geht es Ihnen auch so? Es kommt mir vor, als gehen die Jahre immer schneller vorbei. Auch dieses Jahr ist wieder unheimlich viel passiert. So auch in der Handelspolitik. Dabei sind für unser Netzwerk vor allem zwei Themen im Vordergrund gestanden: CETA und der ECT. Zwei sperrige Abkürzungen mit viel Sprengkraft.
Es war ein kalter und windiger erster Dezember. An diesem Tag ratifizierte der Bundestag das CETA-Abkommen und sagte damit Ja zu einer Paralleljustiz mit Sonderklagerechten für global agierende Konzerne. Gemeinsam protestierten wir mit einer über vier Meter hohen Justitia-Figur für Demokratie, Rechtsstaat, Klima-, Verbraucherschutz und gegen CETA. Seit Jahren setzen wir uns für eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik ein. So schauen wir diese Tage mit Ehrfurcht auf das zurück, was wir in den letzten Jahren alles bewegt haben. Mit Hunderttausenden Menschen waren wir auf der Straße, sammelten Millionen von Unterschriften, waren zusammen die größte Bundesverfassungsbeschwerde der Bundesrepublik. Und auch dieses Jahr haben wir nochmal alles gegeben. So fanden über 60 Aktionen in ganz Deutschland gegen die Ratifizierung von CETA statt. Auch mit unseren kanadischen Partnerorganisationen machten wir in einem gemeinsamen Statement deutlich, dass das Abkommen nicht ratifiziert werden darf. Und doch ist es passiert. CETA wurde mittlerweile von Bundestag und Bundesrat ratifiziert. Gerade einmal drei Gegenstimmen kamen von Grünen Abgeordneten. Um der Kritik an der Inkraftsetzung des Investitionsschutzkapitels mit Sonderklagerechten für Konzerne entgegenzuwirken, kündigte die Bundesregierung eine Interpretationserklärung an, die sie zur Voraussetzung für die zweite und dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes machte. Diese Erklärung ist bis heute nicht verabschiedet! Sowohl der Bundestag, der Bundesrat, als auch die Öffentlichkeit wurden hier also offensichtlich getäuscht. Solch ein Verfahren darf sich nicht wiederholen! Wie geht es mit CETA jetzt weiter? Für uns steht fest, dass wir auch weiterhin alle politischen und juristischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, nutzen werden, um die vollständige Inkraftsetzung zu verhindern. In 10 EU-Ländern steht die Ratifizierung des Abkommens noch aus. Wir werden die Zivilgesellschaften vor Ort unterstützen.
Nach der großen Niederlage noch ein großer Erfolg: Denn zeitgleich mit der Ratifizierung von CETA beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus dem Anti-Klima-Abkommen ECT. Für uns war immer klar: Wir fallen auf den ECT-CETA-Kuhhandel nicht rein. Wer A sagt, muss auch B sagen. Es ist völlig unlogisch, ein Abkommen wegen dessen Schiedsgerichten zu verlassen und ein weiteres mit genau diesem Mechanismus zu ratifizieren. Dennoch ist der Ausstieg aus dem ECT nicht kleinzureden. Nach Jahren des Protests und mehr als 15 gescheiterten Modernisierungsversuchen des fossilen Relikts beschloss die Bundesregierung, sich der Austrittswelle anderer Staaten anzuschließen und den Vertrag zu kündigen. Konzerne wie Uniper, RWE oder Vattenfall haben den ECT in den vergangenen Jahren für teilweise milliardenschwere Klagen gegen Staaten genutzt, die aus fossilen Energien aussteigen oder höhere Umweltschutzstandards einführen wollten. Alleine in Deutschland schützt der Vertrag fossile Investitionen in Höhe von mehr als 54 Milliarden Euro. Damit stellt der Vertrag eine große Gefahr für die Energiewende und unsere Demokratie dar. In Zeiten der schlechten Nachrichten gehen die guten oft unter. Doch diesen Erfolg müssen wir feiern. Immer wieder haben wir in den vergangenen Jahren über die Entwicklungen rund um den Energiecharta-Vertrag berichtet. Wir haben mehr als eine Million Unterschriften für den Ausstieg gesammelt, regelmäßig über die Gefahren des Vertrags aufgeklärt und in Berlin vor dem Kanzleramt sowie in Brüssel vor dem Energiecharta-Sekretariat protestiert. Der Ausstieg aus dem ECT zeigt deutlich auf: Wir können viel bewegen. Wir können Erfolge feiern. Es wird weiter an uns liegen, die Handelspolitik kritisch zu begleiten.
Jetzt sollten wir aber erst einmal durchatmen und die Feiertage genießen, um gut in ein hoffentlich friedlicheres neues Jahr starten zu können. Auch nächstes Jahr steht handelspolitisch wieder viel auf dem Spiel. Darüber werden wir Sie in Zukunft regelmäßiger über unseren Newsletter informieren.
Wir danken Ihnen für den Einsatz, die Ausdauer, die Kraft, den Mut und die Entschlossenheit, die Sie in diesem Jahr an den Tag gelegt haben. Es wäre uns eine große Freude, mit Ihnen weiter kämpfen zu dürfen, für eine sozial-gerechte und ökologische Handelspolitik ohne Sonderklagerechte für Konzerne.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch in ein gesundes und friedliches 2023!
Herzliche Grüße
Ludwig Essig
Koordinator Netzwerk gerechter Welthandel
www.gerechter-welthandel.org
Im Netzwerk Gerechter Welthandel setzen sich über 50 Mitgliedsorganisationen aus Verbraucherschutz, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Landwirtschaft und Kirchen für eine global gerechte, faire, nachhaltige und demokratische Außenwirtschaftspolitik ein. |