Unser AK-Kollege Dr. Paul Michels präsentiert uns den Artikel des Werner Rügemer mit dem Titel „Ukraine – Kritik an den Thesen von Winfried Wolf „!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unser Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis- (AK-) Mitglied Dr. Paul Michels (http://ak-gewerkschafter.com/?s=dr.+paul+michels) hat uns einen Beitrag des Werner Rügemer zukommen lassen.

Rügemer ist als fähiger Kritiker des Kapitalismus bekannt.  Der hat ein Elaborat des Winfried Wolf auseinandergenommen.

Rügemeiers Beitrag ist betitelt mit „Ukraine – Kritik an den Thesen von Winfried Wolf „!

Wir haben diesen Beitrag nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet.

Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-

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Kollege Dr. Paul Michels informiert:

Wir sollten Gegenpositionen zur NATO und ihrer Führungsmacht USA entwickeln. Ohne Kritik an den Grundlagen der NATO und der Verbündeten ist das nicht möglich. Eine solche Kritik hat Werner Rügemer geschrieben, in dem er sich ein Elaborat Winfried Wolfs vorgenommen hat. Erfrischend, wie er eine Reihe der wichtigsten Grundthesen des Westens und Wolfs zerlegt. Am Ende dieses Beitrags dann der Hinweis auf  Wolfs umfängliche Stellungnahme in ihrer Gesamtheit.

Ukraine – Kritik an den Thesen von Winfried Wolf
von Werner Rügemer

Ich halte die Erklärung von Winfried Wolf für ein faktenwidriges, demagogisches, ja lügenhaftes Konstrukt. Dieses harte Urteil scheint mir gerechtfertigt, denn Winfried Wolf als promovierter Wissenschaftler, Ex- Bundestagsabgeordneter und jahrelanger Chefredakteur einer anspruchsvollen Zeitschrift verfügt über ein weit überdurchschnittlich hohes Potential, seine Aussagen einem Wahrheits-Check zu unterwerfen.

Diese harte kritische Beurteilung gilt allerdings nicht für alle Darstellungen, sondern für die entscheidende Diagnose im ersten Teil der Erklärung; der zweite Teil zur Vorgeschichte des Konflikts und der Verhältnisse in der Ukraine enthält viele wichtige und zutreffende Punkte. Dieser zweite Teil wird aber durch den ersten Teil entwertet. Die Erklärung hat zudem dieselbe Struktur wie die von Winfried Wolf mitinitiierte Erklärung „Zero Covid“: Zu Beginn wird die herrschende Pandemie- Diagnose der Bundesregierung, der EU usw. vollständig übernommen, dann folgen im 2. Teil hochkritische antikapitalistische Aussagen. So auch in der Erklärung zur Ukraine.

Einige Kritikpunkte zu Wolfs Diagnose des Ukraine-Konflikts:

1. „Die Ukraine ist ein souveräner Staat“

Die Ukraine ist kein souveräner Staat, sondern ist im Gegenteil mehrdimensional von ausländischen Akteuren abhängig:

die „Farben-Revolution“ von 2014/Maidan war ein typisch westlich mit- organisierter Umsturz: Westliche Subventionierung und Finanzierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Gründung von Medien. Der dann installierte Ministerpräsident Jazeniuk und sein Umkreis waren jahrelang von der Privatstiftung des US-Milliardärs Soros, von der Kommunkationsabteilung der NATO usw. finanziert worden.

Hauptsponsor des jetzigen Präsidenten Selensky ist der Groß-Oligarch Igor Kolomoisky, der auch die Staatsbürgerschaft Zyperns und Israels hat und in Tel Aviv wohnt.

Aus dem Westen – insbes. USA, Kanada, Deutschland/München – kamen die dort seit 1945 staatlich geförderten NS-Kollaborateure nach 1990 schrittweise in die Ukraine zurück. Sie waren die bestorganisierten Kräfte des Maidan 2014. Sie bildeten danach in der Ukraine eigene militärische Formationen, die inzwischen teilweise in das reguläre ukrainische Militär integriert sind und Führungsfunktionen ausüben. Der führende NS- Komplize, Vorsitzender der Partei OUN, beteiligt an zahlreichen Judenmorden während des Weltkriegs, Bandera, agierte nach 1945 von München aus im Kontakt mit CIA, BND und MI6. Sein Grab auf dem Münchener Waldfriedhof ist seit Jahren eine Pilgerstätte der ukrainischen Nationalisten. Auch der langjährige ukrainische Botschafter in Deutschland, Melnyk, fand sich zum ehrenden Gedenken an Banderas Grab ein.

