BAG 9 AZR 430/11: BUNDESARBEITSGERICHTSENTSCHEIDUNG ZUR URLAUBNAHME AN FEIERTAGEN FÜR SCHICHTARBEITER

EIN KOMMENAR UNSERES AK-KOORDINATORS MANNI ENGELHARDT:

am 15. Januar 2013 (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nummer 1/13) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Az.: 9 AZR 430/11 über die Klage eines Schichtarbeiters zur Urlaubnahme an Feiertagen. Diese Entscheidung des BAG, die so interessant wie fragwürdig ist, möchte ich wie nachstehend kommentieren:

Um es vorwegzunehmen, dass BAG hat die Hoffnung eines Schichtarbeiters, der bei gesetzlichen Feiertagen ohne Urlaubnahme freibekommen wollte, zunichte gemacht. Es hat geurteilt, dass derjenige, der im Schichtplan zur Arbeit eingeteilt ist und an einem gesetzlichen Feiertag frei haben möchte, hierfür Urlaub in Anspruch zu nehmen hat. Der ehemalige Tarifvertrag BAT sah dies für den öffentlichen Dienst vor. Nach Umstellung von BAT auf TvÖD ist diese Möglichkeit entfallen, quasi eine Schlechterstellung für die ca. hunderttausend beschäftigten Schichtarbeiter im öffentlichen Dienst. Ein Beschäftigter des Flughafens Münster/Osnabrück hatte hier eine arbeitsgerichtliche Klage geführt, die er sowohl in der I. als auch in der II. Instanz beim Landesarbeitsgericht in Hamm unter dem Az.: 16 Sa 1677/10 verlor. Der Kläger sah sich im Vergleich zu seinen Kolleginnen und Kollegen, die außerhalb des Schichtdienstes von montags bis freitags geregelt arbeiten, benachteiligt. Er führte unter anderen Gründen auch das Bundesurlaubsgesetz in das Feld der juristischen Auseinandersetzung, weil dieses die Werktage als Kalendertage definiert, die nicht als Sonntage oder gesetzliche Feiertage zu bezeichnen sind. Desweiteren führte er auch als Mitbegründungsbestandteil den ehemaligen BAT an, wonach gesetzliche Feiertage nicht als Arbeitstage anzusehen waren.

Das schien nicht stichhaltig; denn schon das LAG Hamm hatte bei seiner Negativentscheidung angeführt, dass sich der neue Tarifvertrag eben von diesen Bestimmungen des BAT unterscheidet.

Das mag zwar richtig sein, jedoch kenne ich noch das Prinzip, dass ein Gesetz höher zu bewerten ist, als ein Tarifvertrag. Hier denke ich, hätte der Tarifvertrag an die Bundesurlaubsgesetzeslage angepasst gehört, was offensichtlich auch von den Gewerkschaften als Tarifvertragspartei hätte erkannt werden müssen. Hier ist kein Hinweis in der entsprechenden Presseerklärung des BAG enthalten. Das BAG hatte auch schon in anderen Verfahren erklärt und beschlossen, dass bei Schichtarbeitern die Feiertage wie Werktage zu behandeln seien. Hier wurden dann auch die jeweils bestehenden Tarifverträge daraufhin „ausgelotet“.

Wenn ein Verdi-Sprecher erklärt, die Entscheidung des BAG sei „keine große Überraschung“, dann muss ich mich ganz offen fragen, weshalb wurde hier bei Tarifverhandlungen auf diesen Fakt nicht hingewiesen und über Nachbesserung mit der Arbeitgeberseite verhandelt?

Das BAG muss sich aber fragen lassen, ob es auch auf das Arbeitszeitgesetz hingewiesen hat, wonach ein Ersatzruhetag dann dem Betroffenen zusteht, wenn der Feiertag auf einen Werktag fällt? Für mich bleibt diese Entscheidung nach wie vor fragwürdig; denn sie manifestiert eine Ungleichbehandlung von Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und ist nach meiner Meinung Grundgesetz widrig. Hier sollte tatsächliche die Möglichkeit einer Bundesverfassungsgerichtsklage geprüft werden. Die Pressemitteilung des BAG zu dieser Entscheidung haben wir zum besseren Verständnis per Link zum Anklicken nachstehend unter diesen Kommentar gepostet. http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16400&pos=2&anz=3&titel=Urlaub_an_gesetzlichen_Feiertagen_im_%F6ffentlichen_Dienst

Manni Engelhardt –AK-Koordinator-

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Eine Antwort zu BAG 9 AZR 430/11: BUNDESARBEITSGERICHTSENTSCHEIDUNG ZUR URLAUBNAHME AN FEIERTAGEN FÜR SCHICHTARBEITER

  1. Daniel Stein sagt:

    Antwort zum
    KOMMENAR UNSERES AK-KOORDINATORS MANNI ENGELHARDT:
    zum BAG-Urteil 9 AZR 430/11

    Hallo Kollegen!

    Auf den ersten Blick ist dieses Urteil vollig unverständlich, besonders für Schichtarbeiter.
    Durch die intensive Beurteilung des „Arbeitstages“, ergibt sich für Schichtarbeiter ein besonderes Phänomen.
    Im BAG-Urteil 9 AZR 430/11 wird beschrieben:

    […] „Dieses Verständnis entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach ein Arbeitstag ein Tag ist, an dem Arbeit geleistet wird oder zu leisten ist (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „Arbeitstag“). In der Literatur wird der in § 26 TVöD verwendete Begriff „Arbeitstage“ ebenfalls überwiegend definiert als alle Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer dienstplanmäßig zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte.“[…]

    Somit arbeitet ein Schichtarbeiter bei einer kalendertasübergreifenden Nachtschicht an 2 Arbeitstagen. Da der Urlaubsanspruch in Arbeitstagen ermittelt wird, erhöht sich die Anzahl der Urlaubstage für Beschäftigte im öffentlichen Dienst.
    z.B. eine Woche mit 5Nachtschichten:
    Die erste Nachtschicht beginnt am Montag um 21Uhr, und die letzte Nachtschicht endet am Samstag um 6Uhr.
    Nach dem BAG-Urteil 9 AZR 430/11 wird in dieser Nachtschichtwoche der Arbeitnehmer an 6 Arbeitstagen beschäftigt, weil jeder Kalendertag mit Arbeitspflicht ein Arbeitstag ist.

    TVÖD §6(1) Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

    Nun stellt sich die Frage: Welche betriebliche/dienstliche Gründe liegen vor, dass ein Schichtarbeiter (bei einer 5 er Nachtschichtwoche) an 6 Arbeitstagen beschäftigt werden darf?

    Die Kollegen von VERDI haben aus den neusten Urteilen zum TVÖD auch positives ziehen können. Besonders das BAG-Urteil 9 AZR 799/09 ist für Schichtarbeiter positiv zu bewerten:
    […] Denn nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte der Kläger nach den Schichtplänen jährlich 147 Arbeitsschichten zu leisten. Das sind bei den kalendertagübergreifenden Schichten 294 Arbeitstage im Jahr. […]
    (Somit verdoppelte sich die Anzahl der Urlaubstage den Kläger.)

    Eine Nachtschicht entspricht 2 Arbeitstagen
    siehe Link:
    http://drei.verdi.de/2012/ausgabe-44/schwarzes-brett/seite-4-5/recht-gesprochen

    vielen Dank
    Daniel Stein

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