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Kollege Fred Maintz informiert:
Liebe Kolleginnen ,liebe Kollegen,
Bundesfinanzminister Scholz will zwar die längst überfällige Finanztransaktionssteuer (Tobin-Steuer) auf Börsengeschäfte einführen, aber sie wurde fast bis zur Unkenntlichkeit abgespeckt 🙁 ; NICHT besteuert werden:
1.) die im Vergleich zu Aktien noch (viel) spekulativeren Derivate
2.) alle ausländischen Unternehmen (mit Börsengeschäften hier in Deutschland)
3.) deutsche Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung bis 1 Milliarde (1.000.000.000) €.
Zum Thema habe ich Euch nachstehend einen etwas umfangreicheren Beitrag zukommen lassen
Mit kollegialen Grüßen
Fred Maintz
Finanztransaktionssteuer:
Eine Idee und was von ihr blieb
Sorgt die von Olaf Scholz geplante Finanztransaktionsteuer für mehr Gerechtigkeit? © Tomas Engel für DIE ZEIT
INHALT
- Seite 1 — Eine Idee und was von ihr blieb
- Seite 2 — Die Fans fühlen sich betrogen
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 48/2019. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.
Später wurde die Sache auch als Tobin-Steuer bekannt. Denn der Wirtschaftswissenschaftler James Tobin schlug sie im Jahr 1972 verändert vor: als Steuer auf alle Devisengeschäfte, um die Spekulation mit Währungen zu verringern.
Das Ziel vieler Befürworter der Steuer war also oft genau das: Spekulation verteuern und damit verringern. Hinter diesem Ziel konnten sich gerade viele eher linke Ökonomen und Politiker versammeln. Doch sie waren nicht allein. Im Jahr 2011 riefen tausend Ökonomen die G20-Staaten auf, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Darunter waren berühmte amerikanische Forscher wie Jeffrey Sachs, gewerkschaftsnahe deutsche Ökonomen wie Achim Truger, der heute Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft ist. Aber auch ein überraschender Unterzeichner: Bernd Lucke.
Der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), inzwischen wieder hauptamtlich als Wirtschaftsprofessor tätig, ist zu diesem Zweck nicht kurzzeitig nach links gedriftet. Vielmehr steht er heute noch fest zu seiner damaligen Haltung: „Dass eine Finanztransaktionssteuer sinnvoll ist, ist meine Meinung und war auch politisch immer unsere Position“, sagt er. Tatsächlich steht die Forderung sogar noch im aktuellsten Europa-Wahlprogramm der AfD, die Lucke schon 2015 verlassen hat.
Den konservativen Ökonomen fasziniert etwas anderes an der Steuer als Keynes und Detlev von Larcher. Es geht ihm nicht um Spekulation. Dieser, so glaubt er, ist per Steuer sowieso nicht beizukommen. Ihm geht es um Gerechtigkeit für die Bürger gegenüber den Banken. Das klingt auch ein wenig nach Robin Hood. Lucke bleibt aber lieber sachlich. Er vergleicht die Steuer mit einer Versicherung. „Banken haben eine implizite Überlebensgarantie durch den Staat“, sagt er. Das habe man in der Finanzkrise gesehen. Der Staat sei also eine Art Versicherung für die Banken. „Deshalb muss man sie an den Kosten dieser Überlebensgarantie beteiligen.“ Die Steuer ist in diesem Denken die Versicherungsprämie, die alle Finanzakteure zahlen, um zu finanzieren, dass sie im Notfall vom Steuerzahler gerettet werden.
Lucke ist nicht der Einzige, der das richtig findet. Auch den ehemaligen Finanzminister der CDU, Wolfgang Schäuble, trieb die Frage um, wie man die Banken an den Kosten künftiger Finanzkrisen beteiligen könnte. Eine Idee war die Finanztransaktionssteuer, die Schäuble lange befürwortete, am Ende aber nicht durchbrachte. Es kursieren unterschiedliche Geschichten darüber, wie ernst es ihm war. Mancher im Finanzministerium glaubt: nicht so ernst. Ex-SPD-Mann von Larcher glaubt: sehr ernst. Einst übergab er Schäuble eine Liste mit 750.000 Unterschriften für eine Finanztransaktionssteuer. „Mein Unterstützer kommt!“, habe der Finanzminister gerufen.
