31.März2020
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs
Gericht zu Corona-Beschränkungen: „Kontaktverbot“ kann nur Empfehlung sein – kein Verbot
Wer den Mindestabstand von 1,5 Metern zu Personen außerhalb seines Haushalts nicht einhält, kann mit einem Bußgeld von 150 Euro belegt werden. So sieht es die bayerische Verordnung zu den verhängten Ausgangsbeschränkungen vor. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das nun relativiert. Ein generelles Verbot sei nicht verhältnismäßig. Es handle sich lediglich um eine Empfehlung. Ein Bußgeld kann nur in bestimmten Fällen verhängt werden. Geklagt hatte ein Jurist aus der Oberpfalz.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in München vom gestrigen Montag liest sich zunächst nicht spektakulär. Der Eilantrag eines Klägers aus der Oberpfalz, einzelne Bestimmungen der „Bayerischen Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie“ außer Kraft zu setzen, wird abgelehnt. Das Bayerische Gesundheitsministerium bekommt also in vollem Umfang recht – die Ausgangsbeschränkungen sind rechtens. Ein Blick in die Begründung des Beschlusses zeigt allerdings: Die Bayerische Staatsregierung hat in wesentlichen Teilen der Verordnung geschlampt. Sie ist in wesentlichen Teilen nämlich überhaupt nicht vollziehbar.
Präambel, aber kein vollziehbares Gesetz
Dies gilt laut der Entscheidung zum einen für folgenden Passus:
„Jeder wird angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.“
Diese Aufforderung habe lediglich den Charakter einer Präambel und sein kein vollzieh-, geschweige denn durchsetzbares Gesetz. Auch die in der Verordnung festgelegte und per eigens erlassenen Katalog mit einem Bußgeld bewehrte Forderung nach einem Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 Metern kann bei einem Verstoß demnach überhaupt nicht geahndet werden.
„Einhaltung des Mindestabstands muss dem Normadressaten überlassen bleiben.“
Die gewählte Formulierung entspreche nicht einer vollziehbaren (und bei Verstoß denn auch auch mit Bußgeld belegten) Regelung, sondern einer „wenn auch nachdrücklichen und dringlichen Empfehlung“. Und, so der Verwaltungsgerichtshof weiter:
„Selbst wenn es überhaupt möglich sein sollte, einen räumlichen Abstand zwischen zwei Personen zentimetergenau zu definieren, ohne wenigstens die jeweils maßgeblichen Messpunkte vorzugeben, ergibt sich aus der ausdrücklichen Einschränkung des Verordnungsgebers, der Mindestabstand sei nur ‚wo immer möglich‘ einzuhalten, dass die Einhaltung und Kontrolle des Abstands im Einzelfall letztlich den Normadressaten überlassen bleiben muss.“
Anders ausgedrückt: Jeder muss selbst entscheiden, ob und wann er sich an diese Regelung hält, oder ob man in diesem speziellen Fall eine Ausnahme von der Regel für richtig und notwendig hält.
Erst nach einer Anweisung kann es teuer werden
Die Frage, ob die Wahrung des geforderten Abstands im konkreten Fall überhaupt möglich, oder ob eine Unterschreitung vielleicht gerade zulässig ist, beinhalte so viele Möglichkeiten und Varianten, „dass die genannte Einschränkung hier zum Verlust einer unmittelbaren Regelungswirkung führt“. Der Vollzug des Abstandsgebotes „bedarf deshalb einer Konkretisierung im Einzelfall (…) durch die zuständigen Vollzugsbeamten“.
Anders ausgedrückt: Es braucht zunächst eine direkten Weisung durch einen Polizeibeamten oder den Mitarbeiter des Ordnungsamtes, den Mindestabstand einzuhalten. Erst, wenn man sich dann weigert, dieser Anweisung zu folgen, könnte – wenn überhaupt – ein Bußgeld (laut dem erlassenen Katalog 150 Euro) verhängt werden, aber nicht generell. Ein generelles Verbot, sich jemanden auf einen kürzeren Abstand als 1,5 Meter zu nähern, widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so das Gericht.
Um es kurz zu machen: Folgt man dem Gericht, dann handelt es sich bei dem Kontaktverbot – Abstand mindestens 1,5 Meter – lediglich um eine (derzeit wohl auch sinnvolle) Empfehlung. Verstöße dagegen können nur im Ausnahmefall überhaupt geahndet werden. Die Drohung mit einem Bußgeld von 150 Euro mag zwar viele dazu bewegen, sich daran zu halten, ist aber zunächst einmal unwirksam.
Richter fordern fortlaufende Überwachung und Evaluierung
Ganz grundsätzlich halten die Richter die Verordnung derzeit im Hinblick auf die Pandemie für zweckmäßig und geboten. Sie fordern aber auch eine fortlaufende Überwachung und Evaluierung, ob die damit verbundenen Grundrechtseingriffe „noch erforderlich und notwendig“ sind:
„Dabei dürften die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit umso strenger werden, je länger die Regelungen schon in Kraft sind. Sollte sich die Unverhältnismäßigkeit einzelner Regelungen herausstellen, wären diese auch vor Ablauf des befristeten Geltungszeitraums unverzüglich aufzuheben.“
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Sicherlich sind jetzt wieder Nachbesserungen in der „Bastelstube“, die diese richterliche Entscheidung aushöhlen werden und vielleicht schon ausgehöhlt haben.
Aber immerhin, es gab diese Entscheidung!
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-