Liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) hatten wir Euch ja am gestrigen Tage die Erzählung unseres AK-Mitgliedes, nämlich des Schriftstellers und Kollegen Dinarin Aleksandar Nikolic (http://ak-gewerkschafter.com/?s=dinarin+aleksandar+nikolic), unter dem Titel „Blumenmeer auf Zlatibor“ (Teil I) zwecks Wochendentspannungslektüre auf unsere Homepage gepostet. Diesen Teil I könnt Ihr durch den Klick auf den nachstehenden Link noch einmal auf- und in Erinnerung rufen:
Heute nun folgt, wie versprochen zum Wochende, der Teil II dieser wunderschönen Story, der auch einen Epilog des Schriftstellers selbst enthält.
Wir wünschen Euch weiterhin unterhaltsame Lektüre beim Lesen des II Teils und des dazugehörigen Epilogs.
Für den AK Manni Engelhardt –Koordinator-
„Blumenmeer auf Zlatibor“ (Teil II) und Epilog von Dinarin Aleksandar Nikoloic:
„Las Vegas, in der Luxussuite eines Luxushotels.
Amora Argentina lag auf dem Himmelbett, erschöpft vom abendlichen Auftritt. Gerade zwanzig Jahre alt, kam ihr der Weg bis zu diesem Augenblick, seit ihrem ersten Auftritt im Simon Bolivar in Buenos Aires, unendlich lang vor. Sie wusste, es war alles wie gewöhnlich. Die Presse würde am kommenden Morgen überschäumende Berichte über ihren Auftritt bringen.
Dass sie immer Wogen der Begeisterung auslöste, lag daran, dass sie das, was sie vermittelte auch lebte. Die Sehnsucht, die Glückseeligkeit empfand sie so intensiv, dass sie alle, die sie sahen, tief berührte. Allen war bekannt, dass sie die Liebe verkörperte und gerade das brachte ihr unzählige glühende Verehrer.
Ihr Agent bestand darauf, dass sie ausgesuchten, hochkarätigen Verehrern ein gemeinsames Abendessen gewährte. Sie wusste, diese Herren hatten horrende Summen für diesen Abend bezahlt. Und so manch ein Verehrer war von dem Irrtum überzeugt, Geld und Macht wären für Jana so erotisierend, dass sie ihnen nicht widerstehen könne. Gerade mit diesen Herren spielte Jana ein Spiel, das ihr deshalb Freude bereitete, weil sie diesen Herren unmissverständlich vermittelte, dass das was sie für wichtig, weltbewegend und unumgänglich hielten, für sie vollkommen nichtig und bedeutungslos war.
Alle Verehrer dieses Kalibers waren am Ende des Abends peinlich ergriffen von der eigenen Dummheit und Unzulänglichkeit und von Begierde geplagt im vollen Bewusstsein, dass Amora Argentina mit absoluter Sicherheit ihre Begierde niemals stillen wird.
In Las Vegas verweilte Amora Argentina eine längere Weile, an einen Vertrag gebunden und der gesamte Tross, der ihr folgte, Agent, Manager und Bodygards, war vor Ort und ließ ihr kaum Luft zum Atmen. Eines Abends war es wieder einmal soweit. Eine enorm mächtige graue Eminenz, nur Eingeweihten bekannt, hatte ein Abendessen mit Amora Argentina gekauft.
Sie saßen einander gegenüber, und der Herr eröffnete Amora eine Welt, in die er sie mitnehmen wollte, dass es ihr nur so graute. Sie spielte ihr gewohntes Spiel und der Herr sah in ihr bezaubernd schönes Gesicht und sie strahlte Sinnlichkeit aus. Er sah in ihren wunderschönen Augen das Feuer der Liebe lodern, im vollen Bewusstsein das es niemals ihm galt und niemals gelten würde. Er bekam, von Peinlichkeit gequält einen hochroten Kopf, entschuldigte sich verstört für eine Weile, stolperte und hätte sich beinahe der Länge nach hingelegt, behielt aber das Gleichgewicht und ging.
Amora Argentina saß ungerührt, vollkommen ruhig da und konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Jetzt saß sie alleine am Tisch und ließ ihren Blick durch das Nobelrestaurant schweifen. Zu ihrer Linken war die Bar. Sie sah nur kurz hin, aber ihr Blick blieb auf dem Gesicht eines jungen Mannes haften. Sie spürte einen kurzen Stich, denn sie erkannte das Gesicht. Es war der junge Mann von ca. 30 Jahren, groß, schlank und von sehr angenehmem Äußeren, den sie am Vorabend, während ihrer Aufführung in einer der ersten Reihen sitzen gesehen hatte. Während sie sang und tanzte, streifte ihr Blick immer wieder sein Gesicht, das sich in ihrem Gedächtnis eingeprägt hat.