Es gab und gibt also viele Fans der Steuer, quer durch die politischen Lager. Umso kurioser, dass nun, da sie kommt, keiner jubiliert. Es scheint, als sei nur noch einer überzeugt, dass die Art, wie Olaf Scholz die Sache umsetzen will, gut ist: Olaf Scholz selbst. Nicht einmal als kleinen Einstieg wollen viele die Sache werten.
Das liegt daran, dass die Scholzsche Steuer reichlich abgemagert ist. Der Finanzminister will sie an einer Steuer orientieren, die es in Frankreich schon gibt und ähnlich in Italien. Das ist eine reine Börsensteuer, die erstens nur auf Geschäfte mit Aktien erhoben wird und zweitens wiederum nur auf Aktien von inländischen Unternehmen, die sehr groß sind: über eine Milliarde Euro Marktkapitalisierung. Sowohl internationale als auch kleinere Firmen bleiben außen vor sowie der Großteil der Finanzgeschäfte: Derivate beispielsweise, das sind Finanzinstrumente, die zur Absicherung dienen können, mit denen man aber auch auf künftige Preise spekulieren kann.
Letzteres kann Detlev von Larcher regelrecht empören. Ihm geht es darum, Spekulation zu verhindern. Die sieht er nicht so sehr im Aktienhandel, sondern eben in Geschäften mit Papieren wie Derivaten. „Dass gerade die außen vor bleiben, zeigt, dass es Scholz gar nicht um die Einhegung von Finanzmärkten geht, sondern nur um Steuereinnahmen.“ Von Larcher hat schon im vergangenen Jahr beschlossen, nicht weiterzukämpfen. „Es hat keinen Sinn“, sagt der 82-Jährige.
Es gibt natürlich Gründe für die Scholzsche Magerkur. Sie ist ein Kompromiss. So wollte der Finanzminister sinnvollerweise eine Lösung zusammen mit anderen europäischen Ländern. Da es hier viel Skepsis gab, wurde die Steuer schmaler und schmaler. Und selbst bei diesem Mager-Vorschlag ist nicht sicher, dass ihn am Ende wirklich eine kleine Gruppe von Vorreiterländern durchbringen wird.
Scholz kokettiert damit, die Sache notfalls einfach in Deutschland einzuführen. Das findet wenig Anklang unter Ökonomen. „Eine Finanztransaktionssteuer ergibt nur Sinn, wenn sie auf internationaler Ebene in vergleichbarer Höhe eingeführt wird“, sagt etwa Bernd Lucke. Sonst können professionelle Händler in andere Länder ausweichen. Nur Kleinanleger, die nicht ausweichen können, zahlen die Steuer. Eine Versicherungsprämie ist das nicht mehr.
Scholz’ Transaktionssteuer wird also keine der Ideen befriedigen, die ihre Fans einst im Kopf hatten: Sie bremst weder die Spekulation, noch beteiligt sie Banken wesentlich an der Kosten einer Finanzkrise.
Das alles muss man nicht unbedingt bedauern. Es gab immer schon gewichtige Stimmen, die die Steuer für Unsinn hielten. Kaum effektiv gegen Spekulation und kompliziert einzuführen. So, wie sie jetzt kommen soll, bringt sie nichts, aber sie schadet auch nicht viel.
Den Fans wäre es trotzdem lieber, sie käme gar nicht. Denn sie fühlen sich betrogen. Hunderttausende Menschen haben sie vom Sinn der Steuer überzeugt. Nun kommt, so sehen sie das, jemand daher, der sie nur scheinbar einführt und sich dafür feiern lassen will. Sie fürchten, dass viele Leute das nicht durchschauen. Detlev von Larcher will die Scholzschen Pläne deshalb umtaufen. Eine Börsensteuer sei das, sagt er, nicht mehr. So solle sie auch genannt werden.