Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Kollege Fred Maintz (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=fred+maintz) hat uns als Gewerkschafter/Innen-Arbeitskreis (AK) ein Intreview aus der Jungen Welt zum Thema Finanzkrise – kapitalistische Krise – (http://www.ak-gewerkschafter.de/category/finanzkrise/ ) nach der Wahl des Donald Trump (http://www.ak-gewerkschafter.de/?s=trump ) zukommen lassen. Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson bezieht in diesem Interview ganz präzise Stellung.
Wir haben die komplette Mitteilung des Kollegen Maintz nachstehend zu Eurer gefälligen Kenntnisnahme auf unsere Homepage gepostet.
Für den AK Manni Engelhardt -Koordinator-
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Kollege Fred Maintz teilt mit:
http://www.jungewelt.de/2016/
über das ganze Elend des kapitalistischen (US-) Wirtschaftsmodells mit seiner (logischen?) Auswirkung auf den Alltag bringen unter anderem folgende Sätze auf den Punkt:
„Die Arbeiterklasse hat offensichtlich keine ökonomische Strategie. Im Wahlkampf wird überhaupt nicht über Wirtschaftsfragen debattiert. Es wurde über Politik, Geschlechter- und ethnische Fragen diskutiert, aber nicht über ökonomische Rechte. Die Arbeiter glauben eher, dass sie vielleicht selbst Kapitalisten oder Manager werden. Sie denken, vielleicht werden sie einmal bei einer Lotterie gewinnen. Dann würden sie gerne ihr ganzes Geld behalten. Also ist es besser, die Steuern für Reiche zu senken, sie könnten ja selbst einmal reich werden. Diese Art von Diskussionen gibt es. Es gibt einen Mangel an Klassenbewusstsein. Es gibt ein ethnisches Bewusstsein, ein sexuelles Bewusstsein, aber kein Klassenbewusstsein.“
Aus: Ausgabe vom 12.11.2016, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
»Schlimmer als die faulen sind die funktionierenden Kredite«
Gespräch. Mit Michael Hudson. Über die Krise des Kapitalismus, die Lage der Arbeiterklasse und seinen Patenonkel Leo Trotzki
Interview: Simon Zeise
Die kapitalistischen Staaten verfolgen keine Wirtschaftsstrategie, sondern handeln aus Verzweiflung
Foto: EPA/LISA HORNAK
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Michael Hudson … lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Universität Missouri (Kansas City) und ist Präsident des Instituts für langfristige Wirtschaftsentwicklung (ISLET) in New York City.
Am 12. November erscheint Michael Hudsons neuestes Buch »Der Sektor. Warum die globale Finanzwirtschaft uns zerstört« im Klett-Cotta-Verlag
Sie haben als erster bereits im Jahr 2006 vor der Finanzkrise gewarnt, die 2007 auf dem US-Hypothekenmarkt ausbrach. Wann kommt die nächste Krise?
Wir befinden uns immer noch in der Krise, wir sind nie herausgekommen. Seit 2007 sind in den USA die Löhne lediglich um 0,2 Prozent gestiegen. Für 95 Prozent der Bevölkerung sind sie sogar gesunken. Steigende Gehälter erhielten im selben Zeitraum nur fünf Prozent der US-Bürger. Wir befinden uns nicht in einem Konjunkturzyklus, sondern am Ende eines Konjunkturzyklus, der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Mit jedem Zyklus wurden Schulden aufgebaut. Man nennt diesen Verlauf »Hockeyschläger«-Bewegung, L-förmig sackt die Wirtschaft gerade nach unten ab und verbleibt danach auf niedrigem Niveau. Für die US- und die EU-Ökonomie wird es keine Erholung geben, wenn nicht die Schulden soweit abgewertet werden, dass sie auch bezahlt werden können. Ich sehe jedoch keine Anzeichen, dass derartiges geschieht.
Hätte Hillary Clinton die Probleme in den USA besser lösen können als der künftige Präsident Donald Trump?
