monate um 30, 60 oder 100 Prozent (je nachdem, ob „Pflichtverstöße“
vorangegangen sind) sanktionieren. Zugleich könnte er vier Jahre lang 30
Prozent von meiner Leistung abziehen (Erstattungsbetrag), obwohl ich das
Geld nicht besitze oder besessen habe. Da der Rechtsweg Jahre dauern kann
und keinen Aufschub der Vollziehung bewirkt, droht mir bei jedem Verhalten
bezüglich der Arbeitssuche, das der Sachbearbeiter nach seinem eigenen
Ermessen als „unangemessen“ einstuft, eine jahrelange evidente Unterdeckung
des Grundbedarfes. Das bedroht mein Leben sowie meine körperliche und
psychische Unversehrtheit.

Zweites Sanktionsregime, doppelte Erpressung – Verstoß gegen Verbot der
Zwangsarbeit

Die Begriffe „sozialwidriges Verhalten“ sowie „die Hilfebedürftigkeit
aufrechterhalten, erhöhen oder nicht verringern“ sind unbestimmt und zielen
auf das Ermessen eines Verwaltungsangestellten ab. Ist mir ein
Sachbearbeiter nicht wohlgesonnen und unterstellt mir darum „eigenes
Verschulden“, kann er mich (und andere Leistungsberechtigte) demnach nicht
nur für drei Monate sanktionieren, sondern meine existenzsichernden
Leistungen über Jahre hinweg kürzen.

Die Drohung, dass bei jedem „sozialwidrigen Verhalten“ eine derartige
Langzeitkürzung erfolgen kann, kommt nicht nur einem zweiten
Sanktionsregime gleich, sie ist zugleich eine weitergehende Erpressung,
jeden schlecht bezahlten Minijob, jede Arbeit, zu der ich vielleicht
physisch, psychisch, wegen mangelnder Mobilität oder vom Wissenstand her
nicht in der Lage bin, anzunehmen. Das widerspricht dem Verbot der
Zwangsarbeit. Darüber hinaus widerspricht ein solches Instrument dem Gebot,
dass die Höhe der Sozialleistungen am aktuellen Bedarf zu bemessen ist
(vergl. BverfG-Urteile, zitiert siehe oben).

4. Das beanstandete Gesetz schränkt meine Freiheit, Überprüfungsanträge zu
stellen, weiter ein. Seit Jahren gilt bereits nicht mehr die Frist von vier
Jahren rückwirkend, für die bei anderen Sozialleistungen bei Verdacht auf
rechtswidrige Bescheide die Leistungsgewährung überprüft werden muss,
sondern lediglich eine einjährige Frist. Bereits das ist ein Sonderrecht.
Nun soll auch die einjährige Frist insofern eingeschränkt werden, als dass
rechtswidrige Bescheide erst ab dem Tag aufzuheben sind, wenn ein
höchstrichterliches Urteil wirksam wird. Es handelt sich um ein Sonderrecht
für SGB-II-Leistungsberechtigte, das mich meiner Ansicht nach unzulässig in
der Ausübung meines Grundrechts auf Gleichstellung aller Menschen (Art. 3)
verletzt. Zugleich verwehrt es mir in beachtlichen Teilen den offenen
Rechtsweg (Art. 19).

5. Das beanstandete Gesetz bedroht durch die neue
„Gesamtangemessenheitsgrenze“ bei der Miete die Unverletzlichkeit meiner
Wohnung (Art. 13). Darüber hinaus bedroht es mich in meiner Menschenwürde
(Art. 1) in Verb. m. d. Sozialstaatsgebot (Art. 20) sowie in meinem
Grundrecht auf Leben, freie Persönlichkeitsentfaltung und körperliche
Unversehrtheit (Art. 2). Bereits durch den den Jobcentern weitgehenden
Ermessensspielraum einräumenden Begriff „angemessene KdU“ (auch in der
Vorgängerversion des Gesetzes) besteht diese Bedrohung.