Die USA haben schon vor dem Maidan eine Allianz NATO-Ukraine aufgebaut. Solche Allianzen mit Nicht-Mitgliedern und „prinzipiell“ neutralen Staaten wurden von der NATO verstärkt aufgebaut, auch etwa mit der Schweiz und Österreich, aus denen dann Militärs an US- und NATO-Kriegen teilnehmen, so in Afghanistan. Seit dem Maidan sind die USA zudem mit Militärberatern in der Ukraine präsent, lieferten immer schwerere Waffen, auch Raketen, für die Beschießung der unabhängigen beiden Republiken im Donbas. Mit Zustimmung der USA und der EU haben die ukrainischen Regierungen das Minsker Abkommen verletzt und die vereinbarten Autonomien der beiden Donbas-Republiken verhindert, sie im Gegenteil militärisch bekämpft, mit ca. 14.000 Getöteten.

Die Weltbank vergab an die überschuldete und verarmte Ukraine Kredite, die zu diesen Konditionen keinem normalen Schuldner gewährt werden.

Ein großer Teil der besonders fruchtbaren, wichtigen und wertvollen Böden („Schwarzerde“) gehören insbesondere US-Agrarkonzernen, ebenfalls sind alle wichtigen US-Agrarausrüster wie Cargill in der Ukraine vertreten.

Die Ukraine ist auch deshalb kein souveräner Staat, weil er viele Millionen seiner Bürger nicht ernähren kann, sondern zur Emigration bzw. zur wiederholten migrantischen Arbeit in anderen Staaten zwingt. Etwa 1,5 Millionen Ukrainer arbeiten seit Jahren, teilweise als Pendler, in Niedriglohnsektoren Polens. Ukrainerinnen arbeiten als Niedriglohn- Prostituierte und -Privatpflegerinnen in Westeuropa, vermittelt vor allem durch polnische Agenturen. Etwa 3,3 Millionen sind nach Russland ausgewandert. Mit dem Ukraine-Konflikt zeigte sich, einzelnes Beispiel: Den Lkw-Speditionen in der EU, z.B. mit Sitz in Litauen, fehlen plötzlich etwa 50.000 Lkw-Fahrer: Ukrainer.

2. „Nach dem Staatssozialismus der Sowjetunion wurde in Russland ein neuer Kapitalismus eingerichtet. Er ist auch eine Ursache für die Aggressivität Putins.“

Wolf überspielt hier eine eigentlich weltbekannte, einfache Tatsache: Nach 1990 wurde mit massiver westlicher „Hilfe“ in Russland der Kapitalismus eingeführt, ein Oligarchen-Kapitalismus, wie standardmäßig auch in den meisten anderen ex-sozialistischen Staaten. Am bekanntesten ist der Oligarch Chodorkowski. Sie plünderten zusammen mit westlichen Investoren und auch mithilfe von Briefkastenfirmen in Finanzoasen die Volkswirtschaft aus, verarmten die Mehrheit der Bevölkerung. Die bekannte Führungsfigur war Jelzin: Mit Familienmitgliedern besaß er zahlreiche Schmiergeldkonten in der Schweiz, die westliche Berater einrichten halfen. Der Harvard-Ökonom Jeffrey Sachs gab „wissenschaftlichen“ Beistand. US-Präsident Clinton platzierte seine eigene Wahlkampftruppe in Moskau, um Jelzins zweiten Wahlkampf zu organisieren.

Dann aber kam der Bruch: Dieser korruptive Ausverkauf wurde durch Putin beendet, auch wenn er wegen deren wirtschaftlicher Machtstellung nicht alle Oligarchen loswerden konnte. Der Kapitalismus blieb, aber der wesentliche Bruch war: Putin stoppte den Ausverkauf. Gerade deshalb wird er seitdem immer mehr als Feind, Diktator, Irrationaler, Machtbesessener angeprangert.