Hillary Clinton können 79 Prozent der US-Amerikaner nicht leiden, Donald Trump 81 Prozent. Sie hatten also die zwei unbeliebtesten Kandidaten. Beide sind furchtbar. Eine Sache, die beide unterscheidet, ist, dass Hillary Krieg mit Russland angefangen hätte und mehr Regierungen in Lateinamerika stürzen wollte. Sie würde von »Regime-Changes« sprechen, in Wirklichkeit gemeint wären »CIA-Morde«. Donald Trump sagt, er möchte Krieg vermeiden. Sein Berater, ein General, erklärte, der »Islamische Staat« solle bekämpft werden. Hillary hingegen hätte die Linie der Obama-Administration fortsetzen und den IS fördern, den Nahen Osten destabilisieren und in kleine Regionen aufteilen wollen.
Beide unterstützen die Pläne der Wall Street, die Steuern für die Reichen zu senken. Sie wollen einen ausgeglichen Staatshaushalt durch Sozialkürzungen erreichen, um den enormen Anstieg der Militärausgaben finanzieren zu können. Vor allem bei der Modernisierung der Atomwaffen hätte Hillary Obamas Politik fortgesetzt. Obama hat für die Erneuerung der Atombomben und Raketensysteme eine Billion US-Dollar vorgesehen. Hillary ist eine führende Vertreterin einer neokonservativen Außenpolitik, der sogenannten Falken. Sie hat den Sturz der Regierungen in Honduras und Libyen vorangetrieben. Sie gehört zum ultrarechten Flügel in den USA. Donald Trump hat einen Vorteil, über den niemand anderes verfügt: Er ist inkompetent. Gebraucht wird ein US-Präsident, der nicht kompetent ist. Dessen Auftrag lautet, rund um den Erdball Krieg zu führen und die ökonomische Macht von den 99 Prozent zur Wall Street zu verlagern. Weil Donald Trump unfähig ist, mit anderen zusammenzuarbeiten, war er der bevorzugte Kandidat.
An was krankt der Kapitalismus? Sind die faulen Kredite in den Bankbilanzen das Hauptproblem der Krise?
Die Schulden sind das Hauptproblem. Und der Versuch, sie abzubauen, führt zu kränkelnder und nur unvollständiger Erholung. Schlimmer als die faulen sind aber die funktionierenden Kredite, denn sie werden nicht für neuen Konsum und neue Investitionen vergeben, sondern um die Banken zu bezahlen. Dieses Geld findet nicht den Weg in den Wirtschaftskreislauf zurück. Es bedingt neue Kredite, wodurch die Schulden größer werden. Dieses Phänomen nennt man »Schuldendeflation«. Es gibt nur einen Weg, da herauszukommen: Die Schulden müssen getilgt werden. Doch dafür ist eine andere Art des Denkens notwendig. Zum Beispiel wusste jeder in den 1920ern, dass Deutschland nicht die Reparationszahlungen für den Ersten Weltkrieg bezahlen konnte, doch es dauerte bis 1931, bis die Schulden annulliert wurden. Zu dieser Zeit war die Welt aber bereits auf dem Weg in die Depression. Es hat den Anschein, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis Europa oder die USA realisieren werden, dass es notwendig ist, die Schulden zu senken, um die Zahlungsfähigkeit gewährleisten zu können.
Um einen Ausweg aus der weltweiten Stagnation zu finden, setzen Kapitalisten aller Länder große Hoffnungen auf China. Wird die Volksrepublik die Weltwirtschaft mit sich reißen?
Deren Gedanke ist, dass China vom Westen nur Rohmaterialien importieren sollte. Aber das Land hat seinen Aufschwung an Infrastruktur- und großen Industrieinvestitionen bereits hinter sich. Jetzt möchte Beijing die gestiegenen Kapazitäten nutzen, um die eigene Bevölkerung zu unterstützen. Sie haben nur sehr wenig Interesse daran, Länder zu retten, die nicht eng mit ihnen verbunden sind. Tatsächlich könnte diese Entwicklung Ländern wie Kasachstan, Russland oder vielleicht neuerdings den Philippinen helfen. Ansonsten gilt: Nur der Westen kann den Westen retten.
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz erklärt in seinem neuen Buch »Europa spart sich kaputt«, die US-Wirtschaft habe im Gegensatz zur Europäischen Union die Krise überwunden. Stimmen Sie damit überein?
