Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben erreicht uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) eine Mitteilung des Kollegen Fred Maintz (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=fred+maintz) zum Thema „Die EU-Anti-Sozial-Politik“.
Wir haben diese Mitteilung nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage und in die Kategorie „SOZIALPOLITIK“ (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/sozialpolitik/) gepostet.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Fred Maintz teilt mit:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Grundsätze des Sozialabbaus
Alexander Ulrich hält die »Europäische Säule sozialer Rechte« für »im besten Fall unnütz«
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bringt es auf den Punkt, wenn er kritisiert, dass die zwanzig Grundsätze der »Europäischen Säule sozialer Rechte« zwar viele schöne Worte enthalten, die allerdings als unverbindliche Absichtserklärung wenig bringen. Zwar ist von sozialen Rechten die Rede. Doch gerade eins sind die Grundsätze nicht: rechtsverbindlich. Auch nach der feierlichen Proklamation bleibt es bei vagen Lippenbekenntnissen.
Auch legt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann den Finger in die richtige Wunde, wenn er auf das grundlegende Problem der Unterordnung sozialer Grundrechte unter das Wettbewerbsrecht hinweist. Genau diese Hierarchie hat in den vergangenen Jahren immer wieder dazu geführt, dass nationalstaatlich verankerte Arbeitnehmerrechte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) attackiert wurden. So kam es zu zahlreichen arbeitnehmerfeindlichen Urteilen, beispielsweise in Fragen der Tarifautonomie oder des Streikrechts. Auch das deutsche Modell der Mitbestimmung steht in Luxemburg auf dem Prüfstand und muss sich daran messen lassen, ob es den Binnenmarktfreiheiten nicht zuwider läuft.
An diesem Grundproblem ändert die soziale Säule rein gar nichts. Im Gegenteil: Künftig könnte es sogar noch häufiger zu derartigen Attacken kommen. Nicht nur gegen Arbeitnehmerrechte, sondern in vielen Bereichen der sozialen Sicherheit.
Vergegenwärtigen wir uns zunächst, was die EU-Kommission unter Sozialpolitik versteht. Aufschluss gibt ein Blick in das sogenannte Reflexionspapier, das ebenfalls Teil der Säule ist: Der steigenden Lebenserwartung will man durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters begegnen. Die immer höheren Flexibilitätsansprüche der Unternehmen sieht man als Chance für abwechslungsreichere Berufslaufbahnen. Hohe Arbeitslosigkeit in einem Land will man bekämpfen, indem man die Auswanderung in ein anderes Land erleichtert. Sogar die sinkende Geburtenrate will man angehen, indem man den Arbeitnehmern noch mehr Flexibilität abverlangt.
Europäisches Recht sticht dann nationales Recht. Der EuGH käme noch häufiger als bisher in die Verlegenheit, in Konfliktfällen dem europäischen Recht Geltung zu verschaffen – zulasten der im Zweifelsfall großzügigeren nationalstaatlich verankerten Rechten. So schön die Vorstellung eines sozialen Europas mit starken sozialen Rechten für alle EU-Bürger auch ist, sozialpolitische Kompetenzen sind vorläufig bei Kommission und EuGH in schlechten Händen.
Grundlage jeder sinnvollen, nicht neoliberalen europäischen Sozialpolitik müsste sein, dass Sozialstandards in den EU-Verträgen systematisch Vorfahrt vor dem Wettbewerbsrecht und den Binnenmarktfreiheiten erhalten – beispielsweise durch eine soziale Fortschrittsklausel. Die soziale Säule macht diesen Schritt nicht einmal ansatzweise. Deswegen ist sie im besten Fall unnütz. Im schlechtesten Fall richtet sie großen Schaden an.