3. „Russland wird autoritär regiert“

Das kann sein. Es gibt viele Varianten autoritären Regierens. Auch das korrupte Zwei-Parteiensystem der USA mit dem „tiefen Staat“ ist eine bekannte Variante autoritären Regierens. Auch die EU ist eine autoritäre Variante, die ausdrücklich prioritär die Interessen von

Privatunternehmen vertritt, während das Parlament keine Haushaltshoheit hat und keine Regierung wählen darf. Die Golf-Staaten sind eine andere Variante. Die EU-Oligarchen-Staaten Ungarn, Polen, Litauen, Tschechien usw. werden autoritär regiert. Auch die Pandemie-Politik in Deutschland, die für Wolfs „Zero-Covid“-Erklärung aber noch nicht autoritär genug ist (weil z.B. die Unternehmen nicht geschlossen werden), ist eine Variante autoritären Regierens.

Davon abgesehen, wäre in bestimmten existenziellen Fragen das autoritäre Auftreten demokratischer Staaten etwa gegen die systemische Groß- Steuerflucht der Superreichen und Großkonzerne, beim Verbot der Nutzung von Finanzoasen, bei der Bestrafung der Nichtbezahlung des Mindestlohns, beim Verbot rechtsradikaler bis neofaschistischer Bewegungen usw. sehr sinnvoll.

Auch Jelzin war autoritär, zudem besoffen und korrupt – aber diese Form des autoritären Regierens war offensichtlich (für den US-geführten) Westen gut.

Insofern ist die Charakterisierung Putins als autoritär, selbst wenn sie irgendwie zutrifft, erstens kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal und zweitens hier vor allem keine Erklärung für das Verhalten gegenüber der Ukraine.

4. „Putin = irrational, der Westen = rational“

Wolf bezeichnet Putin als „irrational“, den US-geführten Westen dagegen als „rational“. Natürlich ist das wirtschaftliche, politische, militärische, geheimdienstliche, mediale Vorgehen der USA in vieler, formaler Hinsicht rational, sehr rational. Z.B. haben die bekannten privaten US-Elite- Universitäten wie Stanford, Yale, Johns Hopkins und Harvard hochprofessionelle, rationale Methoden des Regierens, auch des gewinnbringenden privaten Investierens, des Schwächens und Bekämpfens und Vernichtens von Feinden entwickelt. Auch so wurden die USA zur „einzigen Supermacht“ auf- und ausgebaut.

Zu dieser „Rationalität“ gehören aber bekanntlich die tiefe Verarmung, Erkrankung und Verdummung der Mehrheit der eigenen US-Bevölkerung, die Aufrechterhaltung von Rassismus, völkerrechtswidrige Kriege, Regime Changes, Einsetzung von Diktatoren, Failed States usw.

5. „Putin droht mit Atomkrieg“

Selbst der in den ARD-Extras zur Ukraine mehrfach interviewte Militärexperte der Bundeswehrhochschule München, Prof. Casals, bezeichnet die von Putin charakterisierte Sicherheitsstufe als die 2. in einer Vierer-Skala.

6. „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine verursacht eine weltweite Aufrüstung“

Nein, die Aufrüstung begann mit der Gründungslüge der NATO 1949 – gut, das können wir „vergessen“. Aber seit 1990 expandiert die NATO in Richtung Russland, obwohl die Gründungs-Begründung weggefallen ist („kommunistische Gefahr“). Zudem wurden in Richtung Russland mehr als ein Dutzend neue Staaten a) in die NATO aufgenommen, b) mit zusätzlichen US-Militärstützpunkten versehen (Polen, Litauen, Rumänien, Kosovo und mit Offensivwaffen (Kurzstrecken-Raketen) ausgestattet; c) bildeten die USA mit den besonders rechtsradikalen und regional Russland-nahen Staaten Kroatien, Ungarn, Polen, Litauen, Lettland, Estland die besonders aggressive „Ost-NATO“.

Seit Obama, von Trump und Biden forciert, verlangen die USA die zusätzliche Aufrüstung mit der 2 Prozent-Forderung. Seit einigen Jahren werden jährlich mit nach Europa zusätzlich verlegten US-Truppen an der Grenze zu Russland die „Defender“-Manöver durchgeführt. Wie im SIPRI-Bericht vom März 2022 ausgeführt: von 2015 bis 2020 hat keine Region der Erde die Waffenimporte (aus den USA) so gesteigert wie die EU.