Natürlich nicht. Vielleicht ist er selbst aus der Krise raus, denn er erhält eine enorme Summe Geld für jede Rede, die er hält. Das Problem ist, dass er denkt, er sei die US-Ökonomie. Wenn man in New York die Hauptstraßen entlangläuft, zum Beispiel am Broadway – das Universitätsviertel ist dort an der Ecke 8th Street –, ist fast die Hälfte der Häuserblocks zu vermieten. Läden haben dichtgemacht. Restaurants schließen, denn die Menschen können es sich nicht mehr leisten, dort zu essen. Überall im Land sinken die Einkommen. Dass die Leute für Trump gestimmt haben, liegt auch daran, dass Hillary ihnen nicht anders als Stiglitz erklärt hat: »Hey, die Wirtschaft wächst, freut euch!« Und Trump sagte daraufhin: »Schaut euch um. Wem glaubt ihr? Hillary oder euren eigenen Augen?«
Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 führte in den Zweiten Weltkrieg. Droht heute wieder eine militärische Eskalation?
Nein. Ich denke nicht, dass sich die westlichen Nationen untereinander den Krieg erklären werden. Sie müssen dies heute nicht mehr, weil die Finanzmärkte diese Form der Eroberung ersetzt haben. Der Westen hat verstanden, dass Kriege darauf abzielen, ein Land zu überfallen und dessen Rohstoffe und Infrastruktur zu übernehmen. Das kann man heute über Finanzialisierung durchsetzen. Man braucht keinen Krieg führen, man muss die Bevölkerungen nur an den Neoliberalismus glauben lassen, und schon hat man sie erobert.
Denken Sie nicht, dass dieser Weg ein jähes Ende finden wird? Was ist, wenn die Profite sinken und die nächste Krise zuschlägt? Dann ist es plötzlich vorbei mit der Allmacht der Finanzmärkte.
Ja, das Finanzsystem ist selbstzerstörerisch. Aber es lebt sehr kurzfristig. Und all die Investmentmanager, die ich an der Wall Street kenne, haben erwartet, dass ein Ende eintritt. Sie nehmen ihr Geld und rennen. Sie kaufen Farmland, Immobilien, Andy-Warhol-Gemälde oder Gold. Sie wollen heraus aus den schnöden Bonds und Anleihen und das ganze Ding zusammenbrechen lassen.
In der EU wird Griechenland vom Finanzkapital in die Knie gezwungen. Sie haben die lettische Regierung beraten, die als erstes von der Euro-Krise getroffen wurde. Portugal, Spanien und Italien stehen zum Ausverkauf. Wie wird es weitergehen?
Diese Länder sind die schwächsten Glieder in der Kette. Das Problem ist, dass niemand das Problem wirklich analysiert hat. Es wird nicht gesehen, dass es ein finanzielles, ein monetäres und ein Problem der Banken ist. Die Investoren glauben, die in Europa praktizierte Sparpolitik der öffentlichen Haushalte auch in anderen Regionen der Welt durchsetzen zu können. Es braucht eine radikale Alternative zur bestehenden Euro-Zone. Davon sehe ich aber nicht viel.
Kommen wir zur Wirtschaftspolitik der kapitalistischen Staaten zurück. Alle Zentralbanken geben ihr Geld zu einem Zinssatz nahe null Prozent aus. Welche Strategie steht dahinter?
Michael Hudson
Foto: michael-hudson.com
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Es ist keine Strategie, sondern ein Gefühl von Verzweiflung. Die Hoffnungslosigkeit drückt sich in dem Versuch aus, die Preise für Vermögenswerte hoch genug zu halten, damit erstens die Banken, wenn sie pleite gehen, kein Geld verlieren und zweitens Spekulanten und das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung einen Aufschwung der Aktienpreise finanziert bekommt, so dass sie ihr Geld nehmen, verschwinden und den Aktienmarkt der Pensions- und Staatsfonds abstürzen lassen können. Die Idee ist einfach: Die Banken sollen gerettet werden, nicht die Wirtschaft. In den USA hat die Zentralbank Fed 4,3 Billionen US-Dollar geschöpft und diese als Helikoptergeld über der Wall Street ausgeschüttet, nicht aber über der Wirtschaft. Die Zentralbank wird der Regierung kein Geld leihen, damit diese es in die Wirtschaft investieren kann. Sie leiht es nur den Banken, damit sie Kredite an Anleihen- und Aktienkäufer vergeben, damit Vermögenswerte wieder steigen. Nichts davon hat irgend etwas mit Wirtschaftswachstum zu tun.
