Manni Engelhardt kommentiert die BAG-Entscheidung 6 AZR 845/13 vom 12.02.2015:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unser Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis AK) hat auf seiner Homepage die Kategorie „Urteile“ (http://ak-gewerkschafter.com/category/uteile/) eingerichtet, die wir immer dann bedienen, wenn sogenannte Rechtsprechungen erfolgen, die uns irritieren.

So hat es jüngst eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) gegeben, die uns nachdenklich gestimmt hat.

Es handelt sich hierbei um das Urteil vom 12. Februar 2015 mit dem Aktenzeichen: 6 AZR 845/13.

Die Pressemitteilung des BAG zum Urteil könnt Ihr durch den Klick auf den nachstehenden Link aufrufen:

http://www.bag-urteil.com/12-02-2015-6-azr-845-13/ !

Dieses Urteil fordert geradezu einen Kommentar des unterzeichnenden AK-Koordinators heraus.

Diese Entscheidung wirft auch vor der schriftlichen Absetzung der Urteilsbegründung, die wir  dann, wenn sie zur Veröffentlichung freigegeben ist, noch einmal genauestens studieren und kommentieren werden, etliche Fragen auf.

Zunächst beruft sich die Beklagte auf den § 22 Abs. 2 BBIG der da lautet:

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

  1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist,
  2. von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

Das BAG ist offensichtlich dem Vorbringen der Beklagten nach § 22 Abs. 2 Nr. BBIG gefolgt.

Hat das BAG sich hier denn auch in tatsächlicher Hinsicht damit objektiv auseinandergesetzt, ob diese Kündigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und besonders in Hinblick auf eventuell bestehende mildere, jedoch für die Beklagte unzumutbare Reaktionsmöglichkeiten ihre Rechtfertigung hatte?

Einen Auszubildenden alleine mit derartigen Aufgaben zu betrauen, nämlich mit der v e r a n t w o r t l i c h e n Auszählung von Nachttresor-Geldern, wobei die Summen in zigtausende Euro-Höhe gehen können, ist im Prinzip seitens der Beklagten unverantwortlich gewesen. Der vorliegenden Pressemitteilung lässt sich allerdings an keiner Stelle entnehmen, ob sich das BAG mit dieser Frage auseinandergesetzt hat?

Sollte dies der Fall gewesen sein, müsste das BAG die Frage der Zumutbarkeit dieser Betrauung des Auszubildenden mit Ja beantwortet haben. Dann würde sich aber gleich eine weitere Frage daran anschließen, nämlich die, ob die Richter des 6. Senates des BAG eine wirkliche Ahnung über die Ausbildungssituation in Deutschland haben? Ihnen müsste dann eigentlich die Teilnahme an Lehrgängen zur Ausbildung der Ausbilder (http://www.duesseldorf.ihk.de/Ausbildung_Lehrstellen_Pruefungen/ausbildung/Ausbildung_von_A-Z/1283356/Ausbildereignung.html) empfohlen werden!

Bleibt auch noch die Frage danach, inwieweit eine Verdachtskündigung ohne ordentliche Anhörung zulässig ist?

Ob das BAG sich hier hinreichend bemüht hat, zu prüfen, ob die Anhörung des Klägers ordnungsgemäß verlaufen ist, wird ebenfalls erst nach der schriftlichen Absetzung der Urteilsbegründung genauestens zu ventilieren sein. Waren bei der Anhörung der Betriebsrat und die Jugendvertretung beteiligt? Hat die Beklagte die Anhörung ohne Vertreter des Betriebsrates und der Jugendvertretung durchgeführt? Wurden Betriebsrat und Jugendvertretung gemäß des bestehenden kollektiven Arbeitsrechtes beteiligt? Hätte der Beklagte nicht die Pflicht gehabt, den Kläger auf die Möglichkeit der Hinzuziehung von „Vertrauenspersonen“ (Betriebsrat und/oder Jugendvertretung) hinzuweisen?

Eine ordnungsgemäße Anhörung ist eine formaljuristische Voraussetzung, die im Normalfall erfüllt sein muss (http://www.poko.de/blog/tag/verdachtskundigung/) !

Stellt sich zum Schluss noch für mich die Frage, ob der Beklagte im Verhalten des Klägers eine Straftat erkannt und diese zur Anzeige bei der Ermittlungsbehörde gebracht hat? Selbst wenn er dies getan haben sollte, hätte hier zunächst noch die Präsumtion der Unschuld zu gelten. Die Präsumtion der Unschuld ist eines der wichtigsten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens!

Allerdings würde es den Unterzeichner nicht verwundern, wenn diese Frage vollkommen ausgeblendet worden sein soll.

Mittlerweile hält der Unterzeichner in unserer „Bananenrepublik Deutschland“ kein Ding für unmöglich.

Das hat letztendlich auch der damalige Fall „EMMELY“ gezeigt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Emmely !

Weitere Kommentare zur Sache werden folgen.

Manni Engelhardt –AK-Koordinator-

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