LANDESARBEITSGERICHT (LAG) HAMM ZEIGT DEUTLICH GRENZEN DER RELIGIONSFREIHEIT IM ERWERBSLEBEN AUF! LAG-ENTSCHEIDUNG VOM 20. APRIL 2011 MIT DEM AZ.: 4 SA 2230/10

Ein Kommentar unseres AK-Koordinators Manni Engelhardt

Jede und Jeder kann seine Religion in Deutschland praktizieren, sofern dabei die Grundrechte anderer Menschen nicht verletzt werden. Das Prinzip des „Alten Fritz“, dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll, ist heute Bestandteil des Grundgesetzes. Und dieses Prinzip halte ich als Atheist für wichtig; denn was mein Mitmensch glaubt, ist ganz alleine seine Sache. Aber bestimmte Spielregeln und Grenzen dürfen dabei nicht überschritten werden.

Ein Angestellter, der in Teilzeitbeschäftigung bei einem Call-Center angestellt war, hatte die ausdrückliche Arbeitsanweisung erhalten, sich nicht am Ende eines jeden Verkaufsvorgangs vom Gesprächspartner mit dem Hinweis verabschieden zu dürfen:

„JESUS HAT SIE LIEB, VIELEN DANK FÜR IHREN EINKAUF BEI QVC UND EINEN SCHÖNEN TAG!“

Der Angestellte hielt sich nicht an diese Anweisung, so dass der Arbeitgeber ihn außerordentlich kündigte. Hiergegen zog der Angestellte als Kläger vor das Arbeitsgericht (ArbG) Bochum, wo er Erfolg hatte. Gegen dieses mir völlig unverständliche Urteil des ArbG – Bochum mit dem Az.: 4 Ca 734/10 legte der Arbeitgeber Berufung ein. Die Berufung vor dem LAG Hamm hatte Erfolg. Das LAG hob die erstinstanzliche Entscheidung im Wesentlichen mit nachstehenden Begründungen auf:

  1. Der tiefgläubige Kläger hat in tatsächlicher Hinsicht nicht in ausreichendem Maße darlegen können, weshalb er in Nöten gekommen wäre, wenn er die Abschlussgrußformel ohne den Vorspann „JESUS HAT SIE LIEB“ gewählt hätte.
    Das LAG verwies darauf,  dass derjenige, der  sich auf die Einschränkung seiner Glaubensfreiheit durch eine Arbeitsanweisung beruft, die nachvollziehbare  Beweislast darzulegen hat. Diese muss beinhalten, dass er ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltensregel (Arbeitsanweisung) absehen könne.
  2. Von weiterer Bedeutung war für das LAG der Fakt, dass der Kläger dem Beklagten anlässlich des nachfolgenden Streitverfahrens (Im Rahmen einer sogenannten Prozessbeschäftigung!) angeboten hatte, für den Beklagten weiter tätig zu sein und zugleich auf die Ergänzung der Grußformel „JESUS HAT SIE LIEB“ zu verzichten.

Diese Entscheidung des LAG Hamm kann ich nur begrüßen; denn wo kämen wir hin, wenn jede und jeder Gläubige zu jeder Zeit im Erwerbsleben, besonders im Dienstleistungsgewerbe, die Mitmenschen mit religiösen Sprüchen traktieren dürfte. Die Konsequenz bei einem anderslautenden Urteil wäre die gewesen, dass uns Gläubige aller Religionen ihre religiösen Sprüche um die Ohren schlagen dürften. Selbst für Atheisten ist somit zumindest zweitinstanzlich klargestellt, dass auch diese nach einem abgeschlossenen Verkaufsgespräch bei eindeutiger Arbeitsanweisung z. B. nicht sagen dürfen: „JESUS KANN SIE NICHT LIEB HABEN; DENN GOTT GIBT ES NICHT!“

Ob diese LAG-Entscheidung ein Fall für das BAG wird, bleibt zunächst mit Interesse abzuwarten.

(Quelle: Pressemitteilung des LAG Hamm vom 20.04.2011)

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