Wie sollte EZB-Chef Mario Draghi handeln? Manche Ökonomen meinen, die Zentralbank solle Helikoptergeld an den Banken vorbei direkt an die privaten Haushalte auszahlen.
Das würde den Banken gefallen. Sie wollen, dass die Bevölkerung genug Geld in der Tasche hat, um ihre Schulden zu bezahlen, die sie bei den Banken hat. Sie wollen sichergehen, dass die Bevölkerung kein Geld für sich ausgibt: Der Lebensstandard muss abgesenkt werden, die kleinste Spur von Lohnsteigerung muss den Banken zugute kommen. Ich denke nicht, dass Helikoptergeld eingeführt werden wird. Es würde auch das Problem nicht lösen. Wenn der Grund dafür, dass die Menschen Geld brauchen, der ist, dass sie Schulden begleichen müssen, ist die einfachste Lösung, die Schulden abzuschreiben. Das hatte Obama 2008 versprochen. Er hatte gesagt, als Gegenleistung für das Bankenrettungsprogramm, den »Bail-out«, müssten die Banken entweder die Hypothekenwerte abschreiben und auf die tatsächlichen Marktpreise der Häuser reduzieren, damit die Bevölkerung sie mit ihren Gehältern bezahlen kann. Oder die Finanzierungskosten der Hypotheken müssten auf die Höhe von monatlichen Mietpreisen gesenkt werden. Dies ist eines von Dutzenden gebrochenen Versprechen Obamas. Genauso steht es um seine Ankündigung, die Armee aus dem Nahen Osten zurückzuholen, die Atomwaffen abzurüsten und Guantanamo zu schließen.
Die niedrigen Leitzinsen begünstigen Firmenübernahmen und -fusionen. Wird es zu weiteren Monopolisierungstendenzen kommen?
Ja, dafür sind die niedrigen Zinsen da. Wenn man sich etwas für ein Prozent leihen und Firmenanteile kaufen kann mit einer Dividende von zwei oder drei Prozent, kann man die Zinsspanne einstreichen. Das machen Konzerne mit anderen Konzernen. Was hierbei eintritt? Eigenkapital wird gegen Schulden eingetauscht. Die Kapitalstruktur der Firmen basiert mehr und mehr auf Schulden und immer weniger auf Eigenkapital. Das ist das Produkt von Banken: Banken verkaufen Schulden – so einfach ist es.
Dagegen sollte etwas unternommen werden. Wie geht es eigentlich der Arbeiterklasse in den USA?
Schaut man sich das Wahlverhalten der Arbeiterklasse an, muss man sich fragen, was sie wollen. Sie wollen geringere Gehälter, höher besteuert werden, die Unternehmer sollen mehr Geld bekommen …
Klingt nach einer neuen Strategie …
Offensichtlich. Die Arbeiter haben eine Gehirnwäsche bekommen. Politik hat sich wegentwickelt von politisch-ökonomischen Fragen hin zu Identitätspolitik. In der Demokratischen Partei gibt es die »National Association for Women«, an deren Spitze sitzt eine Wall-Street-Milliardärin, also ist es die »National Association for Women für die Wall Street«. Es gibt die »Black Leadership«, die in Wirklichkeit »Black Leadership für die Wallstreet« heißen müsste. Ähnlich verhält es sich mit der Arbeiterklasse. Die Gewerkschaften sind seit den 1920er Jahren vom rechten Flügel dominiert. Es gab die Kleidermachergewerkschaft, die in den 20ern fortschrittlich war. Aber dann kämpfte sie plötzlich für niedrigere Gehälter, mit der Begründung, wenn wir nicht die Löhne senken, werden die Unternehmen das Land nach Mexiko verlassen. Die Arbeiterklasse hat offensichtlich keine ökonomische Strategie. Im Wahlkampf wird überhaupt nicht über Wirtschaftsfragen debattiert. Es wurde über Politik, Geschlechter- und ethnische Fragen diskutiert, aber nicht über ökonomische Rechte. Die Arbeiter glauben eher, dass sie vielleicht selbst Kapitalisten oder Manager werden. Sie denken, vielleicht werden sie einmal bei einer Lotterie gewinnen. Dann würden sie gerne ihr ganzes Geld behalten. Also ist es besser, die Steuern für Reiche zu senken, sie könnten ja selbst einmal reich werden. Diese Art von Diskussionen gibt es. Es gibt einen Mangel an Klassenbewusstsein. Es gibt ein ethnisches Bewusstsein, ein sexuelles Bewusstsein, aber kein Klassenbewusstsein.