In diesem Moment sah der junge Mann sie an, und ihre Blicke vertieften sich ineinander, und beide fühlten eine Kraft in sich aufsteigen, ein nie dagewesenes Gefühl durchströmte ihre Körper.
Im gleichen Augenblick umringte der Tross, Agent und Bodygards Amora Argentina und geleiteten sie hinaus.
Der junge Mann, Milan, blieb an der Bar sitzen.
Am darauffolgenden Abend hatte Amora nach harten Verhandlungen mit ihrem Agenten erreicht, für ein paar Minuten alleine und unbeobachtet das Restaurant vom gestrigen Abend besuchen zu können. Um die gleiche Zeit, wie am Vorabend betrat sie den Gastraum und ging zur Bar. Ihre Erwartung, Milan dort zu sehen, erfüllte sich nicht.
Doch bevor sie den Barkeeper fragen konnte, beugte sich dieser über die Bar zu ihr und übermittelte mündlich eine Nachricht, die Milan an sie gerichtet hatte. Milan erklärte, er hätte am Vorabend auf sie gewartet, weil er seit Jahren sie und nur sie gesucht habe. Aber gerade in dieser Nacht hatte er, einem Auftrag gemäß, eine Reise zu einem anderen Kontinent anzutreten. Er sagte, er werde niemals aufhören sie zu suchen und wenn er nach vielen Jahrzehnten der Suche sie möglicherweise nicht finden sollte, würde er sie nie vergessen und immer lieben.
Amora lächelte sanft, als sie die Nachricht hörte und dachte – mit Sicherheit sehen wir uns sehr bald wieder.
Amora Argentina setzte ihre Reise um die Welt fort. Und was sie dachte, erfüllte sich sehr bald. In irgendeiner Metropole dieser Welt, bei einem arrangierten Treffen mit ihrem Publikum stand Milan in der ersten Reihe und sie steckte ihm einen Zettel zu, auf dem Ort und Zeit für ein Treffen benannt waren.
Von nun an, trafen sich Amora und Milan immer wieder, an verschiedensten Orten des blauen Planeten, denn Amora entwickelte eine Geschicklichkeit ihrem Gefolge unbemerkt für ein bis zwei Stunden zu entrinnen.
Bei einem dieser Treffen erfuhr Amora, was Milan durch die Welt reisen ließ.
Er erzählte ihr, sein Großvater hätte ihm kurz bevor er starb, den Auftrag gegeben, Männer an den verschiedensten Orten der Welt aufzusuchen, Männer die der Großvater seit Jahrzehnten gekannt hat, um ihnen jeweils eine Nachricht zu überbringen. Der Großvater hatte ihm auch gesagt, dass es unter günstigen Bedingungen dennoch einige Jahre dauern könne, bis der Auftrag erledigt wäre.
Das Vermögen, das der Großvater ihm hinterlassen hat, ermöglichte ihm, den Auftrag unbelastet von Gedanken an die Finanzierung zu erfüllen.
Nach dem Sinn hatte Milan nie gefragt und den Zweck und das Ziel dieses Auftrags hatte der Großvater mit ins Grab genommen. Milan hielt sich genau an die Worte seines Großvaters.
Bei einem anderen Treffen erzählte Milan, der verborgene Winkel dieser Welt gesehen hatte, vom Blumenmeer im Frühling, auf Zlatibor. Und er sagte, dass er, wenn er seinen Auftrag erfüllt hat, noch einmal Zlatibor aufsuchen würde.
Amoras und Milans Wege trennten sich für eine längere Weile, als Amora nach Europa reiste und Milan irgendwo war, ohne dass ihr sein Aufenthaltsort bekannt war. Doch schon als Amora mit ihrem Gefolge in Europa ankam, hatte sie einen Entschluss gefasst. Die Reise sollte zu den Metropolen Europas führen und der letzte Auftritt sollte in Athen stattfinden.
Mittlerweile waren zwei Jahre vergangen, seit Amora und Milan sich in Las Vegas in die Augen sahen. Nach einer Winterpause, gerade begann der Frühling, führte der Weg nach Athen über den Balkan. Amora erreichte die Balkanmetropole Belgrad. Hier stieg sie mit ihrem Gefolge in einem Hotel ab, in dem die Hälfte der vorhandenen Zimmer für sie und ihr Gefolge reserviert war. Schon in der ersten Nacht in Belgrad, setzte Amora ihren Entschluss um. Weit nach Mitternacht nahm sie eine kleine Reisetasche in der sie die nötigsten Dinge hatte und entkam dem Gefolge unbemerkt. Sie tauchte unter in der Frühlingsnacht Belgrads.
Ihr Ziel war das 400 km entfernte Zlatibor. Am folgenden Abend erreichte sie das Tiefland um Zlatibor. Ein Bauer brachte sie das letzte Stück des Weges über den Pass ins Hochland, auf einem mit Stroh bedeckten Ochsenkarren.
