Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben haben wir als Gewerkschafter/innen-Arbeitskreis (AK) eine Mitteilung des Herrn Werner Schell (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=werner+schell) erhalten. Darin thematisiert der Vorstand des Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerks den Dozenten-Ärger in Neuss (VHS-Rücktritt wegen Forderung nach Führungszeugnis).
Wir haben seine komplette Mitteilung nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet und in der Kategorie „GESUNDHEITSPOLITIK“ (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/gesundheitspolitik/) archiviert.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
**************************************************
Herr Werner Schell teilt mit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich (79) habe als Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk jahrelang an der Volkshochschule Neuss beanstandungslos ältere Menschen über die Patientenautonomie am Lebensende bzw. über das Patienten- und Pflegerecht informiert. Auch für dieses Jahr waren entsprechende Vorträge verabredet. Aufgrund zahlreicher Ehrungen und meines jahrzehntelangen ehrenamtlichen Engagements bin ich hier und darüber hinaus gut bekannt und schien damit den Verantwortlichen bislang bestens geeignet. Die Vortragsveranstaltungen waren öffentlich, die Teilnahme kostenlos.
Nun haben der Bürgermeister der Stadt Neuss und die Volkshochschulleitung vor einigen Tagen ultimativ von mir verlangt, ein Erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, im Wesentlichen gestützt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Da es keine nachvollziehbare Begründung für diese Forderung gab, musste ich das Vorgehen als völlig absurd einstufen und habe konsequenterweise meine Vortragstätigkeit als beendet erklärt. Dazu hat auch die Neuss-Grevenbroicher Zeitung bereits am 04.03.2019 berichtet. In den sozialen Medien wurde heftig diskutiert. In zahlreichen Statements wurde komplettes Unverständnis über die Generalverdachtsaktion mir gegenüber geäußert.
Ich habe heute, 09.03.2019, Gelegenheit genommen, die Neuss-Grevenbroicher Zeitung nochmals anzuschreiben. Diesen Brief füge ich zu Ihrer Unterrichtung unten an. Sie können meine Hinweise gerne für eine Berichterstattung verwenden.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
|
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk Unabhängige und gemeinnützige Initiative Vorstand: Werner Schell – Harffer Straße 59 – 41469 Neuss Tel.: 02131 / 150779 – E-Mail: ProPflege@wernerschell.de |
09.03.2019
An die
Neuss-Grevenbroicher Zeitung
Lokalredaktion Neuss
Sehr geehrter Herr Jansen, sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben am 04.03.2019 unter dem Titel „Dozenten-Ärger in Neuss – VHS-Rücktritt wegen Forderung nach Führungszeugnis“ berichtet und in Kürze meine Sichtweise vorgestellt. Der Beitrag ist im Netz abrufbar unter folgender Adresse > https://rp-online.de/nrw/staedte/neuss/neuss-vhs-ruecktritt-wegen-forderung-nach-erweitertem-fuehrungszeugnis_aid-37122385
Ich komme heute noch einmal auf die Angelegenheit zurück:
Der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer hantiert ohne Differenzierung mit Generalverdacht gegenüber unbescholtenen BürgerInnen (darüber haben Sie am 04.03.2019 berichtet) und hat mir zu meiner Eingabe vom 25.02.2019 bis heute keine abschließende Beurteilung übermittelt. Da ich aber Klarheit schaffen wollte, habe ich der Volkshochschule (VHS) Neuss am 06.03.2019 nochmals verdeutlicht, dass ich meine jahrelange beanstandungslose Tätigkeit als Dozent für die Bereiche Patientenautonomie am Lebensende, Pflegerecht und Pflege nicht mehr fortsetzen werde. Eine Vortragstätigkeit unter „Generalverdacht“ ist für mich nicht akzeptabel!
Je länger ich darüber nachgedacht habe, umso mehr Argumente tauchten auf, das praktizierte Verfahren, dem eigentlich schlimme Verdächtigungen gegenüber einer Vielzahl von Personen zugrunde liegen, zu kritisieren. Wenn es irgendwelche Bedenken hinsichtlich einer Anstellung geben sollte, muss man im Zweifel differenziert vorgehen. Pauschal alle in einen Topf zu werfen, hat bei einer verständigen Würdigung aller Umstände mit einer wertschätzenden Umgangsform und dem Gleichheitsgrundsatz nichts zu tun. Man könnte auch andere grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter dagegen halten.
