BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) HAT BEI EINEM BETRIEBSÜBERGANG EINE VERFRISTUNGSKLAGE ABGEWIESEN! BAG-Urteil vom 10. November 2011 mit dem Az.: 8 AZR 277/10.

EIN KOMMENTAR UNSERES AK-KOORDINATORS MANNI ENGELHARDT

Das BAG hat am 10.11.2011 eine Entscheidung getroffen, die für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beachtenswert sein muss; denn in unserer schnelllebigen Zeit sind Betriebsübergänge immer öfter und in allen Branchen möglich.

Der Regelungsparagraf 613 a BGB ist hier sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeberseite wichtig; denn hier sind u. a. auch die entsprechenden Widerspruchsfristen fixiert.

Diese Fristen wurden allerdings im Entscheidungsfall –so das BAG- durch die Klägerin verwirkt.

Die Klägerin war bei der Beklagten in einem Call-Center als Agentin beschäftigt. Die Beklagte unterrichtete nachweisbar mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 ihre Mitarbeiter darüber, dass zum 01. Dezember 2008 ein Betriebsübergang des Call-Centers auf die T-GmbH stattfindet.

Die Klägerin, die nachweisbar über diesen geplanten Schritt der Beklagten informiert worden war, widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die T-GmbH zunächst nicht, sondern erbrachte weiterhin ihre Arbeitsleistung.

Ferner schloss die Klägerin mit der Beklagten am 13. Mai 2009 einen Auflösungsvertrag zu ihrem bestehenden Arbeitsverhältnis, der am 30. Juni 2009 das Arbeitsverhältnis beenden soll. Die Klägerin sollte dann bei ihrem Ausscheiden die im Auflösungsvertrag vereinbarte einmalige Sonderzahlung und eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten. Mir völlig unverständlich widersprach die Klägerin jedoch mit Anwaltsschreiben vom 18. Mai 2009 gegenüber der Beklagten den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses, den die Beklagte nach meinem Dafürhalten mit gutem Recht zurückwies; denn hier hätte der Anwalt der Beklagten sie auf die rechtliche Sachlage und die Aussichtslosigkeit eines derartigen Handelns aufmerksam machen müssen.

Die Klägerin hielt ihren Widerspruch jedoch für rechtzeitig, um nicht zu sagen fristgerecht, was ich ganz offen gesagt, in das Reich der Fabel verweisen muss. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass entweder der Streitwert so hoch gelegen hat, dass sich der Anwalt, ob obsiegend oder nicht, auf das ihm nach BRAGEBO zustehende Salär konzentriert hat, und nicht auf eine objektive Rechtsberatung seiner Mandantin, oder die Mandantin wider besserer Belehrung auf die Durchführung der Klage bestanden hat? Dies kann natürlich dahingestellt sein; denn für die Sache ist die Beantwortung dieser Frage obsolet!

Die Klägerin schlug jedenfalls den arbeitsgerichtlichen Weg ein, verlor jedoch das Verfahren bis zum Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, das am 18. Februar 2010 die Klage zurückwies (LAG-Urteil vom 18. Februar 2010 mit dem Az.: 5 Sa 2573/09). Das LAG begründete die Abweisung der Klage damit, dass die Klägerin ihr Widerspruchsrecht dadurch verwirkt habe, weil sie einen Auflösungsvertrag geschlossen habe. Deshalb könne es dahinstehen, ob die Prüfung der einschlägigen Bestimmungen des § 613 a Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 eingehalten wurden.

Die Revision wurde jedoch zugelassen. Ich denke, dass es sich hier auch um einen Fall mit präjudiziellem Charakter handelt, der zur endgültigen Abklärung einer BAG-Entscheidung bedurfte.

Der 8. Senat des BAG wies, wie es eigentlich zu erwarten stand, die Revision der Klägerin zurück. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Widerspruch der Klägerin vom 18. Mai 2009 als verspätet angesehen werden muss. Das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 25. Oktober 2008 habe den gesetzlichen Erfordernissen genügt. Die Widerspruchsfrist habe mit Zustellung des Unterrichtungsschreibens an die Klägerin zu laufen begonnen.

Gerade im Zeitalter des „TURBO-KAPITALISMUSSES“, wo die prekären Arbeitsverhältnisse wahnsinnig zunehmen, ist es naiv, anzunehmen, das Arbeitsgerichte irgendwelche „Bonbons“ für Arbeitnehmer bereithalten. Aber auch die Auswahl der Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter muss sehr sorgfältig vorgenommen werden, damit von vorneherein „Bauchlandungen“ ausgeschlossen werden können. Eine solide Rechtsberatung im Vorfeld der Einleitung von Arbeitsgerichtsverfahren erspart Ärger, Zeit, Geld und Enttäuschungen.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 68/2011 des BAG vom 10. November 2011)

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