Erläuterung:

Kommunen können die Obergrenzen für die Miete selbst bestimmen. Diese
setzen sie in meiner und anderen Kommunen so niedrig an, dass dafür kaum
noch Wohnungen zu finden sind. Konzepte werden jahrelang nicht
überarbeitet, obgleich die Mieten steigen. Die Berliner Morgenpost etwa
berichtete am 8. Juli 2016, dass in Berlin bei 120.000
Bedarfsgemeinschaften die bewilligten KdU nicht die tatsächlichen
Wohnkosten decken. Das ist mehr als ein Drittel der rund 300.000 Haushalte
im SGB-II-Leistungsbezug.

Nicht anerkannte Unterkunftskosten machen einen Großteil der Klagen bei
Sozialgerichten aus. Solche Verfahren kosten den Steuerzahler Geld, was es
zu vermeiden gilt. Ebenso werden dadurch Leistungsberechtigte, die keine
billigere Wohnung finden, gezwungen, aus ihrem Regelsatz einen Teil der KdU
zu berappen. Das hat eine Bedarfsunterdeckung zur Folge.

Durch die Gesamtangemessenheitsgrenze dürfen Kommunen Kaltmiete, Betriebs-
und Heizkosten nun zu einer Gesamtobergrenze zusammenfassen. Dabei besteht
die Gefahr, dass ich bei einer Mieterhöhung, die oftmals unangekündigt
kommt, überlegen müsste, ob ich heize oder esse. Weiterhin besteht die
Gefahr, dass überschuldete Kommunen diese neuen Obergrenzen erneut so weit
wie möglich drücken. Eine kalte Wohnung würde meine Gesundheit
beeinträchtigen und meine Erwerbsfähigkeit mindern. Da ich nicht weiß, ob
und wann eine weitere Mieterhöhung kommt, bin ich stets damit bedroht,
meine Grundrechte auf Menschenwürde (Art. 1), freie Entfaltung der
Persönlichkeit, Leben und körperliche Unversehrtheit (Art.2), sowie auf
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13) nicht ausüben zu können. Könnte ich
meine Miete nicht mehr zahlen und finde keine günstigere Wohnung, droht mir
eine Zwangsräumung und die Obdachlosigkeit.

6. Nach dem beanstandeten Gesetz müssen Jobcenter bei vorläufiger
Leistungsgewährung keine Freibeträge auf ein unregelmäßiges Einkommen mehr
anerkennen. Dies wäre dann erst nach Ablauf des einjährigen
Bewilligungszeitraumes und nur nach einem von mir gestellten Antrag
möglich. Das behindert mich massiv in der Ausübung von Erwerbstätigkeiten,
da ich über keine Freibeträge mehr verfüge, von denen ich meine notwendigen
Fahrkosten und Arbeitsaufwendungen bestreiten könnte. Denn dieses Geld ist
zum Zeitpunkt der anfallenden Kosten nicht da. Um dennoch erwerbstätig sein
zu können, müsste ich die Kosten aus anderen Bedarfen vorab tragen. Dies
führt zu einer Bedarfsunterdeckung. Damit verletzt es mich in meinen
Grundrechten auf Menschenwürde (Art. 1) in Verb. m. d. Sozialstaatsgebot
(Art. 20), auf freie Persönlichkeitsentfaltung, Leben und körperliche
Unversehrtheit (Art. 2) sowie auf freie Berufswahl (Art. 12).

7. Das beanstandete Gesetz hat nicht die Ortsanwesenheitspflicht
aufgehoben. Das bedeutet, dass mir bereits die Leistungen gestrichen werden
können, wenn ich zu einem dringenden Familienbesuch in eine 100 Kilometer
entfernte Stadt fahren muss oder an einer politischen oder
gesellschaftlichen Versammlung in einer anderen Stadt teilnehme. Damit
werde ich an der Ausübung meines Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11)
gehindert.