Jana hatte niemals über ihre Herkunft gesprochen und dem Agenten war nichts weiter über sie bekannt, als ihr Vorname, so dass es zwecklos war, nach ihr zu suchen.
Die Schlagzeilen der Weltpresse, die sich in wilden Vermutungen und Spekulationen wochenlang überschlugen, erreichten Jana auf Zlatibor nicht.
Jana lag immer noch auf der Unterlage aus Moos und Narzissen. Der Tag war, seit dem sie am Morgen auf die Anhöhe kam, wie im Flug vergangen. Es war Nachmittag und angenehm warm.
Wieder einmal hatte sie sich in die Erinnerungen an die Vergangenheit vertieft und was ihr schon lange klar war, fand erneut Bestätigung. Sie hatte die einzig mögliche Entscheidung getroffen und empfand ein Glücksgefühl darüber, dass sie dieser Scheinwelt in der sie war, die sie niemals wollte, entronnen war.
Sie stand auf und ging zum Hof, in dem Milutin und Draga sie erwarteten.
Der Frühling verging, und der heiße Sommer wirkte in den sonnigen Frühherbsttagen noch nach. Schon bald wehten die ersten Herbstwinde. Die Blätter der Bäume, die die Umzäunung des Hofes umstanden, verfärbten sich. Als das erste Herbstgewitter um Mittag Wolken am Himmel auftürmte und den Tag verdunkelte, saß Jana im ersten Stock des Hauses im Hof und beobachtete das Naturschauspiel. Blitze zerrissen die Wolken, die sich in einer ganz kurzen Weile entluden und dichter Regen tränkte die Erde. Das Gewitter dauerte nicht lange, sehr bald verschwanden die Wolken und der graue Schleier löste sich auf. Der Himmel erstrahlte in einem azurblau und die Sonne stand hoch am Himmel. Dennoch war es kühl. Jana zog den wärmenden langen Mantel und die Stiefel an und ging hinaus.
Sie wollte noch einmal auf die Anhöhe, die jetzt im Herbst von dichtem, grünen Gras bedeckt war. Sie wollte sich von den sanften, jetzt noch grünen Hügeln verabschieden, um nach dem, in dieser Gegend sehr hartem Winter im Frühling wieder zu kommen. Sie erreichte den weißen Kreidestein und setzte sich. Ihren Blick richtete sie zum Horizont, der Wind wurde stärker und es wurde kühler. Der Herbst hatte ein eigenes Licht mitgebracht, dache sie und es war genau so. Die klare Luft erlaubte eine klare Sicht bis zum Horizont. Über dem Horizont war ein sehr sanftes Lichtspiel zu sehen, geradezu nur angedeutet und denoch waren blasse Farben in Pastelltönen zu erkennen. Von einem Rotschimmer bis zu einem leisen grünen Band schillerte der Himmel über dem Horizont.
Jana fröstelte ein wenig und gerade als sie zum Hof zurückkehren wollte, sah sie am Horizont einen Mann, der offensichtlich zum Hof in der Senke ging. Trotz der großen Entfernung, erkannte sie Milan.
Jana und Milan blieben den Herbst und den Winter über auf Zlatibor. Als der Frühling kam und das Blumenmeer auf Zlatibor in der Hochblüte stand, begaben sie sich auf den Weg, denn ihnen war klar, dass sie nur für eine gewisse Weile zu Gast auf Zlatibor waren.
Der Weg führte sie an irgendeinen Ort und es ist vollkommen unbedeutend welcher Ort das war. Bedeutend ist allerdings, das gewiss war, das sie die Tage der Ewigkeit die vor ihnen lag, und zwar jeden einzelnen Tag, in Glückseeligkeit verbringen werden.
Und Jana wird nie vergessen das
Blumenmeer auf Zlatibor.
Epilog des Schriftstellers selbst:
Ich weiß und ich weiß nicht. Werde ich erinnert, weiß ich genau, werde ich nicht erinnert, weiß ich mit Sicherheit nicht. Es kann jedoch geschehen, dass ich ab und an in die Abgeschiedenheit dieser Wohnung, die ich an diesem Ort bewohne, abtauche.
Dann bin ich einsam und empfinde Faszination in der Einsamkeit und dann weiß ich genau.
Und ich weiß genau, das Blumenmeer auf Zlatibor ist verblüht – und es wird nicht mehr blühen. Und ich weiß, den golden schimmernden Fichtenwald gibt es nicht mehr.
Diese Wunder der Natur fielen der grenzenlosen Zerstörungswut der Menschen zum Opfer.
An deren Stelle stehen Luxushotels. Etliche Skipisten fallen ab von der Hochebene ins Tal. Dieser Ort ist ein berühmter Luftkurort – etliche Kurkliniken stehen dort, wo sich das Blumenmeer über die sanft gewölbten Hügel ergoss.
Und ich werde nie vergessen
Zlatibor
Dinarin Aleksandar Nikolic“