Also wird es nie eine Revolution in den USA geben?
Ich glaube, sie wird leise verhungern. Es wird einen langsamen Crash geben. Nein, es gibt überhaupt kein Anzeichen für eine Revolution.
Und das aus Ihrem Mund. Schließlich war Trotzki ihr Patenonkel. Das stimmt doch?
Ja. Mein Vater wurde in Minneapolis geboren – der einzigen trotzkistischen Stadt der Welt. Und es war auch die einzige Stadt der Welt, in der die Zugehörigkeit zu einer trotzkistischen Bewegung einen Aufstieg auf der Karriereleiter bedeutete. Mein Vater hatte seinen Abschluss an der Handelsschule in Minnesota gemacht und wurde der Herausgeber der Arbeiterzeitung Northwest Organizer für die Teamsters-Gewerkschaft der Lkw-Fahrer in den 1930ern. Er war einer der »Minneapolis 17«, die am Tag vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor ins Gefängnis kamen. Offensichtlich gab es eine Absprache zwischen der Mafia und der Kommunistischen Partei, die Demokratische Partei zu unterstützen. Die Trotzkisten wurden ins Gefängnis gesteckt, weil sie Gegner der korrupten Mafia-Gewerkschafter und der Stalinisten waren. Trotzkis Bodyguards kamen aus Minneapolis. Meine Eltern arbeiteten mit ihm in Mexiko. Meine Tante, der der Eispickel gehörte, mit dem Trotzki ermordet wurde, heiratete einen Mexikaner. Trotzki dachte, der nächste große Arbeiterführer würde aus den USA kommen. Also wurde ich sein Patensohn. Er hat nicht vorausgesehen, dass einmal ein Wall-Street-Ökonom aus dem Kind werden würde.
Trotzki lag mit seiner Kalkulation offensichtlich falsch. Das Zentrum der Arbeiterbewegung hat sich nicht in den USA entwickelt. Von wo aus wird die nächste Revolution ihren Ursprung nehmen? In China hat heute eine kommunistische Partei die Macht. Wird es also Beijing sein?
Ich weiß nicht, ob Sie chinesisch sprechen?
Nein.
Marxismus ist das chinesische Wort für Politik. Ich bin Professor für marxistische Studien an der Universität in Beijing. Dort wird nicht über die Ausbeutung des Mehrwerts diskutiert, sondern über Politik. Ich sage dort, wir sollten mehr über die Mehrwerttheorie sprechen, aber es gibt kein großes Interesse. Aber, um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Das Zentrum des Marxismus war immer die Wall Street. Als ich dort in den 1960ern anfing, hatten alle führenden Ökonomen einen marxistischen Hintergrund. Es muss Mitte der 60er gewesen sein, an einem Donnerstag, als wir uns in einem japanischen Nudelhaus trafen. Da waren andere Investmentbanker, von Drexel Burnham, Lazard Frères, ich arbeitete bei Chase Manhattan. An diesem Abend gegen halb zehn diskutierten wir über das Überschuldungsproblem im dritten Band von Karl Marx’ »Kapital«. Wir brachen in Lachen aus und dachten: »Stellt euch vor, wenn die Leute wüssten, dass die führenden Wall-Street-Banker über Marx’ ›Kapital‹ diskutieren!« Der Grund ist unübersehbar: Wir wissen, dass sich in diesem System alles um Ausbeutung dreht. Die Wirtschaftsschulen erklären hingegen: So etwas wie Ausbeutung gibt es nicht. Weil wir wussten, worum es im System geht, waren wir natürlich die besseren Ökonomen.