8. Das beanstandete Gesetz verstößt wegen geringen Selbstbehalts und des
Zwangs zum Aufbrauchen/Verkaufen fast allen zuvor erarbeiteten Eigentums
(Geldreserven, Lebensversicherungen, Wohneigentum, PKW, Wertgegenstände und
anderes) gegen das Verbot der entschädigungslosen Enteignung (Art. 14).

Erläuterung:

Um überhaupt anspruchsberechtigt zu sein, musste ich sämtliche erarbeiteten
o.g. Sachen veräußern. Dabei ist Erwerbslosigkeit bzw. meine Lage, nicht
mehr gänzlich vom eigenen Erwerb leben zu können, nicht meine Schuld. Die
zunehmende Maschinisierung und Automatisierung dient der Menschheit gerade
dazu, sie von der Arbeit zu befreien. Soziale Berufe werden zunehmend
schlechter bezahlt bzw. als Arbeitsgelegenheiten mit
Mehraufwandsentschädigung (Ein-Euro-Jobs), deklariert als „zusätzliche
Tätigkeiten“, angeboten. Die Kommunen greifen darauf zurück, weil die
zunehmende Umverteilung des Vermögens in wenige private Hände sie in
Finanznot gebracht hat.

Der Gesetzgeber argumentiert, dass derjenige, der „von der
Solidargemeinschaft versorgt“ wird, erst alles aufbrauchen muss, um die
Steuerlast der Gemeinschaft zu senken. Zugleich werden wohlhabende
Firmenerben mit dem ebenfalls kürzlich beschlossenen Erbschaftssteuergesetz
erneut geschont. Das bedeutet: Ihr Steuerbeitrag, den sie an die
Solidargemeinschaft leisten müssen, wird durch zahlreiche Freibeträge
gemindert und ist allgemein sehr gering bemessen im Vergleich zur
Steuerlast der abhängig Beschäftigten, Freiberufler und Kleinunternehmer.
Das BVerfG selbst hatte das Erbschaftssteuergesetz aus diesen Gründen
gerügt; deshalb kam es gerade zu dieser Gesetzesnovelle. Ebenso gibt es
zahlreiche „Schlupflöcher“ für Großkonzerne, etwa durch Abschreibungen,
welche die Gewerbesteuerlast enorm mindern können.

Im Endeffekt bedeutet das, dass vor allem abhängig Beschäftigte in
mittleren und unteren Einkommensklassen gemessen an der Höhe ihrer
Einkommen stärker zur Kasse gebeten werden als Wohlhabende. Heißt: Die
Steuerlast belastet weit stärker ihre Existenzgrundlage. Ich befürchte,
dass dies den sozialen Frieden in der BRD massiv gefährdet; die Anfänge
erleben wir bereits, zum Beispiel Demonstrationen (Pegida, Hogesa,
rechtsextreme Gruppen), aber auch in wachsender Obdachlosigkeit. Der
Bundesarbeitskreis Wohnungslosenhilfe (BAG-W) schätzt auf seiner
Internetseite, dass es 2017 mehr als eine halbe Million Obdachlose in der
BRD geben wird – das ist eine ganze Großstadt voller Menschen. Der
Gesetzgeber weigerte sich indes mehrfach, genaue Zahlen zu erfassen und
bekannt zu geben. Darüber hinaus sorgt materielle Verarmung für vermehrte
soziale Konflikte.

Ich widerspreche der Argumentation des Gesetzgebers insofern, als dass er
mit „Solidargemeinschaft“ aus oben genannten Gründen nicht die gesamte
Gemeinschaft (Gesellschaft des Staates BRD) meinen kann. Somit ist der
Begriff „Solidargemeinschaft“ schon unbestimmt. Die einseitige Entlastung
reicher Unternehmenserben verstößt meiner Meinung nach zudem gegen den
Gleichheitsgrundsatz (Art. 3) sowie gegen das Gebot, nach dem „Eigentum
verpflichtet“ (Art. 14), was bedeutet, dass Privateigentümer von
Produktionsmitteln dieses Eigentum zum gesellschaftlichen Nutzen zu
verwerten haben.