Werner Rügemer
Köln, 14.03.2022

Hier zum Text von Winfried Wolf: https://www.freidenker.org/fw17/wp-content/uploads/2022/03/20220307-Winfried-Wolf-Thesenpapier-zu-Ukraine-Russland.pdf

https://www.freidenker.org/?p=12484
18.03.2021

Dr. Paul Michels

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4 Antworten zu Unser AK-Kollege Dr. Paul Michels präsentiert uns den Artikel des Werner Rügemer mit dem Titel „Ukraine – Kritik an den Thesen von Winfried Wolf „!

  1. Heinz-J. Kaltenbach sagt:

    Hier mein Kommentarbeitrag dazu:
    Ukraine-Botschafter Melnyk sorgt mit rechten Äußerungen für Aufruhr – Ukraine-Krise – FOCUS Online

    https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/lassen-sie-das-asow-regiment-in-ruhe-ukraine-botschafter-melnyk-sorgt-mit-rechten-aeusserungen-fuer-aufruhr_id_72001840.html
    Heinz-J. Kaltenbach

  2. Dr. Paul Michels sagt:

    Zur Verdeutlichung hier noch eine Ergänzungserklärung: Hallo Manfred,

    der Wolfsche Artikel ist 18 Seiten lang. Erstens fordert es Zeit und Arbeit, ihn zu lesen, zweitens sollte man die Kritik Rügemers noch immer im Hinterkopf haben, sonst landet man unweigerlich auf NATO-Niveau. Rügemer erkennt von den Entgleisungen des Artikelanfangs durchaus eine intellektuelle Leistung an. Er spricht ihm einen Wahrheitsgehalt zu. Es ist nicht so ganz schwer, herauszufinden, was er meint. Aber der Leser ist gezwungen, konstant zu hinterfragen und kritisch mitzudenken. Nicht jedermanns Sache!
    Möglich ist auch ein Erwachen mit dem Schrecken für wie nah Wolf uns am Armageddon eines dritten Weltkrieges sieht. Dazu sagt Rügemer nichts.
    Wenn der Kreml die zweite von 4 Stufen des GUS-Staatsalarms ausruft, was Rügemer zurecht Wolf entgegenhält, dann ist das als Eigensicherung der Atommacht zu verstehen. Beunruhigend sind die Bestrebungen einer westlichen Führungsmacht, die sich ökonomisch im Niedergang befindet und nur noch in der Bewaffnung die ganze Welt überragt. Reihenweise begeben sich ehemalige Pazifisten in die Gefolgschaft der USA und erklären, aufrüsten zu wollen.
    Der Hinwendung der Ampel zum Militarismus können wir nicht tatenlos zusehen.

    Gruß,

    Paul

  3. Manni Engelhardt sagt:

    Hallo Paul,
    das sehe ich genau wie Du und finde Deinen Zusatz sehr wichtig. Habe ihn als Kommentar sofort freigegeben.
    Kollegiale Grüße
    Manni Engelhardt -AK-Koordinator-

  4. Birgit Heitmann sagt:

    „Solange es Schlachthöfe gibt, wird es Schlachtfelder geben“, sagte Tolstoi.
    Über diesen tieferen Sinn sollte jeder nachdenken. Denn Menschen erziehen sich selbst zur Gleichgültigkeit und zur Brutalität durch ihren Umgang mit Tieren + Natur. Alle Tierkonsumenten finanzieren+ fördern die bestialischen Tierquälereien in der Massentierhaltung -schlachtung. Dort toben sich Sadisten an den wehrlosen Tieren aus, siehe auch Videos von Jan Peifer (Deutsches Tierschutzbüro). Die Massaker hören erst auf, wenn wir keine Tiere mehr essen. Dieser Entschluß fällt leicht, wenn wir wissen, daß die Tiere voller Antibiotika sind und die Konsumenten deshalb antibiotika-resistent werden. Das bedeutet, daß jährlich zigtausende Menschen daran sterben, weil sie im Krankheitsfalle nicht mehr behandelbar sind.

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