Ein Kommentar des AK-Koordinators Manni Engelhardt
Endlich ist der „Bann“ gebrochen; denn ab sofort sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen kein „Freiwild“ mehr!
Der Hintergrund war, dass die Gewerkschaft Ver.di im August 2008 dem Verband der Diakonischen Dienstgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert hatte, dieser jedoch diese Forderung zurückwies.
Konsequenterweise rief Ver.di dann die Mitarbeiter und Mitarbeiter in Diakonischen Einrichtungen des Landes NRW zu Warnstreiks und anderen Kampfmaßnahmen auf.
Die Evangelische Kirche Westfalen und die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover sowie Diakonische Werke, Diakonien und weitere klerikale Institutionen erhoben dagegen Klage beim Arbeitsgericht Bielefeld und bekamen dort am 03.03.2010 ein obsiegendes Urteil, welches die Unterlassung von Streikmaßnahmen gegenüber den Klägern durch die Gewerkschaft Ver.di beinhaltete.
Die Beklagte ging hiergegen in Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm).
Die Berufung hatte Erfolg. Im Gegensatz zum AG Bielefeld sah die 8. Kammer des LAG dies ganz anders. Das LAG urteilte, dass die Klage abzuweisen sei, da auch in kirchlichen Einrichtungen gewerkschaftlich organisierte Streikmaßnahmen nicht grundsätzlich und prinzipiell ausgeschlossen sein dürfen.
Das verfassungsmäßig garantierte Recht der Selbstbestimmung der Kirchen und der Artikel 9 Abs. 3 Grund-Gesetz standen hier zur Abwägung. Dabei spielte es entscheidend eine Rolle, dass in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt werden, deren Tätigkeit nicht zum in christlicher Überzeugung geleisteten Dienst am Nächsten zählen.
Und ein delikater Leckerbissen des LAG Hamm in seiner Begründung ist, dass bestimmte Aufgabenbereiche mit Hilfsfunktionen (z. B. Reinigungsdienste) ausgegliedert und auf nichtkirchliche Einrichtungen übertragen werden können!
Dieser Begründungsteil schmeckt mir am besten; denn es sind gerade und oft prekäre Arbeitsverhältnisse die bei Ausgliederungen entstehen! Damit sind die Arbeitgeber die ausgliedern und zu denen oftmals die Kirchen gehören, endlich einmal diesbezüglich in den „Finger geschnitten“. Für diese wird die Entscheidung des LAG Hamm zu überlegen geben, was das geringere Übel für sie ist.
Ferner hatten sich die Kläger beim AG Bielefeld auch auf den „Dritten Weg“ berufen und den Beschlusskörper („Arbeitsrechtliche Kommission“) als gleichwertiges System zur Regelung der Arbeitsbedingungen dem Artikel 9 Abs. 3 Grund-Gesetz gegenübergestellt. Auch diesen Begründungsteil verwarf das LAG Hamm u. a. mit dem Hinweis, dass die formale Gleichheit der Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberstimmen in der Kommission die im Vergleich zum staatlichen Tarif- und Arbeitskampfrecht erkennbaren Beschränkungen der kollektiven Interessensvertretung nicht ausgleichen.
Damit ist endlich einmal eine Entscheidung getroffen worden, die die exorbitante „Freiwildsituation“ der Beschäftigten in kirchlichen Institutionen deutlich einschränkt.
Diese Entscheidung kann ich nur begrüßen!