EIN KOMMENTAR UNSERES AK-KOORDINATORS MANNI ENGELHARDT
Als Deutschlands dienstältester Personalratsvorsitzender habe ich in meiner 33-jährigen, ununterbrochenen Personalratstätigkeit eine Vielzahl von Kündigungsverfahren gegen mich erleben dürfen, die allesamt vor den für die Personalräte zuständigen Verwaltungsgerichte gescheitert sind.
Meine diesbezügliche Erfahrung hat gezeigt, dass die Arbeitgeber oftmals gegen kritische Belegschaftsvertreter zum Mittel der außerordentlichen Kündigung greifen, nach dem Motto: „Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein!“.
Im vorliegende Fall wurde seitens des Arbeitgebers gegenüber dem freigestellten Betriebsratsmitglied des Daimler-Werkes Untertürkheim der Vorwurf des Arbeitszeitbetruges erhoben.
Da ein Betriebsratsmitglied nach §§ 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), 103 I und II Betriebsverfassungsgesetz nur aus außerordentlich wichtigen Gründen mit Zustimmung des Betriebsrates gekündigt werden.
In dem Fall, wo der Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung versagt, wie es in vorliegender Sache geschehen ist, kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers die Kündigung ersetzen.
In dem sich dann anschließenden Beschlussverfahren vor dem ArbGb ist der betroffene Arbeitnehmer dann sogenannter Beteiligter. Die Entscheidung des ArbG kann dann die verweigerte Zustimmung des Betriebsrates ersetzen.
Der vorliegende Kündigungsversuch basierte auf einen anonymen Hinweis. Dieser beinhaltete, dass das zur Kündigung stehende Betriebsratsmitglied (Beteiligter) an drei Tagen im Juli und August dieses Jahres im Werk Untertürkheim erst eingestempelt habe, danach dann seine Ehefrau zu ihrem Arbeitsplatz zum Werk Mettingen gebracht habe und danach nach Untertürkheim zurückgekehrt sei. Ferner machte die Arbeitgeberin weitere „Verdachtsmomente“ diesbezüglicher pflichtverletzender Natur aus der Vergangenheit geltend, was ich für „starken Tobak“ erachte; denn wäre dies belegbar gewesen, hätte die Arbeitgeberin den Beteiligten in der Vergangenheit zumindest abmahnen müssen, was offensichtlich nicht geschehen ist.
Der Beteiligte, der 1952 geboren ist, seit über 40 Jahren betriebszugehörig ist und seit 1990 dem Betriebsrat angehört, machte geltend, dass die Arbeitgeberin sein Nachrücken als Ersatzmitglied in den Aufsichtsrat bei Daimler verhindern will. Da kann ich nur sagen: „NACHTIGALL, ICK HÖR DIR TRAPSEN!“.
Das Arbeitsgericht folgte dem Antrag des Arbeitgeberin nicht, und wies den Zustimmungsersetzungsantrag zurück, wobei ich dann feststellen darf, dass Deutschland ob solcher Entscheidungen noch nicht ganz verloren ist. Möchte aber meine Bezeichnung „Bananenrepublik Deutschland“ trotzdem aufrecht erhalten; denn „einige Schwalben machen noch keinen Sommer“!
In seiner Begründung wies das ArbG darauf hin, dass, selbst unterstellt, der Vorgang hätte sich im Juli und August 2011 genau so zugetragen, dies eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigt hätte.
Die vorzunehmende Interessensabwägung ist vor allem, so das ArbG, angesichts des Lebensalters des Beteiligten und seiner 40-jährigen Zugehörigkeit zum Unternehmen, zu seinen Gunsten auszulegen.
Bezüglich der „Verdachtsmomente“ auf ähnlich gelagerte Fälle in der Vergangenheit, sah das ArbG keine Grundlage zu einer Verdachtskündigung. Da hat das ArbG gut daran getan; denn wo kämen wir auch hin, wenn mit nicht bewiesenen „Verdachtsmomenten vorgeblicher Arbeitsvertragsverstöße“ Betriebs- und Personalratsmitglieder fristlos zu entlassen wären?
Dem ArbG kann ich zu seiner Entscheidung mit Standing nur gratulieren! Bleibt jetzt abzuwarten, ob die Arbeitgeberin mit dieser Entscheidung in die II. Instanz marschiert. Wir bleiben dran!
(Quelle: Pressemitteilung des ArbG Stuttgart vom 14.12.2011)