Dass der Bürgermeister Reiner Breuer bis heute nicht in der Lage war, mir selbst eine Antwort zukommen zu lassen, wirft im Übrigen allerlei Fragen auf. Ich habe ja gefragt, ob er auch selbst ein Erweitertes Führungszeugnis vorgelegt hat. Diese Frage könnte man auch an alle Führungskräfte richten, die so energisch für den Generalverdacht gegenüber einer Vielzahl von engagierten ehrenamtlich tätigen BürgerInnen eintreten.
Man muss diese Frage letztlich auch aufwerfen im Zusammenhang mit Einzelvorträgen von bekannten Persönlichkeiten! So haben Sie z.B. am 08.03.2019 einen Vortrag über den Nahen Osten für den 11.03.2019 in der VHS angekündigt. Herr Rainer Hermann, Redakteur der FAZ, wird vortragen. Hat dieser auch ein Erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen? Wenn nicht, warum? Es sollen doch angeblich alle gleich behandelt werden. Ich war auch nur für allgemein zugängliche eintrittsfreie Veranstaltungen eingeplant und nicht etwa für irgendwelche Kursangebote für einen eingeschränkten Personenkreis.
„Wenn der Klügere nachgibt, haben wir bald die Herrschaft der Dummen.“
Bode Hauser ((1946-2004; Fernsehjournalist und Moderator)
Die Anforderung eines Erweiterten Führungszeugnisses soll vornehmlich dem Kinder- und Jugendschutz dienen. Ich selbst habe aber bei meinen Vorträgen weder mit Kindern noch mit Jugendlichen Kontakt und informiere eher ältere bis hochaltrige Personen. Wer soll denn unter solchen Fakten eigentlich vor wem geschützt werden? So hatte ich bei meinen bisherigen Vorträgen nur die „älteren Semester“ als ZuhörerInnen. Jüngere fühlen sich von meinen Themen (leider) nicht angesprochen. …
Man ist immer gut beraten mitzudenken und auch behördliche Vorgaben zu hinterfragen. Gerade seit einigen Jahren erscheint dies nötiger dennje. Es ist für mich einfach nicht nachvollziehbar, unter den gegebenen Umständen aufgrund eines willkürlichen Generalverdachts Straffreiheit etc. überprüfen und bestätigen zu lassen. Das ist der entscheidende Grund für meine Reaktion. Natürlich gäbe es ein Führungszeugnis ohne Einträge … Aber das ist doch überhaupt nicht entscheidend. Wer von mir nach jahrelanger Lehrtätigkeit eine Bestätigung über meine Führung verlangt, kann bei mir damit nicht ankommen! …. Dass ich in Neuss und Umgebung aufgrund meiner umfangreichen ehrenamtlichen und gemeinnützigen Aktivitäten gut bekannt bin, kommt hinzu.
Mit dem Erfordernis, umfangreich Erweiterte Führungszeugnisse zu verlangen, ist ein Bürokratismus entstanden, der offensichtlich auch als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Bürgerämter und Strafregisterführer verstanden werden kann. Damit werden dann auch noch erhebliche Gebühren erhoben, die die kommunalen Kassen füllen helfen. So wird dann verständlich, dass sich ein Bürgermeister ungern von solchen Einnahmen verabschiedet und sich gegen eine Differenzierung und gute Umgangsformen entscheidet.
Wer es übrigens mit dem Kinder- und Jugendschutz in dieser Gesellschaft ernst meint, hat eigentlich genügend andere Betätigungsfelder: Jedes sechste Kind ist übergewichtig und voraussichtlich im Erwachsenenalter vielfältigen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sein (u.a. Diabetes Typ 2 wird die Folge sein). Dann wurde aktuell berichtet, dass bereits heute jedes vierte Kind chronisch krank ist. Am 06.03.2018 berichtete die DAK über 465.000 Risiko-Camer. Heute wird in der NGZ berichtet, dass in Wülfrath aus gegebenem Anlass die Kinderschuhe geprüft werden. … usw. … So gesehen gibt es für alle, die sich um das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen bemühen wollen, genügend Betätigungsfelder. Aber leider passiert insoweit zu wenig …. All das wäre zu diskutieren und im Interesse der Kinder und Jugendlichen aufzugreifen. Nein, stattdessen wird mit bürokratischen Mitteln und Generalverdächtigungen gegenüber unbescholtenen BürgerInnen agiert.
