Liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) möchten wir selbstverständlich auch den Hinweis des Kollegen Fred Maintz (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=fred+maintz) zum faktenreichen Buch mit dem Titel „A wie asozial. So demontiert Hartz 4 den Sozialstaat“
zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage und in die Kategorie „HARTZ IV“ (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/hartz-iv/ ) posten, was nachstehend geschehen ist.
Kollege Maintz hat zur Erklärung den entsprechenden Online-Artikel aus der Zeitung JUNGE WELT nachstehend zitiert.
Wir empfehlen den Kauf des Buches sehr!
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
Fred Maintz stellt vor:
„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
anbei der heutige jW-Artikel zum faktenreichen Buch „A wie asozial. So demontiert Hartz 4 den Sozialstaat“:
Fred Maintz“
Profitables Sanktionsregime
Durch Hartz IV wurde ein riesiger Niedriglohnsektor errichtet. Über Entstehungsgeschichte und Auswirkungen der »Arbeitsmarktreform«
Von Jana Werner
Was Hartz IV bedeutet, konnte jeder schon vor zwölf Jahren wissen: Erwerbslosenprotest auf einer Straßenkreuzung beim Checkpoint Charlie am 19. August 2004 in Berlin
Foto: Christian-Ditsch.de
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Franziska Reif und Tobias Prüwer legen mit »A wie Asozial. So demontiert Hartz IV den Sozialstaat« ein faktenreiches, konsequent für die unmittelbaren Opfer Partei ergreifendes und wütendes Buch gegen die Agenda 2010 und ihre Macher vor.
Der Band ist in insgesamt elf Abschnitte untergliedert. Darin wird der Entstehungshintergrund der Hartz-IV-»Reform« nachgezeichnet, die Institution Jobcenter samt zugehörigem Bürokratismus und versuchter Arbeitsvermittlung eingeführt, die Medienkampagne gegen Erwerbslose analysiert und auch Möglichkeiten von Widerstand behandelt. Es werden dabei einerseits umfangreiche Daten und Berichte ausgewertet, andererseits kommen ausführlich Betroffene beider Seiten des Schreibtischs – Hartz IV-Bezieher und Jobcenter-Mitarbeiter – zu Wort. Letztere sind oftmals selbst von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen: »Es gibt sicher Mitarbeiter, die der Meinung sind, was Besseres zu sein. Aber: Wenn es ganz schlecht läuft, dann sitzen die in 13 Monaten auf der anderen Seite vom Schreibtisch.«
Daraus entsteht ein Rundumschlag, der überdeutlich werden lässt, dass Hartz IV in erster Linie ein asoziales Gängelungssystem ist, dass – entgegen dem Gesetzeswortlaut viel fordert und kaum fördert. Das Autorenduo trägt unzählige – von lokalen Selbsthilfegruppen dokumentierte – Beispiele von Überwachungen und Strafen gegenüber arbeitslosen Menschen zusammen und lässt diejenigen selbst zu Wort kommen, über die sonst viel zu oft nur geredet wird. Die Autoren berichten über die alltägliche Sanktionspraxis der SGB-II-Vollstrecker in den Amtsstuben. Die findet jenseits großer Skandale statt, wie etwa die Rekrutierung und temporäre Bezahlung von Saisonarbeitskräften für den Handelsriesen Amazon. »Manchmal werden Zahlungen an Hilfeempfänger einfach ohne Angaben von Gründen eingestellt. Als ein Bezieher der Grundsicherung sich an seinen Sachbearbeiter wandte, sagte dieser sinngemäß: ›Wir machen das manchmal, um zu überprüfen, ob die Leute überhaupt noch leben.‹«
Aber auch die Profiteure des Hartz-IV-Zwangsapparates werden benannt, so üben Reif und Prüwer Kritik an der »Armenindustrie und Tafeln«, deren bloße Existenz zeige, dass die materielle Daseinsfürsorge im bundesdeutschen Sozialstaat nicht mehr gewährleistet sei. Von der Möglichkeit einer Existenzsicherung durch sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit auf breiter Ebene scheine auch kaum mehr jemand ernsthaft auszugehen. Vielmehr werde das Ehrenamt als »Good-Will-Industrie« hoch gepriesen und »als Ausdruck demokratischer Beteiligung gefeiert, gar als Zeichen einer solidarischen (und damit intakten) Gesellschaft. Dabei ist sie weit eher ›Folge der steuerlichen Entlastung für Reiche und Unternehmen.‹« Das nenne sich dann Bürgerverantwortung und Empowerment und werde auch Hartz-IV-Beziehern mit mehr oder minder sanftem Zwang als adäquate Gegenleistung für erhaltene Sozialleistungen nahegelegt.
Hervorhebenswert ist die Zusammenstellung von Solidarität und Protest gegen die Zumutungen von Hartz IV, darunter eine Ohrfeige für Gerhard Schröder auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2004, mit der ein arbeitsloser Lehrer gegen die Agenda- 2010-Politik protestieren wollte und die er mit der Aussage »Meine Tat ist unanständig, basta, aber nicht ungerecht!« kommentierte.
Im abschließenden Kapitel resümieren die Autoren, dass Hartz IV eine massive Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen bewirkt habe – die auch so gewollt war, denn Gerhard Schröder prahlte bereits 2005 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: »Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.«
Leider verfallen die Autoren am Ende in eine grundsätzliche Reflexion über den Sinn von Erwerbsarbeit und fordern, vor dem Hintergrund der These, dass das Ende der Arbeitsgesellschaft gekommen sei, eine Neubestimmung von Arbeit in der Gesellschaft. Diese Neubestimmung müsse quasi als »Pionierarbeit« von den Erwerbslosen ausgehen, die ihrem »Dasein ohne Arbeit (…) einen Sinn zu geben versuchen.« Die Autoren fordern, dass »Arbeit (…) aus dem Mittelpunkt rücken, anderes ins Zentrum treten und die Erwerbsarbeit als Grundbestimmung des Menschen verblassen« müsse. Die Autoren schließen mit der Hoffnung, dass »der Hartz-IV-Komplex (…) in der Funktion eines Antipoden den Keim einer kritischen Bewegung, die darauf zielt, nicht dermaßen regiert zu werden« bereits enthalte, jedoch noch »zu Bewusstsein finden« müsse.
Hier führen die Autoren ihre Einsicht nicht konsequent fort, dass Hartz IV, durch Druck auf das gesamte Lohngefüge und rechtliche Auswirkungen im Steuer- und Pfändungsrecht sowie durch forcierte Abstiegsängste Nocherwerbstätiger, nicht nur Erwerbslose, sondern alle Lohnabhängigen trifft. Aber gerade hier gilt es, politisch anzusetzen – für ein soziales Recht auf Arbeit mit existenzsichernden Löhnen. Der Slogan »Hartz IV muss weg!« ist unvermindert aktuell.