Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unser Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis- (AK-) Mitglied, der Schriftsteller Dinarin Aleksandar Nikolic (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=dinarin+aleksandar+nikolic), hat zum Wochenende wieder eine Story für uns auf Lager! Dieses Mal erzählt er uns die Geschichte unter dem Titel „Die gesungene Speisekarte“. Diese lohnt sich zu lesen, denn sie ist nicht nur erheiternd, sondern stimmt auch ein klein wenig nachdenklich.
Aber lest bitte selbst.
Für den AK Manni Engelhardt –Koordinator-
Nach einer wahren und witzigen Begebenheit erzählt von Dinarin Aleksandar Nikolic:
„Die gesungene Speisekarte
Eine Erzählung von Niemand erzählt und Niemand weiß die Wahrheit.
Damals besuchte ich, ab und an, die Raucherlounge einer Bar. Der Abend neigte sich der Nacht. Ich bestellte ein Bier, genoss die Ruhe und die leise Musik. Die anderen Gäste sprachen mit gedämpften Stimmen und der Raum war erfüllt von einer gewissen Harmonie. Ich dachte noch – ein hervorragender Abschluss des Tages, weil diese Harmonie auch mich erfasste.
Ich sah mich um. Nur wenige Gäste waren anwesend.
Kurz darauf betrat ein Ehepaar (vermutlich), nach meiner Schätzung einiges jenseits des Rentenalters, die Raucherlounge und setzte sich an einen der freien Tische. Das bemerkte ich nebenbei, ohne besonders auf die beiden zu achten. Allerdings dachte ich, wenn die Beiden ein Ehepaar sind, dann sind sie es seit Jahrzehnten. Diese alten Werte, gebe ich zu, erfreuen mich im Gegensatz zu den heutigen, auf Verschleiß ausgerichteten Normen, um immer mehr und immer schneller Neues schaffen zu können.
Ich saß da, dachte nichts mehr, sah ab und an in Richtung der beiden, die jeweils ein Getränk vor sich stehen hatten, vollkommen regungslos waren und sie schwiegen. Mittlerweile war eine halbe Stunde vergangen, als ich bemerkte, dass der Ehegatte sich leise regte, nach der Speisekarte griff und sie leise und mit sanften Bewegungen öffnete.
Mit einer sanften, leisen Stimme begann er die angebotenen Speisen vorzulesen, zugegebenermaßen gefühlvoll intoniert. Die Ehegattin bekam einen verklärten Blick, und ich war sicher, sie genoss die dargebotene Unterhaltung ihres Ehegatten.
Nach ca. einer gewissen Weile legte der Ehegatte, nachdem er langsam, bedeutungsvoll und einfühlsam das komplette Angebot vorgelesen hatte, die Speisekarte sanft und geheimnisvoll zur Seite. Es folgte eine weitere halbe Stunde Schweigen, wahrscheinlich um dieses Ereignis genussvoll nachwirken zu lassen, dann verließ das Ehepaar die Raucherlounge.
Ich saß da, ich muss zugeben ich hatte das Gefühl, einen vollkommen depperten Ausdruck im Gesicht zu haben, wunderte mich, kam aber dennoch zu der Überzeugung, dass nur das die Ursache für die Jahrzehnte währende Ehe sein kann.
Einige Minuten später hatte ich die Fassung, nach diesem beeindruckenden Erlebnis zurück gewonnen und dachte: Ja, dieser Ehegatte hatte seiner Frau einen faszinierenden Abend bereitet.
Sie wird sicher noch lange davon zehren. Daraufhin entschied ich, so etwas auch zu versuchen und ein Unterhaltungs-Programm für Frauen zu entwickeln. Gerade am darauf folgenden Abend, ich war in der Raucherlounge, ein Bekannter begleitete mich, führte ich meine Variante vor.
Ich nahm die Speisekarte und zur Musik des Stückes: „If tomorrow never comes“ sang ich die Speisefolge herunter.
Zum Beispiel:
Bohnensüppchen mit Würstchen
Schnittchen-Brettchen mit Aufschnittchen
oder
Sauerbraten mit Klößchen und Prinzessböhnchen.
Ich dachte, das ist es. Ein erprobtes Unterhaltungsprogramm, das ich dem Chef des Cafés anbieten könnte, um in der Raucherlounge interessierten Damen eine faszinierende, meditative Unterhaltung zu bieten.
Gegen Bezahlung natürlich.
DINARIN ALEKSANDAR NIKOLIC“