Andererseits schützt der Artikel 14 das Privateigentum in jeglicher
Hinsicht. Hat jemand also ein eigenes Haus, PKW oder anderes Eigentum, das
nicht in den Bereich der Produktionsmittel fällt, also nicht zur
profitorientierten Verwertung geeignet ist, erarbeitet und wird
unverschuldet – zumeist durch fortschreitende Automatisierung – erwerbslos
bzw. erwerbsarm, und ist somit gezwungen, SGB-II-Leistungen zu beantragen,
darf er einen Großteil dieses erarbeiteten Eigentums nicht behalten – kurz:
Er muss es zu Geld machen. Aber selbst, wenn er nach vielen Jahren der
Erwerbstätigkeit „verschuldet“ lohnerwerbslos werden sollte, hat er sich
bis dahin geschaffenes Eigentum erarbeitet.

Jeder Zwang, derlei auf legalem Wege für die persönliche Verwertung
erworbenes Eigentum (Wohnhaus, PKW, Lebensversicherung, Bausparvertrag,
Wertgegenstände für Haushalt und Wohnungseinrichtung, etc.) verkaufen zu
müssen, um überhaupt existenzsichernde Leistungen bei eintretender
Hilfebedürftigkeit erhalten zu können, verstößt damit nach meiner Ansicht
gegen das Verbot der entschädigungslosen Enteignung (Art. 14). Ich erinnere
daran, dass ALG II eine Form der Grundsicherung ist, also lediglich dazu
dient, die notwendigsten physischen und soziokulturellen Überlebensbedarfe
zu decken. Endet der SGB-II-Bezug, ist der Staat nicht verpflichtet,
entsprechende Entschädigungen zu zahlen bzw. Eigentum zurückzugeben. Damit
findet trotz des Zwangs, Eigentum zu verkaufen und auf Sozialhilfeniveau
„aufzuessen“, bevor eine Sicherung des notwendigen laufenden
Überlebensbedarfs gewährleistet wird, keine Entschädigung nach Beendigung
der Hilfebedürftigkeit statt. Das bedeutet: Bei jeder unverschuldeten
Erwerbslosigkeit droht eine entschädigungslose Enteignung bisher
erarbeiteten Eigentums.

Da ich bei meinem Eintritt in die Erwerbslosigkeit bzw. damit in den
ALG-II-Bezug ebenfalls von dieser meiner Meinung nach verfassungswidrigen
Gesetzeslage betroffen war, und der Gesetzgeber auch in der Novelle nichts
daran geändert hat, bin ich betroffen von entschädigungsloser Enteignung,
die der Artikel 14 GG aber verbietet.

Ich beantrage,

meine Verfassungsbeschwerde aufgrund der von mir angezeigten gravierenden
Verdachtsmomente, dass mich das beanstandete Gesetz an der Ausübung einer
Vielzahl von verfassungsrechtlichen Grundrechten unmittelbar und massiv
hindern wird, zeitnah zu behandeln, um den verfassungsrechtlichen Zustand
wiederherzustellen. Bitte beachten Sie auch meine persönliche Erklärung zu
meiner Situation. Vielen Dank für Ihre Mühe.

Für den Fall, dass sich das BVerfG nicht veranlasst sieht, über diese
Beschwerde zu entscheiden, bitte ich um eine Antwort mit Hinweisen, wie ich
meine angezeigten Grundrechte zukünftig wahrnehmen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift“

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Eine Antwort zu Mustervorlage für eine Verfassungsbeschwerde gegen das aktuelle Rechtsverschärfungsgesetz ist für Euch online!

  1. Hotte Elbwood sagt:

    Lieber Manni,

    ganz herzlichen Dank für Deine Mühe, dieses Schreiben zu erarbeiten!
    Ich bin gerade ebenfalls dabei, eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz zu formulieren, jedoch in einem anderen Zusammenhang.
    Deshalb suchte ich im Netz nach Anregungen und stieß gerade auf Deinen Text. Ich habe zumindest bezüglich des Aufbaus gute Infos erhalten.

    Beste Grüße

    Hotte

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