Mittlerweile sind hier übrigens dutzende Mitteilungen eingegangen, die meine Auffassung teilen und die Vorgehensweise der VHS bzw. der Stadt Neuss scharf verurteilen.
Mit der Entscheidung, nicht mehr für die VHS Neuss tätig zu sein, sind alle Vortragsankündigungen (z.B. für den 25.03., 08.04. und 13.05.2019) und die Planungen für den Herbst 2019 hinfällig geworden. Ich werde aber sicherstellen, dass für interessierte BürgerInnen in Neuss und in der Region in anderer Form über die Patientenautonomie am Lebensende und über das Patientenrecht weiter informiert wird. Zum Thema Pflege gibt es bereits genügend Informationsangebote von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, z.B. Pflegetreff am 17.04.2019 mit einem hochkarätigen Podium. Näheres dazu unter folgender Adresse > http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?f=7&t=22968 bzw. http://www.wernerschell.de/aktuelles.php Die nächste Vortragsveranstaltung zum Thema Patientenautonomie am Lebensende wird am 21.05.2019, von 15.00 – 17.00 Uhr, im Bürgerhaus Neuss-Erfttal stattfinden. Weil es in den letzten Jahren wiederholt gerichtliche Entscheidungen zum Thema gegeben hat und vielfältige aktuelle Fragen zur Organspendebereitschaft im Zusammenhang mit Patientenverfügungen aufgeworfen worden sind, war die Ansetzung eines neuen Vortragstermins wichtig. In einem allgemeinen Ankündigungstermin wird vieles deutlich:
Patientenautonomie am Lebensende – Vollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung
Zur Selbstbestimmung der Patienten am Lebensende bzw. bei schwerer Krankheit bestehen unterschiedliche Auffassungen. Immer wieder wird gefordert, auch in der BRD aktive Sterbehilfe per Gesetz zu erlauben. Die Meinungsvielfalt zu diesem Thema hat offensichtlich viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert. Wie die Rechtslage? Welche Möglichkeiten haben Sie konkret, für den Sterbeprozess bzw. die schwere Krankheit in geeigneter Weise durch Willenserklärungen wie Vollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung vorzusorgen. Fragen über Fragen: Wie geht man rechtlich und ethisch korrekt mit den Menschen um, die sich (tatsächlich oder mutmaßlich) am Ende ihres Lebens befinden und eines Beistandes und der Hilfe bedürfen? Welche Rechte hat der Patient, der Sterbende?
Was dürfen bzw. sollen Ärzte und Pflegekräfte tun? Welche Maßnahmen sind zulässig, welche eher nicht? Wie sollen sich die Angehörigen eines Patienten/Sterbenden verhalten? Was dürfen die Angehörigen von den Gesundheitsberufen erwarten? Diese und zahlreiche weitere Fragen türmen sich auf und verlangen nach Antworten! Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1.9.2009 Regelungen zur Patientenverfügung in das Betreuungsrecht übernommen und damit die bereits durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Patientenautonomie am Lebensende bestätigt. Ungeachtet dieser neuen gesetzlichen Vorschriften mangelt es an der notwendigen Klarheit, weil die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten offensichtlich anhaltend unterschiedlich eingeschätzt werden. Der Bundesgerichtshof hat allerdings am 25.06.2010 ein richtungsweisendes Urteil zur Patientenautonomie gefällt. Mit dieser Entscheidung, die die Patientenrechte gestärkt haben, sollte man sich in Grundzügen vertraut machen. Dabei werden auch Erwägungen zu berücksichtigen sein, die sich aus dem Patientenrechtegesetz und den Neuregelungen zur Organspende ergeben.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Infos auch bei https://www.facebook.com/werner.schell.7 bzw. https://twitter.com/SchellWerner
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von „Bündnis für GUTE PFLEGE„.
ist Unterstützer der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen„.
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei „Runder Tisch Demenz“ (Neuss).