Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit großem Interesse haben wir als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) zur Doppelbesteuerung der Renterinnen und Renter vom gestrigen Tage (31.05.2021) zur Kenntnis genommen. Die Pressemitteilung des
haben wir nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet.
Presseservice des Bundesfinanzhofs
Pressemitteilungen
Zur sog. doppelten Besteuerung von Renten II – Bei privaten Renten kann es systembedingt nicht zu einer doppelten Besteuerung kommen
31. Mai 2021 – Nummer 020/21 – Urteil vom 19.05.2021
X R 20/19
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer zweiten Entscheidung vom 19.05.2021 (X R 20/19) zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente
und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann. Zudem hat er entschieden, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers gehören, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Die Revision der Kläger, die eine doppelte Besteuerung eines Teils der bezogenen Renten beanstandet hatten, blieb ohne Erfolg.
Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 % an. 42% der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die „Rürup“-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz. Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Kläger hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.
Der BFH sah dies anders. Er entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind. Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.
Dagegen teilte der BFH die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist. Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre. Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.
Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen.
Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder „Rürup“-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Kläger begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen. Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung.
Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
Bundesfinanzhof
Pressestelle Tel. (089) 9231-400
Pressesprecher Tel. (089) 9231-300
Siehe auch: X R 20/19
Dazu teilt der DGB (http://ak-gewerkschafter.com/category/dgb/) folgende Einschätzung auf seiner Homepage mit:
Deutscher Gewerkschaftsbund
PM 032 – 31.05.2021
Rente
Doppelbesteuerung von Renten: Politik muss endlich handeln
Zur heutigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur sogenannten Doppelbesteuerung von Renten sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Montag in Berlin:
„Unabhängig von der Lage der Einzelfälle, über die der Bundesfinanzhof zu urteilen hatte, zeigen die Urteile deutlich: Die Politik muss endlich handeln. Sie darf nicht abwarten, bis weitere höchstrichterliche Urteile sie dazu zwingen werden. Viele Betroffene haben bereits ein hohes Alter erreicht. Sie sind sofort auf eine gerechte Behandlung angewiesen, nicht erst in Jahren.
DGB/lightfieldstudios/123rf.com
Aus Sicht des DGB ist es offenkundig, dass Rentnerinnen und Rentner teilweise doppelt besteuert werden: Der bis 2040 schrittweise auf 100 Prozent ansteigende steuerpflichtige Teil der ausgezahlten Rente berücksichtigt die Besteuerung in der Einzahlungsphase nicht hinreichend. Angesichts dessen, dass Beitragszahlungen zur Rentenversicherung noch bis 2025 teilweise besteuert werden, sollte viel länger als derzeit vorgesehen ein Teil der Rentenleistung nicht besteuert werden. So könnte eine doppelte Besteuerung ausgeschlossen werden.
Mehr als 140.000 Widersprüche gegen Steuerbescheide haben sich mittlerweile angesammelt, bei denen es um die grundlegende Frage geht, wie steuerpflichtige Einzahlungen sauber von steuerfreien Auszahlungen abgegrenzt werden können. Angesichts dieser Summe sollten die Finanzminister der Länder endlich pragmatisch handeln und ihre Finanzämter anweisen, die angefochtenen Steuerbescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen.
Grundsätzlich brauchen Rentnerinnen und Rentner Erleichterungen und Unterstützung bei der Erstellung der Steuererklärung: Wir fordern bundesweit vereinfachte Steuererklärungen für Rentnerinnen und Rentner und ausreichend Beschäftigte in den Finanzämtern, die bei Nachfragen Hilfestellung geben können.
Die Automatisierung des Informationsaustausches zwischen Fiskus und Rentenversicherungsträgern muss weiter beschleunigt und auch zur Umsetzung eines anteiligen monatlichen Steuerabzugs durch den jeweiligen Rentenversicherungsträger genutzt werden. Steuerpflichtige, die das ablehnen, sollten diesem Verfahren widersprechen können.“